Dass Putin an die schnelle Kapitulation Kiews und das Überlaufen der ukrainischen Truppen wirklich geglaubt hat, belegt ein am Samstag, den 26. Februar bereitgestellter und nicht schnell genug gelöschter Triumphtext der staatlichen Nachrichtenagentur RIA-Novosti. Die pakistanische Frontier Post hatte sie beizeiten entdeckt und mit einem screenshot gesichert.1
Ein Propaganda-Autor namens Petr Akopov verkündet – nach einem offensichtlich schusslos erwarteten Spaziergang am 24. und 25. Februar – Moskaus Sieg. Er verwendet Originalton Putin. Die "nationale Demütigung" durch Verlust der Ukraine im Dezember 1991, diese „furchtbare Katastrophe und unnatürliche Zerrissenheit“, sei endlich überwunden. Putin habe ganz allein "ohne einen Tropfen Übertreibung eine große historische Verantwortung übernommen, um die Lösung der ukrainischen Frage nicht künftigen Generationen aufzuhalsen.“ Nun werde die Ukraine "reorganisiert, wiederhergestellt und in ihren natürlichen Zustand als Teil der russischen Welt zurückgeführt".
Putin erleidet täglich mit rund 1300 Mann so viele Gefallene wie Breschnew im Afghanistan-Krieg von 1979 bis 1989 in einem ganzen Jahr. Der verheerende Eindruck der geopferten einzigen Söhne bei seinem vergreisenden Volk gipfelt in der bizarren, ja verzweifelten Aufforderung an Google, die russischen Todeszahlen nicht mehr zu veröffentlichen.2 Die kennt aber jeder Russe genauso gut wie jeder Ukrainer. Hier in Danzig arbeiten über 40,000. Mit den direkt Benachbarten kommt es kaum noch zum Begrüßen, weil sie nicht nur nach Hause telefonieren, sondern auch Freunde und Verwandten in Russland rund um die Uhr informieren.
Gleichzeitig gibt es Interviews mit russischen Rekruten, die mit lustigen Manöverwochen in den Krieg gelockt und umstandslos mit Erschießung bedroht wurden, als sie sich über den lebensgefährlichen Betrug beschwerten.3
Beide Seiten können nicht lange kämpfen, aber die angegriffene mag nicht nur an die Freiheit, sondern auch an den Holodomor denken, der 1932 seinen Höhepunkt erreicht und bis heute der größte Genozid durch menschengemachten Hunger geblieben ist.
1www.bbc.com/news/technology-60562240
Gunnar Heinsohn (*1943) hat 1993 an der Universität Bremen Europas erstes Institut für vergleichende Völkermordforschung aufgebaut und bis 2009 geleitet.
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