Argentinien war vor dem ersten Weltkrieg eines der reichsten Länder der Welt. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen reichte nahe an die USA heran (siehe Abbildung 1). Das Land verfügt über fruchtbares Agrarland, große Bodenschätze und eine gut ausgebildete Bevölkerung. Traditionell war die Wirtschaft durch die Landwirtschaft geprägt, so dass Argentinien bis in die 1950er Jahre überwiegend Agrargüter exportierte. Im Jahr 1946 wurde Juan Domingo Perón zum Präsidenten gewählt, der sich durch weitreichende Zugeständnisse an die Gewerkschaften „als Volksheld der Arbeiterklasse“ an die Macht brachte. Er trieb fortan die Entwicklung Argentiniens als Industrieland voran.
Das wichtigste wirtschaftspolitische Instrument Peróns zur Industrialisierung war (wie damals in anderen aufstrebenden Volkswirtschaften) die Import-substitution (Singer 1950, Prebisch 1950, Cherif und Hasanov 2024). Um das Volkseinkommen zu erhöhen, sollten Importe von Industriegütern durch Inlandsproduktion ersetzt werden. Das war aufgrund der großen Wettbewerbsnachteile der Industrie nur mit Hilfe staatlicher Subventionen und hoher effektiver Zölle möglich. Um die dafür notwendigen Investitionen und Staatsausgaben zu finanzieren, wurden die privaten Ersparnisse durch die staatliche Kontrolle des Bankensystems in die Staatskasse und in die Industrie gelenkt. Die Kombination aus künstlich niedrigen Zinsen und (moderater) Inflation – die finanzielle Repression – trug zur realen Entwertung der Staatsverschuldung bei.
Die Importsubstitution und die finanzielle Repression entpuppten sich jedoch als Wachstumshemmnisse. Die hohen Zollschranken isolierten die Industrieunternehmen vom Weltmarkt, für den westliche Industrieunternehmen im Zuge der fortschreitenden Liberalisierung unter dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen GATT immer größere Stückzahlen und Skaleneffekte erreichten. Die strenge Regulierung der inländischen Banken in Form von hohen Mindestreserveanforderungen, Zinsobergrenzen und Devisenbeschränkungen zur Verhinderung von Kapitalflucht bremsten das Wachstum, weil keine freien Kapitalanlagen möglich waren. Bei stockenden Steuereinnahmen gingen hohe Subventionen und Sozialzuwendungen mit hoher Staatsverschuldung und Inflation einher.
Dieses Grundmuster der Wirtschaftspolitik ist bis heute – abgesehen von einer Phase der Liberalisierung unter Präsident Carlos Menem (1989–1999) – weitgehend unverändert geblieben. Seit den 1960er Jahren dominieren eine hohe Staats- und Auslandsverschuldung, finanzielle Repression, Inflation, Abwertung des Pesos, Zollschranken und Kapitalverkehrskontrollen, die negativ auf das Wachstum und den Wohlstand des Landes wirken (Schnabl und Sonnenberg 2022).
Abbildung 2 zeigt die sehr stark schwankenden und zweitweise sehr hohen Inflationsraten, die nicht nur dem Wachstum geschadet haben, sondern auch Verteilungswirkungen hatten. Ein Teil der Bevölkerung – insbesondere die Anhänger der Peronisten – profitiert von einem großen öffentlichen Sektor und der Subventionierung von Staatsunternehmen, während der andere Teil unter hoher Inflation und damit geringen Realeinkommen leide. Die hohen Zollschranken und Kapitalverkehrskontrollen verteilen vom international wettbewerbsfähigen Agrarsektor zum Staatssektor um.
Die Last für einen wachsenden Teil der Bevölkerung scheint zuletzt so groß geworden zu sein, dass diese bei den jüngsten Präsidentschaftswahlen für den libertären Kandidaten Javier Milei gestimmt hat, welcher im Wahlkampf für radikale Reformen eingetreten war. JavierMilei hat die meiste Zeit seines Lebens außerhalb der Politik verbracht und konnte deshalb glaubhaft einen Neuanfang versprechen. Wir zeigen den wissenschaftlichen Hintergrund von Mileis Ansatz, den theoretischen Hintergrund von Reformpolitiken im Allgemeinen und die politischen Hindernissen Argentinien im Speziellen auf. Abschließend werden wirtschaftspolitische Empfehlungen und Implikationen für die westlichen Industriestaaten abgeleitet.
Javier Milei ist studierter Ökonom und hat mehrere Bücher und Fachartikel publiziert (siehe z.B. Milei 2018, Milei 2020). Seine wirtschaftspolitischen Überzeugungen sind in der Österreichischen Schule der Nationalökonomie verwurzelt, die von österreichischen Ökonomen wie Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek geprägt worden ist. Sie legt den Fokus auf individuelle Handlungsfreiheit, staatliche Zurückhaltung in Wirtschaft und Gesellschaft sowie auf Geldwertstabilität.
2.1. Preissignale und Unternehmer
Friedrich August von Hayek ist einer der bekanntesten Vertreter der Österreichischen Schule und Nobelpreisträger des Jahres 1974. Ein Hauptthema ist die Funktionsweise von Märkten basierend auf dezentralen Informationen, die von Preisen signalisiert werden. Hayek (1945) argumentiert in seinem Aufsatz „The Use of Knowledge in Society“, dass zentralisierte Planung ineffizient ist, weil kein Einzelner und keine Regierung genug Informationen besitzen kann, um die Wirtschaft effizient zu lenken. Freie Preise reflektieren hingegen Wissen und Präferenzen von Millionen von Individuen und erleichtern dadurch den Austausch und die Allokation von Ressourcen. Deshalb plädiert Hayek (1945) für freie Märkte, wo die Informationen von Preisen am effizientesten genutzt werden können.
Vor 80 Jahren veröffentlichte Hayek das Buch „Der Weg zur Knechtschaft“ (Hayek 1944), in dem er vor dem schrittweisen Verlust von Freiheit und Wohlstand durch staatliche Wirtschaftsplanung warnte. Von zentraler Bedeutung für Hayek ist die Rolle des Wettbewerbs als Entdeckungsverfahren (Hayek 1968): der Wettbewerb zwischen den Unternehmen zwingt diese, kontinuierlich die Effizienz durch neue Produktionsprozesse zu erhöhen und neue Produkte auf den Markt zu bringen. Wettbewerb treibt so den technischen Fortschritt und die Produktivitätsgewinne voran.
Israel Kirzner (1973) hat in seinem Werk „Competition and Entrepreneurship“ die Rolle der Unternehmer im Marktprozess herausgearbeitet. Aufbauend auf Hayek interpretiert er den Markt als einen dynamischen Prozess, der durch unternehmerische Entdeckungen vorangetrieben wird. Der Unternehmer ist die Schlüsselfigur, die Marktungleichgewichte für die Generierung von Gewinnen nutzt und so zu einer gesamtwirtschaftlich effizienteren Ressourcenallokation und dem technischen Fortschritt beiträgt.
2.2. Geldwertstabilität und schlanker Staat
Ludwig von Mises (1949) hat in seinem Buch „Human Action“ eine Theorie des wirtschaftlichen Handelns, basierend auf der von ihm entwickelten Methodologie der „Praxeologie“ geschaffen. Diese besagt, dass menschliches Handeln aus Zielen und Mitteln besteht und sich im Zeitverlauf entwickelt. Mises (1949) kritisierte staatliche Eingriffe in die Wirtschaft und die sozialistischen Planwirtschaften, da diese den Preismechanismus stören und somit Ineffizienzen nach sich ziehen. Mises (1912) hat damit lange vor dem historischen Scheitern des Sozialismus theoretisch erkannt, dass dieser auf Dauer nicht funktionieren kann. Er verteidigte die freie Marktwirtschaft als ein geeignetes System zur Koordination individueller Handlungen zur Förderung von Wohlstand und sozialer Harmonie.
Murray Rothbard ist innerhalb der österreichischen Schule der bekannteste Vertreter des „Anarchokapitalismus“, für den Javier Milei Sympathie bekundet hat (z.B. Milei 2021). Rothbard (1962) argumentiert, dass staatliche Eingriffe in die Wirtschaft nicht nur unnötig, sondern auch schädlich sind, da sie die natürlichen Selbstregulierungsmechanismen des Marktes stören. Rothbard (1982) befürwortet eine Gesellschaft ohne Staat, in der alle Dienstleistungen, einschließlich Rechtssystem und Sicherheit, durch den Markt bereitgestellt werden. Rothbard (1962, 1982) lehnt Zentralbanken rigoros ab und befürwortet Gold als Geldbasis, um Inflation zu verhindern. Er vertritt die Ansicht, dass Steuern Raub sind und dass Individuen das Recht haben, in vollständiger Freiheit ohne staatliche Bevormundung zu leben und zu handeln.
2.3. Die Österreichische Schule in der spanischsprachigen Welt
Der spanische Professor Jesús Huerta de Soto ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen Vertreter der österreichischen Schule und hat Javier Milei direkt beeinflusst. In „Geld, Bankkredit und Konjunkturzyklen“ beschreibt Huerta de Soto (2009), wie das durch Zentralbanken beeinflusste Bankensystem systematisch Konjunkturkrisen und ökonomische Krisen verursacht. Er plädiert für ein Bankensystem, in dem Sichteinlagen verwahrt werden müssen und nicht weiterverliehen werden dürfen. Durch die sogenannte „100 Prozent-Deckung“ soll die Geldschaffung durch Privatbanken unterbunden werden, um durch übermäßige Kreditschöpfung verursachten Krisen vorzubeugen. Huerta de Soto plädiert für die Deckung der Währungen durch Gold (Goldstandard), um eine stabile und krisenfeste Marktwirtschaft zu etablieren. Von ihm kommt auch ein Einführungsbuch in die Österreichische Schule der Nationalökonomie (Huerta de Soto 2007).
Ein argentinischer Vertreter der Österreichischen Schule und für Milei einflussreicher Ökonom ist Alberto Benegas Lynch (junior), der einer der bekanntesten zeitgenössischen Ökonomen der österreichischen Schule in Argentinien ist. Sein Sohn ist Abgeordneter der Partei von Javier Milei La Libertad Avanza. Entlang der Denkrichtung der Österreichischen Schule argumentiert BenegasLynch (2023), dass Wohlstand und sozialer Frieden am besten durch die Kräfte des freien Marktes erreicht werden können, wo die freiwilligen Austauschbeziehungen zwischen Individuen zu effizienten und gerechten Ergebnissen führen. Den Einfluss des Staates will er zurückdrängen. Seine öffentlichkeitswirksamen Argumente bieten eine kritische Perspektive auf die Rolle des Staates in Argentinien und haben die Diskussion über Wirtschaftspolitik und Freiheit in Lateinamerika beeinflusst.
Unkontrollierte Staatsausgaben und hohe Staatsschulden haben in der Vergangenheit immer wieder zu Inflation und in einigen Fällen schließlich auch zu Wirtschaftsreformen geführt (Mayer und Schnabl 2022). Wenn über Reformen die Ausgabenverpflichtungen der Staaten ausreichend zurückgeführt werden konnten, sind auch die Inflationsraten gesunken und das Wachstum ist wieder angestiegen.
Ein besonders herausragendes Beispiel war die Wirtschafts- und Währungsreform des Jahres 1948 in Westdeutschland, das ein Wirtschaftswunder nach sich gezogen hat (Schnabl 2024, Kapitel 1). Das Ausbleiben bzw. das Verschleppen von Reformen über einen langen Zeitraum hinweg, das auch als „Argentinisierung“ (Stausberg 2002) bezeichnet wird, lässt das Wachstum auf Dauer schwächeln, was mit wachsender Unzufriedenheit in der Bevölkerung einhergeht.
3.1. Konstituierende Prinzipien einer marktwirtschaftlichen Ordnung
Walter Eucken (1952) hat als wissenschaftliche Grundlage der westdeutschen Wirtschafts- und Währungsreform des Jahres 1948 sieben konstituierende Prinzipien einer marktwirtschaftlichen Ordnung formuliert, die gemeinsam erfüllt sein müssten, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Es gilt das Primat der Währungspolitik (1): Nur bei einer stabilen Währung können Unternehmen sicher die Zukunft planen und investieren, was Wachstum schafft.Freie Preise (2) signalisieren Knappheiten und stellen so den effizienten Einsatz von Ressourcen sicher. Die Märkte sollen für den Eintritt aller Unternehmen offen sein (3), damit Wettbewerb zwischen den Unternehmen zu mehr Effizienz, niedrigen Preisen und Innovationen führt. Privateigentum (4) stellt sicher, dass die Unternehmen nach Gewinn streben und deshalb Ressourcen effizient einsetzen.
Innerhalb eines vorgegebenen rechtlichen Rahmens gilt Vertragsfreit (5), die es den Unternehmen ermöglicht, die Verträge an ihre individuelle Lage anzupassen. Es gilt das Haftungsprinzip (6): Unternehmer können die Gewinne privatisieren, müssen aber auch Verluste selbst tragen. Schließlich sollte die Wirtschaftspolitik (7) zurückhaltend sein, damit der Staat die Unternehmen nicht verdrängt und die wirtschaftlichen Bedingungen durch immer neue Interventionen des Staates nicht ständig verändert werden (Konstanz der Wirtschaftspolitik). „Die Volkswirtschaft ist kein Patient, den man pausenlos operieren kann.“ soll Ludwig Erhard, der historisch wichtigste politische Befürworter der Marktwirtschaft in Westdeutschland, gesagt haben.
Die Umsetzung der marktwirtschaftlichen Prinzipien in Westdeutschland traf auf Widerstände (Erhard 1957: 98-131). Beispielsweise führten die Preisfreigaben von Ludwig Erhard Westdeutschland an den Rand eines Generalstreiks. Immer wieder gab es Forderungen, zusätzliche Ausgaben mit Hilfe der Zentralbank zu finanzieren, denen Erhard entschieden entgegentrat. Schließlich entfaltete sich jedoch ein Wirtschaftswunder, das im deutlichen Kontrast zu der wirtschaftlichen Lage in Deutschland zwischen den Weltkriegen und dem planwirtschaftlichen Ostdeutschland stand. Es entstand eine breite Mittelschicht, die das Land politisch stabilisierte. Die für alle spürbaren Wohlstandsgewinne erzeugten einen starken politischen Rückhalt für die Regierungsparteien CDU/CSU, die bis 1969 den Kanzler stellten.
Ähnliche Reformen brachten in den 1970er Jahren das Vereinigte Königreich unter Margret Thatcher zurück auf den Wachstumspfad (Mayer und Schnabl 2022). Das Rezept für Wachstum und Wohlstand ist also bekannt. Das Problem besteht darin, dass Reformen gegen den Widerstand von Interessengruppen schwer durchsetzbar sind, da sie Verteilungseffekte zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen haben. Der Teil der Bevölkerung, der von zu hohen Staatsausgaben bisher profitiert, wird sich den Reformen widersetzen, was zu gesellschaftlichen Konflikten führen kann. Margret Thatcher (2010) geriet insbesondere in Konflikt mit den Gewerkschaften der stark subventionierten Wirtschaftsbereiche Stahl und Bergbau.
3.2. Die Reihenfolge der wirtschaftlichen Liberalisierung
Der kanadische Ökonom Ronald McKinnon (1973) hat nicht nur nachgewiesen, dass, wie in den sozialistischen Planwirtschaften und wie in Argentinien seit dem Zweiten Weltkrieg, die staatliche Lenkung von Ersparnissen zur Erreichung politischer Ziele das Wachstum hemmt. Er hat sich auch mit der Frage befasst, in welcher Reihenfolgen Liberalisierungen stattfinden müssen, damit es zu keinen Verwerfungen insbesondere im Finanzsektor kommt.
Finanzielle Liberalisierung in Verbindung mit einer anhaltend lockeren Geldpolitik führt zu finanzieller Überschwänglichkeit als Vorstufe zu Krisen, da bei zu niedrigen Zinsen die Banken dazu neigen, bei der Kreditvergabe zu hohe Risiken einzugehen (Huerta de Soto 2009, McKinnon 1993, 84-91). McKinnon sah daher fiskalische und monetäre Kontrolle als Voraussetzung für den Abbau von Regulierungen in Güter- und Finanzmärkten, um eine effiziente Allokation von Ressourcen durch Unternehmen, Haushalte und Lokalregierungen sicherzustellen.
Dies bedeutete in einem ersten Schritt die Konsolidierung der Staatsfinanzen, einschließlich der Abschaffung außerbudgetärer Staatsausgaben, die sich der parlamentarischen Kontrolle entziehen. Um die Kontrolle über die Finanzen zu erlangen, schlug McKinnon (1993, 4) einen Schwellenwert für die Staatsausgaben in Prozent des Bruttoinlandsprodukts und den Aufbau eines effizienten Steuersystems vor. Die Umsetzung von Fiskaldisziplin sah er als Voraussetzung für eine straffere Geldpolitik an, um eine fiskalische Dominanz – d.h. die Dominanz des Finanzministeriums über die Zentralbank (Hayek 1976) – in Zukunft auszuschließen. Denn, sobald die Staatsausgaben und die Staatsverschuldung hoch sind, steigt der Druck der Regierung auf die Zentralbank, Staatsanleihen zu kaufen (Sargent and Wallace 1981).
Erst im dritten Schritt sollten zunächst die inländischen Güter-, Arbeits- und Kapitalmärkte liberalisiert werden. Die Liberalisierung des Gütermarkts schafft Wettbewerb zwischen den Unternehmen. Weniger regulierte Arbeitsmärkte senken die Lohnkosten für Unternehmen und Staat. Das Bankensystem sollte von hohen Mindestreserveanforderungen und Vorgaben für die Zinsgestaltung befreit werden. In freien Kapitalmärkten erhalten die Einleger positive inflationsbereinigte Zinsen. Kreditnehmer zahlen positive inflationsbereinigte Zinsen, was nur bei einem stabilen Preisniveau möglich ist. Marktbestimmte Zinsen, die Risiken einpreisen, zwingen Unternehmen sich zu restrukturieren. Ebenso sollte ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden, in dem private Schuldverträge für alle Bürger und Unternehmen möglich und durchsetzbar sind.
Darauffolgend sah McKinnon (1993) die internationale Liberalisierung des Handels, der Kapitalströme und der Devisentransaktionen vor, wobei die Liberalisierung des Handels früher erfolgten sollte als die der Kapitalströme. Die vollkommene Liberalisierung des Kapitalverkehrs ist hierbei die Voraussetzung für Handel ohne jede Beschränkungen. McKinnons (1993) Reihenfolge der wirtschaftlichen und finanziellen Liberalisierung spiegelt den in Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg eingeschlagenen Weg wider, (wobei die Kapitalmärkte Westdeutschlands erst ab den 1970er Jahren vollständig liberalisiert wurden). Sie kann auch als Referenzrahmen des Transformationsprozesses der mittel- und osteuropäischen Planwirtschaften in den frühen 1990er Jahren gesehen werden, der – trotz vieler Unzulänglichkeiten – das Wachstum und das Einkommensniveau in der Region beträchtlich befördert hat.
3.3. Reformpläne von Milei
Javier Milei führt die 2021 gegründete politische Allianz "La Libertad Avanza" an. Die Bewegung basiert auf liberalen Prinzipien wie dem Respekt vor individuellen Lebensplänen, dem Nicht-Aggressionsprinzip und der Verteidigung der Rechte auf Leben, Freiheit und Privateigentum. Sie befürwortet freie Märkte ohne staatliche Interventionen, freien Wettbewerb, Arbeitsteilung und soziale Kooperation. Sie betont Effizienz, Meritokratie und die transparente Verwaltung öffentlicher Ressourcen (La Libertad Avanza 2023). Damit stellt Milei klar, dass er eine marktwirtschaftliche Ordnung für Argentinien anstrebt.
Dieses Grundmuster der Wirtschaftspolitik ist bis heute – abgesehen von einer Phase der Liberalisierung unter Präsident Carlos Menem (1989–1999) – weitgehend unverändert geblieben. Seit den 1960er Jahren dominieren eine hohe Staats- und Auslandsverschuldung, finanzielle Repression, Inflation, Abwertung des Pesos, Zollschranken und Kapitalverkehrskontrollen, die negativ auf das Wachstum und den Wohlstand des Landes wirken (Schnabl und Sonnenberg 2022).
Abbildung 2 zeigt die sehr stark schwankenden und zweitweise sehr hohen Inflationsraten, die nicht nur dem Wachstum geschadet haben, sondern auch Verteilungswirkungen hatten. Ein Teil der Bevölkerung – insbesondere die Anhänger der Peronisten – profitiert von einem großen öffentlichen Sektor und der Subventionierung von Staatsunternehmen, während der andere Teil unter hoher Inflation und damit geringen Realeinkommen leide. Die hohen Zollschranken und Kapitalverkehrskontrollen verteilen vom international wettbewerbsfähigen Agrarsektor zum Staatssektor um.
Die Last für einen wachsenden Teil der Bevölkerung scheint zuletzt so groß geworden zu sein, dass diese bei den jüngsten Präsidentschaftswahlen für den libertären Kandidaten Javier Milei gestimmt hat, welcher im Wahlkampf für radikale Reformen eingetreten war. JavierMilei hat die meiste Zeit seines Lebens außerhalb der Politik verbracht und konnte deshalb glaubhaft einen Neuanfang versprechen. Wir zeigen den wissenschaftlichen Hintergrund von Mileis Ansatz, den theoretischen Hintergrund von Reformpolitiken im Allgemeinen und die politischen Hindernissen Argentinien im Speziellen auf. Abschließend werden wirtschaftspolitische Empfehlungen und Implikationen für die westlichen Industriestaaten abgeleitet.
Javier Milei ist studierter Ökonom und hat mehrere Bücher und Fachartikel publiziert (siehe z.B. Milei 2018, Milei 2020). Seine wirtschaftspolitischen Überzeugungen sind in der Österreichischen Schule der Nationalökonomie verwurzelt, die von österreichischen Ökonomen wie Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek geprägt worden ist. Sie legt den Fokus auf individuelle Handlungsfreiheit, staatliche Zurückhaltung in Wirtschaft und Gesellschaft sowie auf Geldwertstabilität.
2.1. Preissignale und Unternehmer
Friedrich August von Hayek ist einer der bekanntesten Vertreter der Österreichischen Schule und Nobelpreisträger des Jahres 1974. Ein Hauptthema ist die Funktionsweise von Märkten basierend auf dezentralen Informationen, die von Preisen signalisiert werden. Hayek (1945) argumentiert in seinem Aufsatz „The Use of Knowledge in Society“, dass zentralisierte Planung ineffizient ist, weil kein Einzelner und keine Regierung genug Informationen besitzen kann, um die Wirtschaft effizient zu lenken. Freie Preise reflektieren hingegen Wissen und Präferenzen von Millionen von Individuen und erleichtern dadurch den Austausch und die Allokation von Ressourcen. Deshalb plädiert Hayek (1945) für freie Märkte, wo die Informationen von Preisen am effizientesten genutzt werden können.
Vor 80 Jahren veröffentlichte Hayek das Buch „Der Weg zur Knechtschaft“ (Hayek 1944), in dem er vor dem schrittweisen Verlust von Freiheit und Wohlstand durch staatliche Wirtschaftsplanung warnte. Von zentraler Bedeutung für Hayek ist die Rolle des Wettbewerbs als Entdeckungsverfahren (Hayek 1968): der Wettbewerb zwischen den Unternehmen zwingt diese, kontinuierlich die Effizienz durch neue Produktionsprozesse zu erhöhen und neue Produkte auf den Markt zu bringen. Wettbewerb treibt so den technischen Fortschritt und die Produktivitätsgewinne voran.
Israel Kirzner (1973) hat in seinem Werk „Competition and Entrepreneurship“ die Rolle der Unternehmer im Marktprozess herausgearbeitet. Aufbauend auf Hayek interpretiert er den Markt als einen dynamischen Prozess, der durch unternehmerische Entdeckungen vorangetrieben wird. Der Unternehmer ist die Schlüsselfigur, die Marktungleichgewichte für die Generierung von Gewinnen nutzt und so zu einer gesamtwirtschaftlich effizienteren Ressourcenallokation und dem technischen Fortschritt beiträgt.
2.2. Geldwertstabilität und schlanker Staat
Ludwig von Mises (1949) hat in seinem Buch „Human Action“ eine Theorie des wirtschaftlichen Handelns, basierend auf der von ihm entwickelten Methodologie der „Praxeologie“ geschaffen. Diese besagt, dass menschliches Handeln aus Zielen und Mitteln besteht und sich im Zeitverlauf entwickelt. Mises (1949) kritisierte staatliche Eingriffe in die Wirtschaft und die sozialistischen Planwirtschaften, da diese den Preismechanismus stören und somit Ineffizienzen nach sich ziehen. Mises (1912) hat damit lange vor dem historischen Scheitern des Sozialismus theoretisch erkannt, dass dieser auf Dauer nicht funktionieren kann. Er verteidigte die freie Marktwirtschaft als ein geeignetes System zur Koordination individueller Handlungen zur Förderung von Wohlstand und sozialer Harmonie.
Murray Rothbard ist innerhalb der österreichischen Schule der bekannteste Vertreter des „Anarchokapitalismus“, für den Javier Milei Sympathie bekundet hat (z.B. Milei 2021). Rothbard (1962) argumentiert, dass staatliche Eingriffe in die Wirtschaft nicht nur unnötig, sondern auch schädlich sind, da sie die natürlichen Selbstregulierungsmechanismen des Marktes stören. Rothbard (1982) befürwortet eine Gesellschaft ohne Staat, in der alle Dienstleistungen, einschließlich Rechtssystem und Sicherheit, durch den Markt bereitgestellt werden. Rothbard (1962, 1982) lehnt Zentralbanken rigoros ab und befürwortet Gold als Geldbasis, um Inflation zu verhindern. Er vertritt die Ansicht, dass Steuern Raub sind und dass Individuen das Recht haben, in vollständiger Freiheit ohne staatliche Bevormundung zu leben und zu handeln.
2.3. Die Österreichische Schule in der spanischsprachigen Welt
Der spanische Professor Jesús Huerta de Soto ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen Vertreter der österreichischen Schule und hat Javier Milei direkt beeinflusst. In „Geld, Bankkredit und Konjunkturzyklen“ beschreibt Huerta de Soto (2009), wie das durch Zentralbanken beeinflusste Bankensystem systematisch Konjunkturkrisen und ökonomische Krisen verursacht. Er plädiert für ein Bankensystem, in dem Sichteinlagen verwahrt werden müssen und nicht weiterverliehen werden dürfen. Durch die sogenannte „100 Prozent-Deckung“ soll die Geldschaffung durch Privatbanken unterbunden werden, um durch übermäßige Kreditschöpfung verursachten Krisen vorzubeugen. Huerta de Soto plädiert für die Deckung der Währungen durch Gold (Goldstandard), um eine stabile und krisenfeste Marktwirtschaft zu etablieren. Von ihm kommt auch ein Einführungsbuch in die Österreichische Schule der Nationalökonomie (Huerta de Soto 2007).
Ein argentinischer Vertreter der Österreichischen Schule und für Milei einflussreicher Ökonom ist Alberto Benegas Lynch (junior), der einer der bekanntesten zeitgenössischen Ökonomen der österreichischen Schule in Argentinien ist. Sein Sohn ist Abgeordneter der Partei von Javier Milei La Libertad Avanza. Entlang der Denkrichtung der Österreichischen Schule argumentiert BenegasLynch (2023), dass Wohlstand und sozialer Frieden am besten durch die Kräfte des freien Marktes erreicht werden können, wo die freiwilligen Austauschbeziehungen zwischen Individuen zu effizienten und gerechten Ergebnissen führen. Den Einfluss des Staates will er zurückdrängen. Seine öffentlichkeitswirksamen Argumente bieten eine kritische Perspektive auf die Rolle des Staates in Argentinien und haben die Diskussion über Wirtschaftspolitik und Freiheit in Lateinamerika beeinflusst.
Unkontrollierte Staatsausgaben und hohe Staatsschulden haben in der Vergangenheit immer wieder zu Inflation und in einigen Fällen schließlich auch zu Wirtschaftsreformen geführt (Mayer und Schnabl 2022). Wenn über Reformen die Ausgabenverpflichtungen der Staaten ausreichend zurückgeführt werden konnten, sind auch die Inflationsraten gesunken und das Wachstum ist wieder angestiegen.
Ein besonders herausragendes Beispiel war die Wirtschafts- und Währungsreform des Jahres 1948 in Westdeutschland, das ein Wirtschaftswunder nach sich gezogen hat (Schnabl 2024, Kapitel 1). Das Ausbleiben bzw. das Verschleppen von Reformen über einen langen Zeitraum hinweg, das auch als „Argentinisierung“ (Stausberg 2002) bezeichnet wird, lässt das Wachstum auf Dauer schwächeln, was mit wachsender Unzufriedenheit in der Bevölkerung einhergeht.
3.1. Konstituierende Prinzipien einer marktwirtschaftlichen Ordnung
Walter Eucken (1952) hat als wissenschaftliche Grundlage der westdeutschen Wirtschafts- und Währungsreform des Jahres 1948 sieben konstituierende Prinzipien einer marktwirtschaftlichen Ordnung formuliert, die gemeinsam erfüllt sein müssten, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Es gilt das Primat der Währungspolitik (1): Nur bei einer stabilen Währung können Unternehmen sicher die Zukunft planen und investieren, was Wachstum schafft.Freie Preise (2) signalisieren Knappheiten und stellen so den effizienten Einsatz von Ressourcen sicher. Die Märkte sollen für den Eintritt aller Unternehmen offen sein (3), damit Wettbewerb zwischen den Unternehmen zu mehr Effizienz, niedrigen Preisen und Innovationen führt. Privateigentum (4) stellt sicher, dass die Unternehmen nach Gewinn streben und deshalb Ressourcen effizient einsetzen.
Innerhalb eines vorgegebenen rechtlichen Rahmens gilt Vertragsfreit (5), die es den Unternehmen ermöglicht, die Verträge an ihre individuelle Lage anzupassen. Es gilt das Haftungsprinzip (6): Unternehmer können die Gewinne privatisieren, müssen aber auch Verluste selbst tragen. Schließlich sollte die Wirtschaftspolitik (7) zurückhaltend sein, damit der Staat die Unternehmen nicht verdrängt und die wirtschaftlichen Bedingungen durch immer neue Interventionen des Staates nicht ständig verändert werden (Konstanz der Wirtschaftspolitik). „Die Volkswirtschaft ist kein Patient, den man pausenlos operieren kann.“ soll Ludwig Erhard, der historisch wichtigste politische Befürworter der Marktwirtschaft in Westdeutschland, gesagt haben.
Die Umsetzung der marktwirtschaftlichen Prinzipien in Westdeutschland traf auf Widerstände (Erhard 1957: 98-131). Beispielsweise führten die Preisfreigaben von Ludwig Erhard Westdeutschland an den Rand eines Generalstreiks. Immer wieder gab es Forderungen, zusätzliche Ausgaben mit Hilfe der Zentralbank zu finanzieren, denen Erhard entschieden entgegentrat. Schließlich entfaltete sich jedoch ein Wirtschaftswunder, das im deutlichen Kontrast zu der wirtschaftlichen Lage in Deutschland zwischen den Weltkriegen und dem planwirtschaftlichen Ostdeutschland stand. Es entstand eine breite Mittelschicht, die das Land politisch stabilisierte. Die für alle spürbaren Wohlstandsgewinne erzeugten einen starken politischen Rückhalt für die Regierungsparteien CDU/CSU, die bis 1969 den Kanzler stellten.
Ähnliche Reformen brachten in den 1970er Jahren das Vereinigte Königreich unter Margret Thatcher zurück auf den Wachstumspfad (Mayer und Schnabl 2022). Das Rezept für Wachstum und Wohlstand ist also bekannt. Das Problem besteht darin, dass Reformen gegen den Widerstand von Interessengruppen schwer durchsetzbar sind, da sie Verteilungseffekte zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen haben. Der Teil der Bevölkerung, der von zu hohen Staatsausgaben bisher profitiert, wird sich den Reformen widersetzen, was zu gesellschaftlichen Konflikten führen kann. Margret Thatcher (2010) geriet insbesondere in Konflikt mit den Gewerkschaften der stark subventionierten Wirtschaftsbereiche Stahl und Bergbau.
3.2. Die Reihenfolge der wirtschaftlichen Liberalisierung
Der kanadische Ökonom Ronald McKinnon (1973) hat nicht nur nachgewiesen, dass, wie in den sozialistischen Planwirtschaften und wie in Argentinien seit dem Zweiten Weltkrieg, die staatliche Lenkung von Ersparnissen zur Erreichung politischer Ziele das Wachstum hemmt. Er hat sich auch mit der Frage befasst, in welcher Reihenfolgen Liberalisierungen stattfinden müssen, damit es zu keinen Verwerfungen insbesondere im Finanzsektor kommt.
Finanzielle Liberalisierung in Verbindung mit einer anhaltend lockeren Geldpolitik führt zu finanzieller Überschwänglichkeit als Vorstufe zu Krisen, da bei zu niedrigen Zinsen die Banken dazu neigen, bei der Kreditvergabe zu hohe Risiken einzugehen (Huerta de Soto 2009, McKinnon 1993, 84-91). McKinnon sah daher fiskalische und monetäre Kontrolle als Voraussetzung für den Abbau von Regulierungen in Güter- und Finanzmärkten, um eine effiziente Allokation von Ressourcen durch Unternehmen, Haushalte und Lokalregierungen sicherzustellen.
Dies bedeutete in einem ersten Schritt die Konsolidierung der Staatsfinanzen, einschließlich der Abschaffung außerbudgetärer Staatsausgaben, die sich der parlamentarischen Kontrolle entziehen. Um die Kontrolle über die Finanzen zu erlangen, schlug McKinnon (1993, 4) einen Schwellenwert für die Staatsausgaben in Prozent des Bruttoinlandsprodukts und den Aufbau eines effizienten Steuersystems vor. Die Umsetzung von Fiskaldisziplin sah er als Voraussetzung für eine straffere Geldpolitik an, um eine fiskalische Dominanz – d.h. die Dominanz des Finanzministeriums über die Zentralbank (Hayek 1976) – in Zukunft auszuschließen. Denn, sobald die Staatsausgaben und die Staatsverschuldung hoch sind, steigt der Druck der Regierung auf die Zentralbank, Staatsanleihen zu kaufen (Sargent and Wallace 1981).
Erst im dritten Schritt sollten zunächst die inländischen Güter-, Arbeits- und Kapitalmärkte liberalisiert werden. Die Liberalisierung des Gütermarkts schafft Wettbewerb zwischen den Unternehmen. Weniger regulierte Arbeitsmärkte senken die Lohnkosten für Unternehmen und Staat. Das Bankensystem sollte von hohen Mindestreserveanforderungen und Vorgaben für die Zinsgestaltung befreit werden. In freien Kapitalmärkten erhalten die Einleger positive inflationsbereinigte Zinsen. Kreditnehmer zahlen positive inflationsbereinigte Zinsen, was nur bei einem stabilen Preisniveau möglich ist. Marktbestimmte Zinsen, die Risiken einpreisen, zwingen Unternehmen sich zu restrukturieren. Ebenso sollte ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden, in dem private Schuldverträge für alle Bürger und Unternehmen möglich und durchsetzbar sind.
Darauffolgend sah McKinnon (1993) die internationale Liberalisierung des Handels, der Kapitalströme und der Devisentransaktionen vor, wobei die Liberalisierung des Handels früher erfolgten sollte als die der Kapitalströme. Die vollkommene Liberalisierung des Kapitalverkehrs ist hierbei die Voraussetzung für Handel ohne jede Beschränkungen. McKinnons (1993) Reihenfolge der wirtschaftlichen und finanziellen Liberalisierung spiegelt den in Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg eingeschlagenen Weg wider, (wobei die Kapitalmärkte Westdeutschlands erst ab den 1970er Jahren vollständig liberalisiert wurden). Sie kann auch als Referenzrahmen des Transformationsprozesses der mittel- und osteuropäischen Planwirtschaften in den frühen 1990er Jahren gesehen werden, der – trotz vieler Unzulänglichkeiten – das Wachstum und das Einkommensniveau in der Region beträchtlich befördert hat.
3.3. Reformpläne von Milei
Javier Milei führt die 2021 gegründete politische Allianz "La Libertad Avanza" an. Die Bewegung basiert auf liberalen Prinzipien wie dem Respekt vor individuellen Lebensplänen, dem Nicht-Aggressionsprinzip und der Verteidigung der Rechte auf Leben, Freiheit und Privateigentum. Sie befürwortet freie Märkte ohne staatliche Interventionen, freien Wettbewerb, Arbeitsteilung und soziale Kooperation. Sie betont Effizienz, Meritokratie und die transparente Verwaltung öffentlicher Ressourcen (La Libertad Avanza 2023). Damit stellt Milei klar, dass er eine marktwirtschaftliche Ordnung für Argentinien anstrebt.
Bis zu Milei gab es multiple Wechselkurse. Die Dollarerlöse der Exporteure (überwiegend der Landwirte) mussten an die Regierung abgegeben werden, die darauf eine Exportsteuer (retenciones) erhob. Die verbliebenden Einnahmen wurden zu einem von der Regierung festgelegten Kurs in Peso konvertiert, der schlechter als der Dollar-Kurs auf dem Schwarzmarkt war. Wenn die Landwirte die verbleibenden Erlöse in Dollar anlegen wollten, um sie gegen Inflation zu schützen, dann mussten sie diese Dollar zu einem deutlich ungünstigeren Kurs erwerben. In einem ersten Schritt wurde der Peso offiziell abgewertet, um die Differenz zwischen dem von der Regierung politisch bestimmten offiziellen Wechselkursen und dem Schwarzmarktkurs des Dollarszu beseitigen. Der offizielle Kurs und der Schwarzmarktkurs haben sich dadurch deutlich angenähert und der Peso hat sich gegenüber dem Dollar stabilisiert (Abbildung 5). Das erleichtert internationale Transaktionen, eine Abschaffung der multiplen Wechselkurse ist aber mit dem Verlust von Einnahmen aus den staatlich gesteuerten Devisentransaktionen verbunden.
Die Inflationsrate ist bereits zurückgegangen (Abbildung 3). Doch selbst wenn durch die Reformen eine deutliche Stabilisierung des Pesos erreicht werden kann, ist der Einfluss der Regierung auf die Zentralbank noch nicht ausgeschlossen. Zentral bleibt deshalb die Frage, wie die Banco Central de la República Argentina auf Dauer dem Einfluss der Politik entzogen werden kann. Eine unabhängige Zentralbank wäre ein langfristiges Bekenntnis zur Finanzdisziplin, weil dem Staat die Möglichkeit genommen wird, sich über die Zentralbank zu finanzieren. Die Konsolidierungserfolge bei den Staatsfinanzen würden so verstetigt, wobei Geldreformen möglicherweise leichter zu implementieren sind als Ausgabenkürzungen und Arbeitsmarktreformen, weil es keinen direkten Widerstand gibt. Die Unabhängigkeit der Zentralbank kann aber jederzeit wieder politisch unterlaufen werden.
Eine Wechselkursbindung würde wie schon in den 1990er Jahren die Entscheidungskompetenz der zentralen Währungsbehörde auf einen festen Wechselkurs zum Dollar reduzieren. Im Gegensatz zu einem einfachen Festkurssystem kann bei einem Currency Board nur das Parlament die enge Bindung an den Dollar lösen. Doch das war in Argentinien im Januar 2002 der Fall, als das Currency Board, das immerhin seit 1991 Bestand gehabt hatte, kollabierte. Das geschah unter anderem auch deshalb, weil im Gegensatz zu einem Currency Board im engeren Sinne die Geldbasis nicht zu 100 % mit Devisenreserven gedeckt war (Hanke 2008). Seitdem ist die Inflation wieder stark angestiegen und der Peso hat stark abgewertet.
Deshalb wäre die Dollarisierung, die Milei im Wahlkampf immer wieder gefordert hat, der sicherste Weg zu dauerhafter Währungsstabilität (Cachanosky2024). Ist die Zentralbank abgeschafft, kann sie auch von zukünftigen Regierungen nicht mehr missbraucht werden, was Hayeks (1976) Idee der „Entnationalisierung des Geldes“ entspricht. Zudem hält die Bevölkerung in Argentinien wegen der dauerhaft hohen Inflation ohnehin schon viele Dollars, was die Dollarisierung einfacher machen würde. Ecuador hat die Erfahrung gemacht, dass die Bevölkerung, die die Dollarisierung Ecuadors überwiegend positiv sieht, über die Beibehaltung der Dollarisierung wacht (Cachanosky et al. 2023).
4.3. Deregulierung der Wirtschaft
Der dritte Politikbereich betrifft die Deregulierung der argentinischen Wirtschaft. Anfang des Jahres 2024 wollte Milei eine wirtschaftliche Schocktherapie per Notstandsdekret durchsetzen. Insgesamt sollten auf diese Weise 350 Gesetze mit Bezug zum Miet- und Arbeitsrecht, zum Rentensystem und zum Finanzsystem geändert oder abgeschafft werden (Tagesschau 2023). Diese Strategie ist teilweise gescheitert. Ein Gericht hat der Beschwerde der Gewerkschaften stattgegeben und Teile des Notstandes für verfassungswidrig erklärt. Gleichzeitig legte der Senat, die zweite der beiden Kammern des Kongresses, sein Veto ein. Auch der zweite Versuch, mit der Verabschiedung des sogenannten Omnibus-Gesetzes ein umfassendes Reformpaket mit insgesamt 664 Gesetzesinitiativen durchzusetzen, scheiterte im Kongress (Frankfurter Allgemeine Zeitung 2024b).
Im dritten Versuch Anfang Mai 2024 ist Milei und der Libertad Avanza ein erster Durchbruch im Abgeordnetenhaus gelungen. Ein deutlich reduziertes Reformpaket hat die Zustimmung der Mitte-rechts-Parteien erhalten und damit eine parlamentarische Mehrheit erreicht. Das Reformpaket überträgt gesetzgeberische Kompetenzen in den Bereichen Verwaltung, Wirtschaft, Finanzen und Energie für ein Jahr auf den Präsidenten (Frankfurter Allgemeine Zeitung 2024b). Unter anderem wurde auch eine Arbeitsmarktreform verabschiedet. Der Senat muss den Gesetzesänderungen noch zustimmen.
Trotz dieses Erfolges muss die Regierung weiter politische Allianzen schmieden, was angesichts der Radikalität und des Umfangs der angestrebten Reformen schwierig bleibt und durch den konfrontativen Politikstil zusätzlich erschwert werden dürfte. In seiner Rede zur Eröffnung des Kongresses am 01. März 2024 hat Milei den argentinischen Gouverneuren einen Pakt angeboten und eine Frist bis zum 25. Mai 2024 eingeräumt. Dieser„Pacto de Mayo“ sieht vor, dass jeder der Gouverneure einen 10-Punkte-Plan zum Neuaufbau der argentinischen Wirtschaft unterschreibt, der eine Art eine Neuauflage des sogenannten Washington Consensus (Williamson 2000) für Argentinien ist.
Die 10 Punkte (Argentinisches Tageblatt 2024) umfassen (1) die Unverletzlichkeit des Privateigentums, (2) eine Schuldenbremse, (3) die Senkung der Staatsausgaben auf 25 % des Bruttoinlandsprodukts, (4) die Senkung der Steuerlast, (5) die Neuverhandlung des Finanzausgleichs mit den Provinzen, (6) die Verpflichtung der Provinzen zum Rohstoffabbau, (7) eine Arbeitsmarktreform, (8) eine Rentenreform, (9) eine Verwaltungsreform und (10) die Liberalisierung des argentinischen Außenhandels. Würde das Programm durchgesetzt, dann würden die hohen privaten Auslandsvermögen Argentiniens (siehe Abbildung 6), die die Auslandsverbindlichkeiten des Landes deutlich übersteigen, möglicherweise ins Inland zurückfließen. Allerdings fällt auf, dass der Liberalisierung des Bankensektors in diesem Reformprogramm kein besonderes Gewicht gegeben wird.
Der 25. Mai ist argentinischer Nationalfeiertag, an dem die Loslösung von der spanischen Kolonialherrschaft gefeiert wird.Milei spekuliert auf einen Sieg bei den Parlamentswahlen im Jahr 2025. Mit einer Mehrheit im Parlament könnte er seine Gesetzesvorhaben vollständig auf den Weg bringen. Bis dahin läuft das Land aber Gefahr, in einem politischen Schwebezustand zu verharren. Milei hat nach wie vor die Unterstützung breiter Bevölkerungskreise, was für die anderen Parteien eine Blockadehaltung erschwert. Andere Parteien, insbesondere aus dem Mitte-rechts-Spektrum könnten deshalb mit Blick auf die Wahlen ihre Haltung überdenken. Wenn die Parteien nicht kooperieren, dann könnte Milei ihnen bis zu den Parlamentswahlen im Jahr 2025 die Schuld für die anhaltende wirtschaftliche Misere zuweisen, um die Wahlen zu gewinnen.
Bisher hat Milei eine Mehrheit in der Bevölkerung hinter sich, weil er auf die Fehler der bisherigen Machthaber verweisen kann. „Es kein Geld mehr da.“ hat er nach seinem Sieg lapidar festgestellt. Doch die Bevölkerung leidet unter den Subventionskürzungen, der Abwertung des Pesos und der Aufhebung der Preiskontrollen. Noch ist der soziale Frieden in Argentinien nicht gefährdet. Die Proteste haben kein besonderes Ausmaß erreicht. Es besteht aber eine latente Gefahr, dass die Stimmung kippt.
Die Proteste werden auch deshalb weiterwachsen, weil mit den Ausgabenkürzungen und Entlassungen die gut dotierten Stellen für die Anhängerschaft der alten Regierungen im Staatsdienst schwinden werden. Das schadet zwar der politischen Konkurrenz, erlaubt es aber Milei nicht, seine eigene Gefolgschaft zu bedienen. Da Reformen nur verzögert wirken, ist die Gefahr groß, dass die Unterstützung für Milei zu früh schwindet, was für die eingeschlagene Schocktherapie spricht. Doch die Chance für Mileiist der Grund, warum er gewählt wurde: Die Menschen in Argentinien haben so lange so stark gelitten, dass sie für einen Neuanfang bereit sind, weitere Einschnitte hinzunehmen.
Die Inflationsrate ist bereits zurückgegangen (Abbildung 3). Doch selbst wenn durch die Reformen eine deutliche Stabilisierung des Pesos erreicht werden kann, ist der Einfluss der Regierung auf die Zentralbank noch nicht ausgeschlossen. Zentral bleibt deshalb die Frage, wie die Banco Central de la República Argentina auf Dauer dem Einfluss der Politik entzogen werden kann. Eine unabhängige Zentralbank wäre ein langfristiges Bekenntnis zur Finanzdisziplin, weil dem Staat die Möglichkeit genommen wird, sich über die Zentralbank zu finanzieren. Die Konsolidierungserfolge bei den Staatsfinanzen würden so verstetigt, wobei Geldreformen möglicherweise leichter zu implementieren sind als Ausgabenkürzungen und Arbeitsmarktreformen, weil es keinen direkten Widerstand gibt. Die Unabhängigkeit der Zentralbank kann aber jederzeit wieder politisch unterlaufen werden.
Eine Wechselkursbindung würde wie schon in den 1990er Jahren die Entscheidungskompetenz der zentralen Währungsbehörde auf einen festen Wechselkurs zum Dollar reduzieren. Im Gegensatz zu einem einfachen Festkurssystem kann bei einem Currency Board nur das Parlament die enge Bindung an den Dollar lösen. Doch das war in Argentinien im Januar 2002 der Fall, als das Currency Board, das immerhin seit 1991 Bestand gehabt hatte, kollabierte. Das geschah unter anderem auch deshalb, weil im Gegensatz zu einem Currency Board im engeren Sinne die Geldbasis nicht zu 100 % mit Devisenreserven gedeckt war (Hanke 2008). Seitdem ist die Inflation wieder stark angestiegen und der Peso hat stark abgewertet.
Deshalb wäre die Dollarisierung, die Milei im Wahlkampf immer wieder gefordert hat, der sicherste Weg zu dauerhafter Währungsstabilität (Cachanosky2024). Ist die Zentralbank abgeschafft, kann sie auch von zukünftigen Regierungen nicht mehr missbraucht werden, was Hayeks (1976) Idee der „Entnationalisierung des Geldes“ entspricht. Zudem hält die Bevölkerung in Argentinien wegen der dauerhaft hohen Inflation ohnehin schon viele Dollars, was die Dollarisierung einfacher machen würde. Ecuador hat die Erfahrung gemacht, dass die Bevölkerung, die die Dollarisierung Ecuadors überwiegend positiv sieht, über die Beibehaltung der Dollarisierung wacht (Cachanosky et al. 2023).
4.3. Deregulierung der Wirtschaft
Der dritte Politikbereich betrifft die Deregulierung der argentinischen Wirtschaft. Anfang des Jahres 2024 wollte Milei eine wirtschaftliche Schocktherapie per Notstandsdekret durchsetzen. Insgesamt sollten auf diese Weise 350 Gesetze mit Bezug zum Miet- und Arbeitsrecht, zum Rentensystem und zum Finanzsystem geändert oder abgeschafft werden (Tagesschau 2023). Diese Strategie ist teilweise gescheitert. Ein Gericht hat der Beschwerde der Gewerkschaften stattgegeben und Teile des Notstandes für verfassungswidrig erklärt. Gleichzeitig legte der Senat, die zweite der beiden Kammern des Kongresses, sein Veto ein. Auch der zweite Versuch, mit der Verabschiedung des sogenannten Omnibus-Gesetzes ein umfassendes Reformpaket mit insgesamt 664 Gesetzesinitiativen durchzusetzen, scheiterte im Kongress (Frankfurter Allgemeine Zeitung 2024b).
Im dritten Versuch Anfang Mai 2024 ist Milei und der Libertad Avanza ein erster Durchbruch im Abgeordnetenhaus gelungen. Ein deutlich reduziertes Reformpaket hat die Zustimmung der Mitte-rechts-Parteien erhalten und damit eine parlamentarische Mehrheit erreicht. Das Reformpaket überträgt gesetzgeberische Kompetenzen in den Bereichen Verwaltung, Wirtschaft, Finanzen und Energie für ein Jahr auf den Präsidenten (Frankfurter Allgemeine Zeitung 2024b). Unter anderem wurde auch eine Arbeitsmarktreform verabschiedet. Der Senat muss den Gesetzesänderungen noch zustimmen.
Trotz dieses Erfolges muss die Regierung weiter politische Allianzen schmieden, was angesichts der Radikalität und des Umfangs der angestrebten Reformen schwierig bleibt und durch den konfrontativen Politikstil zusätzlich erschwert werden dürfte. In seiner Rede zur Eröffnung des Kongresses am 01. März 2024 hat Milei den argentinischen Gouverneuren einen Pakt angeboten und eine Frist bis zum 25. Mai 2024 eingeräumt. Dieser„Pacto de Mayo“ sieht vor, dass jeder der Gouverneure einen 10-Punkte-Plan zum Neuaufbau der argentinischen Wirtschaft unterschreibt, der eine Art eine Neuauflage des sogenannten Washington Consensus (Williamson 2000) für Argentinien ist.
Die 10 Punkte (Argentinisches Tageblatt 2024) umfassen (1) die Unverletzlichkeit des Privateigentums, (2) eine Schuldenbremse, (3) die Senkung der Staatsausgaben auf 25 % des Bruttoinlandsprodukts, (4) die Senkung der Steuerlast, (5) die Neuverhandlung des Finanzausgleichs mit den Provinzen, (6) die Verpflichtung der Provinzen zum Rohstoffabbau, (7) eine Arbeitsmarktreform, (8) eine Rentenreform, (9) eine Verwaltungsreform und (10) die Liberalisierung des argentinischen Außenhandels. Würde das Programm durchgesetzt, dann würden die hohen privaten Auslandsvermögen Argentiniens (siehe Abbildung 6), die die Auslandsverbindlichkeiten des Landes deutlich übersteigen, möglicherweise ins Inland zurückfließen. Allerdings fällt auf, dass der Liberalisierung des Bankensektors in diesem Reformprogramm kein besonderes Gewicht gegeben wird.
Der 25. Mai ist argentinischer Nationalfeiertag, an dem die Loslösung von der spanischen Kolonialherrschaft gefeiert wird.Milei spekuliert auf einen Sieg bei den Parlamentswahlen im Jahr 2025. Mit einer Mehrheit im Parlament könnte er seine Gesetzesvorhaben vollständig auf den Weg bringen. Bis dahin läuft das Land aber Gefahr, in einem politischen Schwebezustand zu verharren. Milei hat nach wie vor die Unterstützung breiter Bevölkerungskreise, was für die anderen Parteien eine Blockadehaltung erschwert. Andere Parteien, insbesondere aus dem Mitte-rechts-Spektrum könnten deshalb mit Blick auf die Wahlen ihre Haltung überdenken. Wenn die Parteien nicht kooperieren, dann könnte Milei ihnen bis zu den Parlamentswahlen im Jahr 2025 die Schuld für die anhaltende wirtschaftliche Misere zuweisen, um die Wahlen zu gewinnen.
Bisher hat Milei eine Mehrheit in der Bevölkerung hinter sich, weil er auf die Fehler der bisherigen Machthaber verweisen kann. „Es kein Geld mehr da.“ hat er nach seinem Sieg lapidar festgestellt. Doch die Bevölkerung leidet unter den Subventionskürzungen, der Abwertung des Pesos und der Aufhebung der Preiskontrollen. Noch ist der soziale Frieden in Argentinien nicht gefährdet. Die Proteste haben kein besonderes Ausmaß erreicht. Es besteht aber eine latente Gefahr, dass die Stimmung kippt.
Die Proteste werden auch deshalb weiterwachsen, weil mit den Ausgabenkürzungen und Entlassungen die gut dotierten Stellen für die Anhängerschaft der alten Regierungen im Staatsdienst schwinden werden. Das schadet zwar der politischen Konkurrenz, erlaubt es aber Milei nicht, seine eigene Gefolgschaft zu bedienen. Da Reformen nur verzögert wirken, ist die Gefahr groß, dass die Unterstützung für Milei zu früh schwindet, was für die eingeschlagene Schocktherapie spricht. Doch die Chance für Mileiist der Grund, warum er gewählt wurde: Die Menschen in Argentinien haben so lange so stark gelitten, dass sie für einen Neuanfang bereit sind, weitere Einschnitte hinzunehmen.
Argentinien hat unter den Peronisten einen falschen Weg bei der wirtschaftlichen Entwicklungsstrategie eingeschlagen. Während in der Weltwirtschaft der komparative Kostenvorteil Argentiniens bei Agrargütern und Rohstoffen liegen dürfte, trieben die Peronisten eine Industrialisierungsstrategie voran, die Subventionen, staatlich gelenkte Kreditallokation und eine Abschottung der Güter- und Kapitalmärte von den Weltgüter- und -finanzmärkten nach sich gezogen hat. Die staatliche Unterstützung der Industrie und vergleichsweise gut bezahlte Beschäftigungsverhältnisse im Staatssektor dienen der Sicherung der politischen Machtbasis der Peronisten.
Das hatte über viele Jahrzehnte hinweg negative Wachstums- und Verteilungseffekte, die überproportional auf Kosten der Bevölkerung außerhalb des Staatssektors gegangen sind und schließlich mit der Wahl Mileis zu einer – möglicherweise nur temporären – politischen Wende geführt haben. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos hielt Milei (Welt TV 2024) eine leidenschaftliche Rede für die Marktwirtschaft und warnte eindringlich vor den Gefahren des Kollektivismus. Er hob hervor, dass der Wohlstand der westlichen Welt auf Freiheit und Individualismus aufbaut. Dieses Fundament sei heute in Vergessenheit geraten. Stattdessen hätten zunehmend kollektivistische und sozialistische Ideen die Deutungshoheit in den politischen Diskursen westlicher Demokratien übernommen.
Milei hat darauf hingewiesen, dass – wenn auch nicht in einer gleichen Dimension – ähnliche Probleme wie in Argentinien in den westlichen Industrieländern bestehen (siehe auch Fischer 2024). Die Staatsverschuldung in den Industrieländern ist stark angestiegen und finanzielle Repression dient als Instrument, um die Lasten hoher Verschuldung für die Regierungen erträglich zu halten. Seit der globalen Finanzkrise hat die deutliche Ausweitung der Beschäftigung im öffentlichen Sektor bzw. in regulierungsnahen Sektoren (Schnabl 2023) zur Stabilisierung der Macht der etablierten politischen Parteien beigetragen. Die mit starker geld- und finanzpolitischer Expansion sowie wachsender Regulierung verbundenen negativen Wachstums- und Verteilungseffekte haben zu politischer Polarisierung in den Industrieländern geführt. Zuletzt haben auch Tendenzen zur Deglobalisierung zugenommen. Ohne Reformen würden die westlichen Industrieländer auf Dauer dem Weg Argentiniens folgen.
Argentinien hat gezeigt, wie eines der reichsten Länder der Welt durch ein dysfunktionales Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell über einen längeren Zeitraum verarmen kann. Das Reformkonzept, auf das Javier Milei setzt, ist wirtschaftliche Freiheit. Die internationalen Finanzmärkte haben positiv auf die Ankündigungen von Milei regiert (Busch 2024). Der Wechselkurs hat sich stabilisiert, der Börsenindex hat zugelegt, die internationalen Ratingagenturen haben das Länderrisiko abgesenkt und der Zinsspread zu US-Anleihen ist deutlich gesunken. Der IWF schätzt die Entwicklungen in Argentinien positiv ein (Frankfurter Allgemeine Zeitung 2024a). Javier Milei hat drauf hingewiesen, dass der Kapitalismus in der Geschichte zu einer beispiellosen Steigerung des Wohltandes und einer entsprechenden Verringerung der Armut geführt hat. Es wird sich zeigen, ob er sein Land zurück zu höherem Wohlstand bringen kann. Dafür wird auch entscheidend sein, wie die von ihm angestoßenen Reformen im Bankensektor wirken.
Verschiedene Fachbegriffe aus der Welt der Finanzen finden Sie in unserem Glossar erklärt.
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