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Europa allein zu Haus

- Thomas Mayer

Wer nicht den Kopf in den Sand steckt, sieht, dass Europa sich im Krieg mit Russland befindet. In der Ukraine ist der Krieg heiß, im Rest noch kalt, könnte aber auch dort heiß werden, wenn Russland die Ukraine besiegt. Gleichzeitig ziehen die USA ihre schützende Hand über Europa zurück, vielleicht nicht ganz, aber doch so, dass es beunruhigt. Klar ist, dass Europa mehr tun muss, um sich selbst zu schützen. Dafür müssen die Verteidigungsausgaben drastisch steigen, und zwar schnell und auf Höhen, die denen in der Zeit des Kalten Kriegs gegen die Sowjetunion ähnlich sind.

Aber wie soll das finanziert werden? Durch Umschichtungen staatlicher Ausgaben, Steuererhöhungen oder höhere Staatsverschuldung mit oder ohne Unterstützung durch die Zentralbank? Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass alle der genannten Finanzierungsformen in früheren Kriegen eine Rolle spielten. Heute spitzt sich die Debatte in Europa jedoch auf die Frage gemeinschaftlicher oder einzelstaatlicher Schuldenfinanzierung der Aufrüstung zu. Im ersten Teil dieses Papiers stelle ich die These auf, dass beide Wege große Probleme für Deutschland und die Europäische Währungsunion bringen dürften. Im zweiten Teil stelle ich einen Vorschlag zur Diskussion, wie sich Deutschland dagegen schützen könnte.

Wie Kriege finanziert wurden

Steuererhöhungen, Kürzungen von zivilen Staatsausgaben, Erhöhung der Staatsverschuldung und monetäre Finanzierung durch Geldschaffung spielten bei der Finanzierung von Kriegen alle eine Rolle. Doch die Instrumente wurden den jeweiligen Umständen entsprechend in unterschiedlichem Umfang eingesetzt.

Budgetpolitik: In den Napoleonische Kriegen von 1803 bis 1815 erhöhte Großbritannien seine Einkommens- und Verbrauchssteuern, wobei insbesondere der Kauf von Luxusgütern höher besteuert wurde (Bordo und White, 1991). Im Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918 führten Deutschland und Großbritannien progressive Einkommensteuern ein, um die steigenden Militärausgaben zu bewältigen (Ferguson, 1988). Im Zweiten Weltkrieg wurde in den USA die Einkommenssteuer ausgeweitet, und es wurden Preis- und Lohnkontrollen eingeführt, um die Kriegswirtschaft zu stabilisieren (Rockoff, 2012). Doch da die Erhöhung von Steuern und die Kürzung ziviler Ausgaben politisch schwer durchzusetzen sind, wurde mit diesen Instrumenten meist nur ein Teil der Kriegskosten finanziert - und insbesondere dann, wenn sich der Krieg lange hinzog.

Verschuldung: Ein weiterer und meist größerer Teil der Kriegskosten wurde durch Emission von Staatsanleihen finanziert. Im Amerikanischen Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 gab die Nordstaaten-Regierung unter Abraham Lincoln "Liberty Bonds" aus, um die Kosten des Kriegs gegen die Konföderierten zu finanzieren (Bordo und White, 1991). Im Ersten Weltkrieg emittierten die USA, Großbritannien und Deutschland in großem Umfang Kriegsanleihen an die Bevölkerung, oft unter dem Druck patriotischer Kampagnen (Ferguson, 1998). Und im zweiten Weltkrieg wurden in den USA sogenannte „War Bonds“ an Bürger verkauft (Rockoff, 2012). Zwar konnten damit Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen begrenzt werden, aber künftigen Generationen wurden Schuldenberge hinterlassen. In Friedenszeiten folgten oft lange Phasen der Haushaltskonsolidierung, um die Kriegsverschuldung zu reduzieren.

Monetäre Finanzierung: Wurde der Krieg existenziell, kam es zur direkten Monetarisierung der Kriegskosten durch die Ausgabe neuen Geldes. In den Französischen Revolutionskriegen von 1792 bis 1802 gab die junge Französische Republik „Assignaten“ aus, eine frühe Papierwährung, die zu massiver Inflation führte (Sarget und Velde, 1995; Mayer, 2022). Während der Napoleonischen Kriege verließ Großbritannien 1797 den Goldstandard und begann mit der Ausgabe ungedeckten Papiergeldes, um seine Kriegsanstrengungen zu finanzieren. Dies führte zu einer Abwertung der Währung und einer steigenden Inflation, ermöglichte aber kurzfristig eine Ausweitung der Staatsausgaben (Bordo und White, 1991).

Im Amerikanischen Bürgerkrieg gaben die Nordstaaten der USA sogenannte „Greenbacks“ aus, Papiergeld, das nicht durch Gold oder Silber gedeckt war. Dies half zwar, die Kriegskosten zu finanzieren, führte jedoch zu starken Preisschwankungen und einer Entwertung des Geldes (Rockoff, 2012). In der Weimarer Republik druckte Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg große Mengen an Papiergeld, um die Kriegsschulden und Reparationszahlungen zu decken. Dies führte 1923 zur Hyperinflation, die 1924 in eine Währungsreform mündete (Eichengreen, 1996; Mayer, 2022). Und im Zweiten Weltkrieg finanzierte Nazi-Deutschland einen Großteil seiner Kriegswirtschaft über die direkte Geldschöpfung. Der dadurch entstandene Geldüberhang wurde 1948 ebenfalls durch eine Währungsreform eliminiert (Mayer, 2022).

Doch die monetäre Kriegsfinanzierung spielte nicht nur in Zeiten existenzieller Krisen eine Rolle. Im Vietnamkrieg, der sich von 1955 bis 1975 hinzog, hielt die US-Zentralbank insbesondere in der zweiten Hälfte der 1960er und in den 1970er Jahren die Zinssätze künstlich niedrig, um die Staatsverschuldung kostengünstig zu halten. Die steigenden Militärausgaben und die gleichzeitigen Sozialprogramme der "Great Society" von Lyndon B. Johnson sollten die private Wirtschaft nicht durch hohe Zinsen belasten. Die Folge war ein steiler Anstieg der Inflation in den späten 1960er und 1970er Jahren. Der durch die Staatsverschuldung und lockere Geldpolitik geschaffene internationale Dollarüberhang führte schließlich zur Aufgabe der Dollar-Gold-Bindung und zum Ende des Bretton-Woods-Währungssystems (Rockoff, 2012; Mayer, 2022).

Die Debatte heute

Gegenwärtig kreist die Debatte in Deutschland und Europa vor allem um die Frage einzelstaatlicher oder gemeinsamer Neuverschuldung zur Finanzierung der Aufrüstung. Angesichts hoher Steuerbelastungen, der Notwendigkeit von Infrastrukturinvestitionen und eines aufgeblähten, aber den Wählern teuren Sozialstaats, spielen Steuererhöhungen und Umschichtungen ziviler Staatsausgaben eine nachrangige Rolle.

Warum sich die französische und andere Regierungen hoch verschuldeter Eurostaaten für eine gemeinsame Schuldenaufnahme einsetzt und Deutschland dies ablehnt, wird verständlich, wenn man die Finanzierung der napoleonischen Kriege betrachtet. Wie der Wirtschaftshistoriker Michael Bordo und sein Koautor Eugene White in einer im Jahr 1991 erschienen Studie beschreiben (Bordo und White, 1991), finanzierte Großbritannien seine Kriegskosten vor allem durch Verschuldung, während Frankreich dafür die Steuern erhöhte. Großbritannien konnte sich zu niedrigen Zinsen günstig verschulden, weil der britische Staat an den Finanzmärkten als guter Schuldner mit hoher Bonität galt. Angesichts des damit verbundenen Vertrauens in das britische Pfund war es der britischen Regierung auch möglich, vorübergehend den Goldstandard auszusetzen, um mit neu geschaffenem Papiergeld die Kriegsfinanzierung zu unterstützen. Die Märkte fürchteten nicht, dass der Staat die Währung durch übermäßige Papiergeldschaffung ruinieren würde. Tatsächlich kehrte Großbritannien nach der Niederlage Frankreichs zum Goldstandard zurück und zahlte die Staatsschuld ab.

Ganz anders war die Ausgangslage im Napoleonischen Frankreich. Der Staat hatte in den Revolutionskriegen durch die Ausgabe der Assignaten zur Kriegsfinanzierung seine Bonität an den Finanzmärkten und die Währung ruiniert. Mit dieser Vorgeschichte war es Napoleon unmöglich, die Kriegskosten durch Staatsverschuldung und Geldschaffung zu finanzieren. Kriegsanleihen wären nicht absetzbar und neu geschaffenes Geld wertlos gewesen. Als absoluter Herrscher war es ihm aber möglich, die Bürger zur Kriegsfinanzierung mit Steuererhöhungen zu schröpfen. Dass Diktaturen dabei Demokratien überlegen sind, zeigt die Politik im faschistischen Italien, in dem Benito Mussolini die Kriegsschuld aus dem ersten Weltkrieg durch den Bürgern auferlegte Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen abtrug, während die junge Weimarer Demokratie den Staatsbankrott durch Hyperinflation hinnehmen musste. Auch Putin-Russland gelingt es heute, trotz einer schwachen Wirtschaft die Kosten des Ukrainekriegs zu einem erheblichen Teil durch zwangsweise Kürzung ziviler Ausgaben und Steuerhöhungen zu finanzieren.

Gegenwärtig ähnelt die finanzielle Ausgangslage Frankreichs der Napoleons und die Deutschlands der Großbritanniens im frühen neunzehnten Jahrhundert. Der französische Staat ist hoch verschuldet und hat eine schlechte Reputation für Währungsstabilität. Seine Bonität, die ihm niedrige Schuldzinsen ermöglicht, bezieht er aus der Mitgliedschaft in der Währungsunion. Deren Bonität wird in erster Linie durch die vergleichsweise niedrige Verschuldung Deutschlands und die Präferenz deutscher Wähler für Währungsstabilität gestützt. Die Schuldzinsen bei einer gemeinsamen Verschuldung würden durch die gesamtschuldnerische Haftung Deutschlands niedrig gehalten. Beim NextGeneration EU-Fonds profitierte vor allem Italien als größter Empfänger vom Bonitätstransfer Deutschlands. Nun dringt Frankreich auf die erneute Ausgabe von Anleihen der Europäischen Union, um bei der Rüstungsfinanzierung ebenfalls in den Genuss dieses Transfers zu kommen.

Verständlicherweise widersetzt sich Deutschland Frankreichs Anliegen. In den ersten fünfundzwanzig Jahren der Währungsunion hat Deutschland es Frankreich und anderen Eurostaaten ermöglicht, sich günstig zu verschulden, weil es seine Bonität durch eine konservative Fiskalpolitik schützte. Da unter den Regierungen Angela Merkels der Sozialstaat stark wuchs, ging die konservative deutsche Fiskalpolitik auf Kosten der öffentlichen Infrastruktur und Verteidigungsfähigkeit. Frankreich hat zwar hohe Schulden, dafür aber einen fetten Sozialstaat, gute öffentliche Infrastruktur und eine „Force de Frappe“. Deutschland hat nichts dergleichen, dafür aber eine hohe Bonität an den Finanzmärkten. Diese Bonität müsste es zu Gunsten anderer Eurostaaten für eine Rüstungsfinanzierung zu niedrigen Zinsen nun erhalten, indem es bei steigenden Ausgaben für öffentliche Infrastruktur und Aufrüstung die Verschuldung durch den Abbau des Sozialstaats niedrig hält.

Die Finanzierung der Aufrüstung durch einzelstaatliche statt gemeinsamer Verschuldung verringert zwar den Bonitätsübertrag von Deutschland an hoch verschuldete Eurostaaten, unterminiert aber die Währungsstabilität. Denn wenn Frankreich und andere hoch verschuldete Eurostaaten ihre Verschuldung weiter signifikant erhöhen, müsste die Europäische Zentralbank zur Begrenzung des Zinsanstiegs einen Teil der neu ausgegeben Anleihen aufkaufen. Die Folge des mit neuem Geld geschaffenen Geldüberhangs wären Inflation und Währungsabwertung. Das Schicksal der französischen Assignaten oder der deutschen Reichsmark in der jungen Weimarer Republik dürfte dem Euro wohl erspart bleiben. Aber er könnte in die Fußstapfen des US-Dollars treten, dessen Wechselkurs aufgrund hoher Inflation in den 1970er verfiel.

Neue Wege zur Rüstungsfinanzierung in Deutschland

Im ersten Teil dieses Papiers habe ich gezeigt, dass sowohl die gemeinsame als auch die einzelstaatliche Verschuldung zur Finanzierung der Aufrüstung erhebliche Probleme bringen dürften. Diese Probleme könnten für Deutschland verringert werden, wenn der deutsche Staat einen neuen Weg zur Rüstungsfinanzierung einschlagen würde: die Ausgabe einer digitalen Münze.

Nehmen wir an, der deutsche Staat würde einen Fonds zur Rüstungsfinanzierung (RF) aufsetzen. Der RF-Fonds emittiert den digitalen Taler. Wie andere digitale Münzen ist auch der Taler weder ein Schuldtitel noch Schuldgeld, da er nicht in Euro zu einem festen Kurs vom Staat zurückgezahlt wird. Weil er jedoch vom Staat ausgegeben wird, ist er vom Charakter her Staatsgeld, auch wenn er nicht zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt wird – diesen Status hat ja schon der Euro inne. Wie schon Adam Smith beschrieben hat, erhält der Taler dadurch dennoch „some additional value“ (Duarte und Mayer, 2025).

Das Angebot an Talern wird durch die dafür entstehende Nachfrage bestimmt. Um diese abzuschätzen, stützen wir uns auf die Fiskalische Theorie des Preisniveaus (Duarte und Mayer, 2025). Abstrahiert man von der Ausgabe von Anleihen, wird in dieser Theorie der reale Wert des Staatsgeldes gedeckt durch den Gegenwartswert aller in der Zukunft erwarteten realen Überschüsse des Staatshaushalts. Im RF-Fonds stehen für diese Überschüsse Rückkäufe von Talern durch den deutschen Staat. Die anfängliche im Markt absetzbare Ausgabe von Talern zur Rüstungsfinanzierung kann demnach durch den Gegenwartswert dieser Rückkäufe bestimmt werden.

Die „Bewertungsgleichung“ des Fonds lässt sich mit Hilfe der Gordon Growth Formel folgendermaßen formulieren:

Wobei MT die nominale Menge an Talern, P0 den Preisindex für Rüstungsgüter in Talern im Jahr 0, R0 die vom Staat getätigten Rückkäufe von Talern im Jahr 0, k die Zeitdiskontrate und Risikoprämie, und g die Wachstumsrate der Rückkäufe bezeichnen.

Für das Jahr 2025 plant Deutschland 73,4 Milliarden Euro Ausgaben für die Verteidigung. Dies bestimmt den Ausgangswert von R0 in der Bewertungsgleichung. Nehmen wir an, dass diese Ausgaben mit der Rate des nominalen potenziellen Bruttoinlandsprodukts wachsen, erhalten wir für g zwei Prozent (reales Nullwachstum plus zwei Prozent Inflation). Die Nachfrage nach Talern wird durch die Zeitpräferenz der Käufer und die von ihnen geforderte Risikoprämie bestimmt. Für die Zeitpräferenz nehmen wir an, dass die Käufer zwischen einem Taler heute und 1,02 Talern in einem Jahr indifferent sind. Die Zeitpräferenz ist also zwei Prozent pro Jahr. Der Taler profitiert zwar von seinem Charakter als Staatsgeld und potenziell hoher Liquidität, da er über einen Distributed Ledger (z.B. Blockchain) direkt handelbar ist, aber er ist neu und ungewohnt. Die Käufer werden also eine Risikoprämie verlangen, weil sie der versprochenen Rückzahlung nicht völlig trauen. Wir veranschlagen diese Prämie großzügig mit acht Prozent. Unter diesen Annahmen ergibt sich für das Volumen des RF-Fonds:

Der deutsche Staat könnte also eine knappe Billion Euro erlösen, indem er Taler zu einem anfänglichen Kurs gegen Euro von 1:1 emittiert.

Vermutlich wäre der Taler für eine breite Käuferschicht attraktiv, weil die Geldmenge in Talern auf den realen Gegenwartswert der Rückkäufe begrenzt ist (und durch die Rückkäufe über die Zeit sinkt). In diesem Fall bleibt die langfristig erwartete Kaufkraft des Talers stabil (oder steigt sogar wegen der Rückkäufe), während die Kaufkraft des Euro bei einem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent gegen null tendiert.2 Würde der Marktkurs des Talers nach der Erstausgabe deshalb gegenüber dem Euro steigen, würde P in Talern sinken und die reale Geldmenge von MT/P0 auf MT/P1 steigen (P1 < P0). Gleichzeitig würde aber auch der Gegenwartswert der Rückkäufe in Euro steigen und der Staat müsste R1 Euro statt der geringeren Menge R0 Euro zurückkaufen.

Um das Wechselkursrisiko zu verringern, könnte sich der Staat die Option einräumen, künftig Steuern auch in Talern zu erheben, wobei der Wechselkurs zum Euro auf die anfängliche Parität festgelegt würde. Um ihr Währungsrisiko zu sichern, würden die Steuerzahler gleich zu Anfang Taler nachfragen. Weiterhin könnte der Staat den Rüstungsfirmen anbieten, Lieferverträge in Talern abzuschließen. Erwarten sie eine Aufwertung des Talers, wäre diese Option für sie lukrativ. Die Rüstungsfirmen würden dadurch zur Verteilung der Taler beitragen, wenn sie diese verkaufen, um ihre Kosten in Euro zu decken.

Der Vorteil einer Finanzierung der Aufrüstung durch die Ausgabe einer digitalen Münze bestünde für Deutschland in der Vermeidung einer höheren Verschuldung im traditionellen Sinne. Europäische Schuldenregeln und die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse würden durch die der Eigenkapitalfinanzierung ähnlichen Münzenemission nicht tangiert. Ein Nachteil bestünde in einem möglichen Zinsanstieg für die Anleihefinanzierung, wenn Anleger den Taler klassischen Bundesanleihen als Mittel zur Wertaufbewahrung den Vorzug geben würden. Allerdings könnte dieser Nachteil begrenzt werden, wenn die Finanzierung von der Emission von Anleihen zur Emission von digitalen Münzen wandern würde.

Der größere Nachteil dürfte im politischen Widerstand anderer Euroländer bestehen, darunter vor allem Frankreich. Die hoch verschuldeten Euroländer könnten in der Emission einer digitalen Münze in Deutschland eine Konkurrenz zum Euro entstehen sehen. Ein Rückzug Deutschlands aus dem Euro – auch wenn er nur teilweise wäre – würde den Transfer der Bonität Deutschlands auf Frankreich und andere hoch verschuldete Eurostaaten einschränken und könnte ihn schließlich sogar beenden.

Fazit

Europa muss aufrüsten, um der militärischen Bedrohung durch Putin-Russland und dem Rückzug der USA als Schutzmacht zu begegnen. Die Finanzierung dürfte vorwiegend durch die Aufnahme neuer Schulden erfolgen. Eine gemeinschaftliche Schuldenaufnahme in der Europäischen Union wäre für die hoch verschuldeten Eurostaaten nur dann lukrativ, wenn Deutschland seine Bonität durch fiskalpolitische Austerität erhalten würde. In den vergangenen 25 Jahren hat der deutsche Staat den Transfer seiner Bonität zu den anderen Eurostaaten dadurch erreicht, dass er die Ausgaben für öffentliche Infrastruktur und militärische Verteidigung sträflich vernachlässigt hat, um die deutsche Verschuldung gering zu halten.

Aufgrund des Nachholbedarfs bei öffentlicher Infrastruktur und Verteidigung müsste Deutschland seine Bonität künftig durch einen drastischen Abbau des Sozialstaats wahren. Es dürfte jedoch politisch schwer zu vermitteln sein, dass Deutschland seine Sozialausgaben verringern muss, damit die hoch verschuldeten Eurostaaten zu niedrigen Zinsen weitere Schulden aufnehmen können. Ob die Parteien der „demokratischen Mitte“ den deutschen Bürger beim Transfer deutscher Bonität an andere Staaten weiterhin hinter die Fichte führen können, ist zweifelhaft. Sollten die Bürger es begreifen, würde die AfD davon noch mehr profitieren.

Wenn die Schuldenaufnahme zur Aufrüstung einzelstaatlich erfolgen würde, wäre zu erwarten, dass die EZB die Schuldzinsen für hoch verschuldete Eurostaaten einhegen müsste. Die Folge wären höhere Inflation und der Verfall des Euro. Ein Muster für diese Entwicklung wäre die Finanzierung des Vietnamkriegs in den USA von Mitte der 1960er bis in die 1970er Jahre. Ob die Währungsunion langfristig den Verfall des Euro überleben könnte, ist ebenfalls zweifelhaft.

Zur Verfolgung der Interessen deutscher Bürger wäre die Finanzierung der Aufrüstung in Deutschland durch die Ausgabe einer digitalen Münze sinnvoll. Die Schaffung eines deutschen Talers würde aller Wahrscheinlichkeit nach auf den erbitterten Widerstand Frankreichs stoßen, weil damit der Transfer deutscher Bonität bedroht wäre. Eine deutsche Interessenvertretung sollte aber für den Verzicht auf eine digitale Münze und den Bonitätstransfer zumindest einen Preis verlangen: zum Beispiel die Ausweitung des französischen militärischen Nuklearschirms auf ganz Europa.

Referenzen

Bordo, M. D., and White, E. N. (1991): A Tale of Two Currencies: British and US War Finance during the Napoleonic and American Civil Wars. Journal of Economic History, 51(2), 303-316.

Duarte, Pablo, and Thomas Mayer (2025): A constructive critique of “The Fiscal Theory of the Price Level”. Flossbach von Storch Research Institute, January 2025.

Eichengreen, B. (1996): Golden Fetters: The Gold Standard and the Great Depression, 1919-1939. Oxford University Press.

Ferguson, N. (1998): The Pity of War: Explaining World War I. Basic Books.

Mayer, Thomas (2022): Das Inflationsgespenst. Ecowin.

Rockoff, H. (2012): America's Economic Way of War: War and the US Economy from the Spanish-American War to the Persian Gulf War. Cambridge University Press.

Sargent, T. J., and Velde, F. R. (1995): Macroeconomic Features of the French Revolution. Journal of Political Economy, 103(3), 474-518.

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1 ChatGPT 4 leistete Rechercheassistenz. Irrtümer sind dem Autor anzurechnen.

2 Der langfristig erwartete Realwert des Euro ist bei dem Inflationsziel der EZB von zwei Prozent pro Jahr null, da .

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