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Der kleine Unterschied

Sowohl die USA und Europa leben in Zeiten mit hoher Inflation . Zudem steuern beide auf eine Rezession zu. Fünf Gründe, warum die Lage in den USA erträglicher sein dürfte.

Der Angriffskrieg Russlands mitten in Europa – und die damit verbundenen Sanktionen – haben die Energiepreise explodieren lassen und den schon zuvor eingesetzten Anstieg der Verbraucherpreise beschleunigt. Zuletzt wurden 9,1 Prozent Inflation in der Eurozone und 8,3 Prozent in den USA gemessen. Zudem steigt die Gefahr für eine weltweite Rezession. Die ökonomische Situation ist auf beiden Kontinenten nicht einfach. Fünf Gründe, warum die Vereinigten Staaten für die Herausforderungen besser gewappnet sein dürften als die Eurozone.

Eine konsequentere Geldpolitik

US-Notenbank-Chef Jerome Powell verkündete bereits im Januar das Ende der im Zuge der Pandemie wieder aufgenommenen Anleihenkäufe durch die Notenbank (die dann im März beendet wurden). Im Mai hob er erstmals die Zinsen an. Vier weitere Zinsschritte folgten. Inzwischen steht der US- Leitzins in einer Bandbreite zwischen 3,00 und 3,25 Prozent. Dennoch sind auch die jüngsten Inflationszahlen in den USA besorgniserregend hoch ausgefallen: Die Kerninflation, bei der Nahrungsmittel- und Energiepreise herausgerechnet werden, stieg im September auf sechs Prozent.

Im Euroraum überschritt die Inflationsrate erstmals im März 2022 die Marke von sieben Prozent. Seither ging es weiter nach oben. Die Europäische Zentralbank (EZB) hob im vergangenen Juli zum ersten Mal (und im September ein weiteres Mal) die Zinsen an. Gleichzeitig kündigten die Notenbanker ein neues Anleihekaufprogramm (TPI) an, das unbegrenzt eingesetzt werden kann, sollten die Renditen der Anleihen der Eurostaaten zu weit auseinanderlaufen. Immerhin muss EZB-Chefin Christine Lagarde neben der Preisstabilität den Zusammenhalt des Euro im Auge behalten. Ihr Handlungsspielraum ist also begrenzt. Und bis dato liegt der Leitzins bei 1,25 Prozent, weit entfernt von den Sätzen der Federal Reserve (Fed).

Die stabilere Währung

Der US-Dollar hat gegenüber dem Euro allein seit Jahresbeginn im zweistelligem Prozentbereich zugelegt. Das verbilligt Importe für US-Amerikaner und mildert dort die Inflation entsprechend ab. Und für einen Ausblick, dass der Euro rasch wieder aufholen könnte, spricht unseres Erachtens derzeit eher wenig.

Der billige Euro hilft zwar unseren Exportunternehmen und stützt das Wachstum. Für uns Europäerinnen und Europäer nagt aber damit nicht nur die hohe Inflation am Wert unseres Einkommens und unseres Vermögens. Auch die Kaufkraft unseres Geldes im Ausland ist empfindlich gesunken, etwa für Öl und Gas.

Weniger Energieimporte

Die Energiepreise sind weltweit auf Rekordniveau. Bei uns in Deutschland trifft das die Verbraucher und Verbraucherinnen hart, wobei der Preis für die Haushalte aufgrund von Regulierungen noch deutlich weniger gestiegen ist als für Unternehmen. Ein deutsches Unternehmen zahlt derzeit etwa fünf bis sechs Mal so viel für dieselbe Menge Strom wie ein US-Unternehmen. Die Situation beim Gas ist ähnlich. Unsere relative Wettbewerbsfähigkeit sinkt dadurch.

 

Ungleiche Wettbewerbsbedingungen

 

Die US-Amerikaner haben ihre Energieabhängigkeit vom Ausland hingegen seit der Ölkrise in den 1970er-Jahren deutlich reduziert. Auch sie müssen zwar für Gas, Öl und Co. mehr bezahlen. Doch diese Mehrkosten bleiben nun mehrheitlich bei den eigenen Unternehmen und damit in der eigenen US-Volkswirtschaft – ganz im Gegensatz zur Eurozone.

Kein Fachkräftemangel

In unseren Gesprächen mit Unternehmen fällt bei der Frage nach den größten Herausforderungen hierzulande oft als erstes der Satz: „Es ist schwer, gut ausgebildete Mitarbeiter zu finden“. Das Thema Fachkräftemangel ist den meisten Führungskräften wichtiger als Probleme durch gestörte Handelsbeziehungen zu China oder Russland. Oft rangiert es sogar noch vor den Energiepreisen.

Hinter dieser Entwicklung steckt die Demographie. Die Zahl der Erwerbstätigen zwischen 15 und 64 Jahren wird in Deutschland immer kleiner. Allein bis 2035 wird ihre Zahl um fast zwölf Prozent sinken. Ähnlich die Situation in Italien oder Japan. In den USA ist hingegen keine Verknappung des Arbeitskräfteangebots in Sicht.

 

Demographischer Wandel verknappt das Arbeitskräfteangebot

 

Besserung ist für die deutsche Wirtschaft kaum in Sicht. Für ein höheres Rentenalter gibt es keinen gesellschaftlichen (oder gar einen politischen) Konsens. Hier braucht es kreative Lösungen. Möglich wäre – natürlich neben einer effizienteren Zuwanderungspolitik – eine attraktive „Angebotspolitik“ für Senioren. Etwa eine Steuerbefreiung für Rentenberechtigte, die weiterarbeiten wollen.

Eine erträgliche Rezession

Kaum Arbeitslose und sieben Prozent mehr Lohn seit Jahresbeginn, gemessen am Atlanta Wage Index. Manche Ökonomen sehen zwar Anzeichen für eine Rezession in den USA. Aber bisher scheint die Lage für viele Bürger durchaus erträglich – zumal Lohnsteigerungen der Konjunktur wohl ebenso helfen werden wie die großzügigen Finanzhilfen, die während der Corona-Pandemie an US-amerikanische Arbeitnehmer gezahlt wurden.

In Deutschland sind die Reallöhne trotz einiger Tarifverhandlungen immer noch deutlich tiefer als im Vorjahresquartal. Die Kaufkraft ist bei uns gesunken, auch wenn die Regierung mit mehreren Hilfen versucht, einen Ausgleich für die gestiegenen Energiepreise zu schaffen. Die Rezessionsgefahr steigt also. Dennoch dürfte die demographisch bedingte Verknappung von Arbeitskräften mittelfristig den Lohndruck erhöhen und damit Zweitrundeneffekte auslösen, die die Inflation verfestigen.

Eine wirksame Inflationsbekämpfung ist ohne Rezession aber nur schwer vorstellbar. Das kann für eine Bereinigung sorgen – von Geschäftsmodellen, die zuvor oft nur wegen der niedrigen Zinsen Bestand haben, so dass für bessere Ideen mehr Ressourcen zur Verfügung stehen. Innovationen, die sich in solchen Zeiten oft leichter durchsetzen können, sind daher eine große Hoffnung. Unternehmen erfinden sich in schlechten Zeiten neu – und können langfristig besser dastehen.

 

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