Ende Mai brach die Aktie des US-Softwarehauses Salesforce innerhalb eines Tages um 15 Prozent ein. Bietet sich jetzt eine günstige Gelegenheit zum Einstieg oder sogar zum Nachkauf? Oder gibt es fundamentale Probleme bei dem Unternehmen, so dass man aussteigen oder die Finger davon lassen sollte?
Bevor man in solch einem Fall handelt, sollte man sich an die Börsenweisheit „Greife nie in ein fallendes Messer“ erinnern.
Aber stehen die Chancen wirklich so schlecht, mit dem Griff nach einem fallenden Messer eine Überrendite zu erwirtschaften? Man könnte schließlich auch den Handgriff erwischen. Welche Eigenschaften zeichnen Unternehmen aus, bei denen der Griff gelingt und die wieder zu alter Größe zurückfinden?
In dieser Untersuchung verstehen wir unter einem fallenden Messer eine Aktie, die innerhalb von fünf Handelstagen einen Kurseinbruch von 15% oder mehr erleidet. Wir betrachten US-Aktien, die in den letzten 20 Jahren zwischenzeitlich im Index S&P 500 gelistet waren und vor dem Absturz eine inflationsbereinigte Marktkapitalisierung von 7,5 Mrd. Euro nicht unterschritten.1 Kommt es zu einer Serie von Einbrüchen, so betrachten wir alle Einbrüche, zwischen denen weniger als zwei Jahre liegen, als ein Ereignis, da die Ursachen zusammenhängen könnten, ohne dass wir dies in jedem Einzelfall überprüfen.
Kurseinbrüche stellen bei US-Aktien keine Ausnahme dar. Von den betrachteten 916 Titeln wurden 40 Prozent (370 Titel) zwischenzeitlich zu einem fallenden Messer. Hiervon entfallen 26 Prozent auf Unternehmen, die nur einmalig unter einen Einbruch litten, die übrigen waren mehrfach betroffen.
Im Durchschnitt betrug ein Kurssturz 20 Prozent, in Einzelfällen sogar bis zu 60 Prozent. Unter den 370 betroffenen Titeln entstand in 35 Prozent der Fälle einer Serie von Kursstürzen, bei denen die Einbrüche jeweils nie mehr als zwei Jahre auseinanderlagen. In zwei Drittel dieser Fälle fiel die Aktie in einem Folgesturz noch tiefer.
Kurzfristig kann dies gut gehen, wenn man es schafft, den richtigen Moment abzupassen. In drei Viertel der Fälle konnten Investoren, die rechtzeitig in das Messer gegriffen haben, innerhalb eines Monats eine Outperformance gegenüber dem S&P 500 erwirtschaften. Jedoch verschlechtert sich die Performance je länger die Titel gehalten wurden und wenn der optimale Zeitpunkt des Einstiegs verpasst wurde. Bereits nach anderthalb Jahren lag über die Hälfte der Titel hinter dem Index. Die Outperformance war nur von kurzer Dauer.
Für Investoren, die bereits vor dem Kurssturz investiert waren und auf eine Erholung hoffen, sieht das Bild deutlich schlechter aus. Unter einer Erholung versteht man, dass eine Aktie nicht nur das Preisniveau von vor dem Sturz erreicht, sondern auch zusätzlich die zwischenzeitlich angefallene Marktrendite aufholen konnte.
Ein Jahr nach dem Kursverfall konnten nur 24 Prozent der Aktien eine Erholung aufweisen, nach drei Jahren waren es 28 Prozent. Eine nachhaltige Erholung scheint also eher die Ausnahme als die Regel zu sein.
Bei Qualitätsunternehmen ist zu erwarten, dass sie eher in der Lage sind, sich von einem Kursverfall zu erholen. Wir messen Unternehmensqualität über die drei Eigenschaften: Profitabilität (Investitionsrendite), Wachstum (annualisiertes Umsatzwachstum) und Verschuldung (Nettoverschuldung im Verhältnis zu Free Cashflow).
Aktien, die es drei Jahre nach dem Kurssturz geschafft haben, sowohl den Sturz wieder gut zu machen als auch die Marktrendite einzuholen, weisen zum Zeitpunkt des Kurssturzes eine höhere Profitabilität, ein höheres Umsatzwachstum und eine niedrigere Verschuldung als die übrigen Fälle auf.
Definiert man ein Qualitätsunternehmen dadurch, dass es in einem Kalenderjahr in allen drei Eigenschaften jeweils zu dem besten 25 Prozent des Jahresquerschnitts gehört, so erhöht sich die Häufigkeit der Erholung nach 3 Jahren von den oben beschriebenen 28 Prozent auf 39 Prozent.
Die Bewertung der Qualität eines Unternehmens kann hilfreich sein, um einzuschätzen, ob eine Aktie sich von einem Kurssturz erholen könnte. Je höher die Qualität, desto häufiger wird eine Erholung beobachtet.
Der Griff nach dem fallenden Messer kann sich kurzfristig lohnen, man muss aber zum richtigen Zeitpunkt zugreifen und auch rechtzeitig wieder loslassen. Während man im Nachhinein leicht ablesen kann, wann gute Ein- und Ausstiegszeitpunkte gewesen wären, lässt sich dies ohne das Vorwissen nur extrem schwer sagen. Langfristig schnitten Unternehmen nach Kursstürzen schlechter als der Markt ab.
Investoren, die bereits in Besitz einer Aktie sind, bevor sie zum fallenden Messer wird, müssen sich gut überlegen, ob sie längerfristig dabeibleiben wollen und auf eine spätere Erholung hoffen. Auch wenn man sich von der Qualität eines Titels überzeugt hat, sollte man seine Einschätzung des Kurspotentials grundlegend überdenken. Qualitätsunternehmen erholen sich zwar langfristig häufiger von Kursstürzen als andere, aber auch für sie ist es eher die Ausnahme als die Regel.
1 Die Mindestgröße für eine Berücksichtigung der Aktie beträgt 7,5 Mrd. USD im Mai 2024. Dieser Grenzwert wird anhand des US-Verbraucherpreisindex zurückgerechnet. Im Jahr 2004 reduziert sich so der Grenzwert auf 4,4 Mrd. USD. Zeiträume, in denen durch gesamtwirtschaftliche oder politische Entwicklungen eine Häufung von Kursstürzen entsteht, wie bspw. in der Finanz-, der Euro- oder der Coronakrise, lassen wir in der Untersuchung außen vor.
Verschiedene Fachbegriffe aus der Welt der Finanzen finden Sie in unserem Glossar erklärt.
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