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„Die EZB ist in einer misslichen Lage“

- Dr. Bert Flossbach

Die Inflation bleibt hoch – vielleicht länger als erwartet. Können die Notenbanken noch gegenhalten? Ein Interview mit Bert Flossbach.

Herr Flossbach, die Inflation in der Eurozone stieg zuletzt auf über acht Prozent. Steigende Preise sind ein großes Problem für viele Bürger. Was ist jetzt zu tun?

Bert Flossbach: Nun, ein stabiler Wert des Geldes ist eigentlich eine Kernaufgabe für jede Notenbank – oder sollte es zumindest sein. Und die Inflation ist hartnäckiger, als es unsere Geldpolitiker noch vor einigen Monaten erwartet haben. Das bringt die Zentralbanken in eine missliche Lage.

Bitte erklären Sie uns das etwas genauer.

Um die Inflation zu bekämpfen und den Geldwert zu verteidigen, müssen die Zentralbanken die Zinsen erhöhen. Dabei dürfen sie natürlich keine tiefe Rezession auslösen. Das ist gar nicht so einfach, denn neben dem Krieg in der Ukraine und den rasant gestiegenen Energiepreisen gefährden auch Engpässe in den globalen Lieferketten und eine Konjunkturabschwächung in China das Wirtschaftswachstum.

Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) ist deutlich aktiver als die Kollegen in der Eurozone.

Die Fed hat mit ihrer zweiten Zinserhöhung, die diesmal mit 0,5 Prozentpunkten doppelt so stark wie gewöhnlich ausfiel, die Leitzinsen auf eine Spanne von 0,75 bis 1,0 Prozent angehoben. Weitere angekündigte Zinserhöhungen und der Abbau der Anleihebestände läuten das Ende der ultralockeren Geldpolitik ein. Ob dies ausreicht, die Inflation wirksam zu bekämpfen, muss sich allerdings erst noch zeigen.

Wie hoch müssten die Zinsen steigen, um die Inflation wirksam zu bekämpfen?

Das lässt sich leider nicht so einfach beantworten, da die Inflation viele Ursachen hat. Wir verweisen da gerne auf die „drei Ds“, Deglobalisierung, Demographie, Dekarbonisierung. Aktuell lohnt vielleicht ein Blick zurück. In den 1980er Jahren stieg die Inflation in den USA auf 15 Prozent. Der frühere Notenbankchef Paul Volcker hob den Leitzins dann kurzfristig auf 20 Prozent an.

Das ist ein Zinssatz, der heute völlig illusorisch erscheint.

Eine solche Geldpolitik wäre unter den heutigen Umständen wohl zum Scheitern verurteilt. Hinzu kommt: Für die EZB ist die Lage im Vergleich zu den USA sehr viel komplizierter. Denn unsere Notenbank muss nicht nur den Geldwert verteidigen, sondern auch noch den Euro zusammenhalten.

EZB-Präsident Christine Lagarde avisierte zuletzt ein Ende der Netto-Wertpapierkäufe, das wahrscheinlich im Juni beschlossen wird. Dann dürfte der negative Einlagensatz im August Geschichte sein.

Die geplante Abschaffung des negativen Einlagezins dürfte die Inflationsentwicklung kaum nennenswert beeinflussen. Hinzu kommt, dass die Rendite zehnjähriger italienischer Staatsanleihen inzwischen wieder über die Marke von drei Prozent gestiegen ist. Der Renditeanstieg könnte sich mit dem Ende der Anleihekäufe weiter fortsetzen.

Droht eine neue Eurokrise?

So weit sind wir noch nicht. Italien kann sich angesichts des immensen Schuldenbergs aber langfristig keine deutlich höheren Zinsen leisten. Wenn sich die EZB irgendwann wieder dazu gezwungen sehen würde, italienische Staatsanleihen zu kaufen, um eine Finanzkrise abzuwenden, würde dies natürlich ihre Glaubwürdigkeit als Hüterin des Geldwertes untergraben.

Wenn wir nun länger mit einer höheren Inflation leben müssen, welche Folgen hat das für unsere Wirtschaft?

In den nächsten Monaten dürften die Inflationsentwicklung und die Auswirkungen der Lieferengpässe auf die Wirtschaft die marktbestimmenden Faktoren sein. Für Unternehmen hat das natürlich ganz konkrete Auswirkungen. Sie müssen steigende Inputkosten durch entsprechende Preiserhöhungen kompensieren. Dazu braucht es aber eine Preissetzungsmacht, über die nur erfolgreiche Unternehmen verfügen. Als Anleger suchen wir gezielt nach Aktien von solchen Unternehmen, sofern der Preis dafür angemessen ist.

An den Börsen gab es zuletzt deutliche Kursschwankungen.

Langfristig orientierte Anleger sollte das nicht aus der Ruhe bringen, zumal die aktuelle Situation auch Chancen bieten kann. Das gilt etwa, wenn einzelne Marktsegmente über Gebühr abgestraft werden. Die jüngsten, teils deutlichen Kursverluste trafen beispielsweise im Technologiesektor auch Aktien von erstklassigen Unternehmen.

Herr Flossbach, wir bedanken uns für das Gespräch.

 

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