Die Folgen von Putins Krieg in der Ukraine lassen die Preise weltweit massiv steigen. Jetzt ist die Geldpolitik gefragt. Wie reagieren die internationalen Notenbanken?
Der 24. Februar markiert mit dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine das Ende einer friedlichen Koexistenz zwischen Russland und der westlichen Welt. Der brutale Überfall auf die ukrainische Zivilbevölkerung sollte selbst die letzten Putin-Versteher zu einer 180-Grad-Wende veranlassen, die weit über die Verteidigungs- und Energiepolitik hinausreicht. Europa und vor allem Deutschland sind hiervon aufgrund ihrer räumlichen Nähe, wirtschaftlichen Verflechtung und energiepolitischen Abhängigkeit besonders stark betroffen.
Der Ausstieg aus der Atomkraft und der geplante Ausstieg aus der Kohleenergie haben hierzulande ein Klumpenrisiko geschaffen. Bis zuletzt machten Öl und Gas etwa 61 Prozent des Energieverbrauchs in Deutschland aus. Dabei wurden 55 Prozent des Gases und 42 Prozent des Öls aus Russland bezogen. Wer hätte es noch vor einigen Monaten für möglich gehalten, dass ein grüner Wirtschaftsminister nach Katar reist, um Gaslieferungen an Deutschland zu erbitten?
Auch die mittelbaren Auswirkungen etwa auf geopolitische, kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen könnten gravierend sein. Dies betrifft auch das Verhältnis des Westens zu China, das treu an Russlands Seite zu stehen scheint. Denn für viele europäische und vor allem deutsche Unternehmen sind die Beziehungen zu China von existenzieller Bedeutung.
Putins Angriffskrieg trifft die Welt zu einem Zeitpunkt, an dem die Nachwirkungen der Pandemie in Form unterbrochener Lieferketten noch nicht überwunden und die Energie- und Rohstoffpreise schon stark gestiegen sind. Jetzt klettern sie auf schmerzhafte Niveaus. Dies sorgt für einen weiteren Inflationsschub, der uns in eine neue Inflationsära befördert. Seit Anfang der 1980er-Jahre bis vor einem Jahr befand sich die Inflation auf dem Rückzug. Jetzt braut sich ein perfekter Inflationssturm zusammen.
Alan Blinder, der ehemalige Vizepräsident der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), hat das Ergebnis einer erfolgreichen Inflationsbekämpfung einmal wie folgt bezeichnet: „Preisstabilität ist dann, wenn die Leute aufgehört haben, über Inflation zu reden.“ Umgekehrt könnte man sagen, „Inflation ist dann, wenn die Leute ständig darüber reden.“ Spätestens seit dem drastischen Anstieg der Benzin-, Strom- und Gaspreise ist dieser Punkt erreicht. Auch der extreme Anstieg der deutschen Produzentenpreise im März markierte mit einer Teuerungsrate von 30,9 Prozent den höchsten Wert in der Geschichte der Bundesrepublik (vgl. Grafik 1).
Dies wirkt sich mit einiger Verzögerung auch auf die Konsumentenpreise aus, wenn die Unternehmen die höheren Inputkosten an ihre Kunden und die Endverbraucher weitergeben. So stieg die Konsumentenpreisinflation im März in Deutschland auf 7,3 Prozent und verzeichnete damit den höchsten Preisanstieg seit 1974. Gleichzeitig erreichte die Inflation in der Eurozone mit 7,5 Prozent den mit Abstand höchsten Wert seit Ein-führung des Euro. Selbst die sogenannte Kerninflation, die den Anstieg der Energie- und Nahrungsmittelpreise ausklammert, erreichte mit drei Prozent einen neuen Rekordwert (vgl. Grafik 2).
Die Notenbanken haben ihre Hoffnungen auf ein Inflationsintermezzo, das sie mit dem Narrativ eines „transitorischen“, also rasch vorübergehenden, Inflationsbuckels bis vor kurzem gepflegt haben, inzwischen begraben. In den USA, wo die Inflation bereits im Frühjahr 2021 ihr Haupt reckte, stieg die Inflationsrate im März auf 8,5 Prozent.
Der US-Arbeitsmarkt brummt. Die Arbeitslosenquote ist zuletzt auf 3,6 Prozent gesunken und hat damit wieder das Niveau von vor der Pandemie erreicht. Im ersten Quartal wurden in den USA fast 1,7 Millionen neue Jobs geschaffen. Auch die Löhne sind im März gegenüber dem Vorjahr mit 5,6 Prozent deutlich gestiegen, was den Preisauftrieb weiter anfacht. Dank des Booms am Arbeitsmarkt kann sich die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) nun auf das Ziel der Preisstabilität konzentrieren.
Am 16. März hat die Fed den Leitzins erstmals erhöht (um 0,25 Prozentpunkte in eine Bandbreite von 0,25 bis 0,5 Prozent). Weitere Zinserhöhungsschritte sollen dieses Jahr folgen. Für Ende des Jahres erwarten die Mitglieder des Offenmarktausschusses der Fed ein Leitzinsniveau von 1,9 Prozent und für Ende 2023 von 2,8 Prozent.
Angesichts des hohen Inflationsniveaus in den USA wirkt ein solches Zinsniveau aber kaum bedrohlich. So dürfte der erste Zinsschritt weniger den Beginn einer echten Zinswende markieren, sondern eher den Versuch, das Zinsniveau wieder etwas zu normalisieren. Mit dem Signal, die Inflation nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, soll auch das Vertrauen in die Politik der US-Notenbank gestärkt werden.
Hiervon kann bei der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) noch nicht gesprochen werden. Sie hinkt der Fed noch ein gutes Stück hinterher, obwohl die Inflation in der Eurozone zuletzt ebenfalls eine außergewöhnliche Dynamik entfaltet hat. Nach ihrer jüngsten Sitzung am 10. März hat die EZB aber zumindest ihre realitätsfremden Inflationsprognosen (in Teilen) revidiert. Für 2022 erwartet sie nun eine Inflationsrate von 5,1 Prozent, was angesichts der aktuellen Entwicklung immer noch recht optimistisch erscheint. Danach soll der Spuk aber wieder vorbei sein. Für 2023 nannte sie eine Inflationserwartung von nur noch 2,1 Prozent und für 2024 erstmals wieder eine geldpolitisch „korrekte“ Erwartung von 1,9 Prozent.
Mit diesem Inflationsoptimismus kauft sich die EZB Zeit. Immerhin könnten die Anleihekäufe im dritten Quartal dieses Jahres auslaufen. Erst einige Zeit später soll dann auch der Leitzins erstmals seit 2011 wieder über die Nulllinie gehoben werden. Das sind keine guten Nachrichten für Sparbuch-Fans, die angesichts negativer Realzinsen mit einem deutlichen Wertverlust ihrer Einlagen rechnen müssen.
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