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Bitcoin: Massenmarkt oder Elitezirkel?

- Christof Schürmann

Der durchschnittliche Anleger in sogenannten Krypto-Währungen ist jung und männlich. Das kommt einem der größten Spieler am Markt zupass, der mit seinem Unternehmen MicroStrategy den Markt der wichtigsten Krypto-Verrechnungseinheit Bitcoin dominiert: Michael Saylor. Denn nur Ältere erinnern sich genau: Saylor war für einen der größten Kursstürze während des Tech-Crashs zur Jahrtausendwende verantwortlich. MicroStrategy, eine mittelständische Software-Firma aus den USA, sah sich damals mit Vorwürfen der Bilanzmanipulation konfrontiert.  Am Ende einigte sich Saylor mit der US-Aufsicht SEC (Securities and Exchange Commission) auf einen millionenschweren Vergleich, Geschäftszahlen musste er deutlich nach unten korrigieren. Der MicroStrategy-Kurs stürzte auf 50 Cents, nach einem Hoch von 105 Dollar.1

1. Geschäftsmodell Bitcoin-Akkumulation

20 Jahre lang dümpelte der MicroStrategy-Aktienpreis, vermutlich auch, weil das Unternehmen mit seinem Software-Geschäft kaum wuchs: 2021 etwa lag der Umsatz mit 511 Millionen Dollar zehn Prozent unter dem des Jahres 2011. Doch da hatte Saylor den Geschäftsfokus seines Unternehmens schon geändert: auf den Kauf von Bitcoin. Das puschte nicht nur den MicroStrategy-Kurs weit über alte Höhen, sondern möglicherweise auch seinen Trieb, eigene Einkünfte zu verschleiern. Die Staatsanwaltschaft wurde in Sachen Einkommensteuerbetrug gegen ihn aktiv. Am Ende einigte sich Saylor mit dem District of Columbia auf einen Vergleich in Höhe von 40 Millionen Dollar. Die Staatsanwaltschaft sprach von der bisher größten Einkommensteuernachzahlung in dem Bezirk. Saylor trat daraufhin im August 2022 als CEO von MicroStrategy zurück, behielt jedoch seine Rolle als Executive Chairman bei, um Bitcoin-Geschäfte auszuweiten, wie er selbst ankündigte.

Das hat funktioniert. Kein Unternehmen hält mehr Bitcoin auf den eigenen Büchern als MicroStrategy – zumindest nach offiziellen, nachprüfbaren Angaben. Mit knapp 569.000 Bitcoin besitzt MicroStrategy gut 2,7 Prozent aller Bitcoin. Bis Anfang Mai 2025 waren gut 19,86 Millionen Bitcoin geschürft. Bis zum Jahr 2140 soll mit 21 Millionen geschürften Bitcoin das Maximum erreicht sein. So verspricht es jedenfalls das White-Paper des oder der anonymen Bitcoin-Erfinder „Satoshi Nakamoto“.

2. Unvollständige Informationen

MicroStrategy ist wesentlich für den Bitcoin-Markt, aber nicht allein. Doch wie verteilen sich Bitcoin, die mit einer Marktkapitalisierung von rund zwei Billionen Dollar die größte Krypto-Verrechnungseinheit darstellen, auf die Halter, und wie sieht es mit der Regulierung und damit mit den Risiken aus?

Die Antwort ist nicht einfach. Bitcoin wird rund um die Uhr sogar an Wochenenden gehandelt, die Eigentumsverhältnisse können sich also ständig ändern. Zudem ist nur unvollständig bekannt, wer Bitcoin hält. Transaktionen auf der Bitcoin-Blockchain, der digitalen Datenbank, sind zwar öffentlich einsehbar, jedoch nicht direkt mit der Identität der Benutzer verknüpft.

Nachvollziehen lässt sich regelmäßig der Bestand, den börsennotierte Unternehmen halten, da diese gegenüber dem Kapitalmarkt rechenschaftspflichtig sind. Dasselbe gilt auch für börsennotierte Produkte, die mit Bitcoin unterlegt sind.

So hält die börsennotierte MicroStrategy allein halb so viel Bitcoin wie alle börsennotierten passiven Bitcoin-Fonds (Exchange Traded Funds/ETFs) zusammen (Abbildung 1).

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Während die Aktie weiter unter MicroStrategy notiert, hat Saylor sein Unternehmen kürzlich schlicht in „Strategy“ umgetauft. Weitere Bitcoin-Käufe sind angekündigt. Dafür erhöht das Unternehmen entweder das Aktienkapital oder begibt Anleihen, häufig einen Mix aus beidem, in Form von Wandelanleihen. Allein seit Anfang 2024 bis Ende April 2025 sammelte MicroStrategy 32,6 Milliarden Dollar an frischem Kapital ein. Mit den regelmäßigen Käufen beeinflusst das Unternehmen wesentlich den Preis seiner Bitcoin-Anlagen. Kritiker werfen Saylor deshalb vor, ein „Ponzi-Scheme“ zu betreiben.

Gut 70 börsennotierte Unternehmen – eine Zahl, die eher steigend ist – haben Bitcoin erworben und führen knapp 721.000 Coins auf ihren Büchern.  Das ergeben Angaben von Strategy und Unternehmensdaten. Strategy hält rund 77 Prozent davon. Der durchschnittliche Einstiegspreis des Unternehmens liegt bei 69.287 Dollar (per 12. Mai 2025). Der aktuelle Bitcoin-Preis liegt mit mehr als 100.000 Dollar gut 40 Prozent darüber.

Dazu kommen geschätzt um die 400.000 Bitcoin, die nicht-börsennotierte Unternehmen halten sollen. Zahlen in dieser Größenordnung nennt etwa „BitcoinTreasuries.com“ oder die Kryptowährungsbörse Kraken. Diese Zahl kann in Wahrheit höher oder niedriger ausfallen – nicht-börsennotierte Unternehmen unterliegen häufig keinerlei Auskunftspflicht zu Kryptobeständen.

Daten dazu sind möglicherweise nicht aktuell oder nicht nachvollziehbar, was ein generelles Problem ist. Das trifft in wenigen Fällen auch bei den börsennotieren Unternehmen zu. So hatte etwa die japanische Nexon Ltd Anfang 2021 den Erwerb von 1.717 Bitcoin bekanntgegeben, in jüngsten Berichten finden sich dazu jedoch keine konkreten Angaben mehr. Deshalb taucht Nexon in der Übersicht der größten Halter auch nicht auf (Abbildung 1).

Je nach Quelle sollen gut sieben Prozent oder bis zu 3,7 Millionen (das entspricht knapp 18 Prozent) aller bereits geschürften Bitcoin nicht mehr auffindbar sein – ihre Halter sollen die digitalen Schlüssel verloren haben, oder Festplatten sind perdu. So soll sich eine davon auf einer Müllhalde in Wales befinden. Die dort angeblich gespeicherten 8.000 Bitcoin wären aktuell rund 800 Millionen Dollar wert. Bei Angaben zu verlorenen Bitcoin gilt: Die Zahlen können falsch sein. Immer wieder werden hier Bitcoin-Bestände einbezogen, deren Halter diese über einen längeren Zeitraum nicht bewegt haben.

3. Gut 55 Millionen Einzel-Adressen

Die Angaben zu den Haltern von Bitcoin variieren und können sich stündlich verändern. Täglich neu dazu kommen derzeit bis zu 450 Coins über das Mining. Grob gerechnet und gerundet befinden sich nach eigener Schätzung15 Millionen Bitcoin oder gut 71 Prozent bei Einzelpersonen, besser gesagt, bei einzelnen Adressen (Abbildung 2).

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Jedem Bitcoin, oder einem Teil davon, ist eine Adresse in der Bitcoin-Blockchain zugeordnet. Der Datenanbieter bitinfocharts listet knapp 55,1 Millionen Adressen auf, die Bitcoin halten. Einzelne Personen oder Institutionen haben oft mehrere Adressen. Institutionelle Adressen wie Handelsplattformen oder die Emittenten von ETFs halten wiederum Bitcoin für ihre Kunden oder Anleger – hier gibt es also jeweils bei möglicherweise nur einer Adresse eine breite Streuung.

Wie viele Privatpersonen Bitcoin halten, ist unbekannt. Zwar geben diverse Krypto-Plattformen vor, die Zahl zu kennen. Doch allein schon die Bandbreite der Schätzungen von 106 Millionen bis 337 Millionen zeigt: hier würfelt die Bitcoin-Community Zahlen.

Die Konzentration ist jedenfalls sehr hoch. Hinter 54,1 Millionen Adressen befinden sich sehr geringe Anteile an Bitcoin , hinter der restlichen eine Million an Adressen stecken mehr als 19,5 Millionen Bitcoin. Gut 18.000 Adressen halten nach “bitinfocharts” etwas mehr als zwölf Millionen Bitcoin (Abbildung 3).

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Hinter rund 80 Prozent aller Bitcoin-Adressen stecken Coins im Gegenwert von aktuell nur gut einem Dollar bis maximal gut 10.000 Dollar.

4. Mangelnde Regulierung

Das Bitcoin-Mining erfolgt dezentral, der Handel ist weitgehend unreguliert. Plattformen registrieren sich gerne an exotischen Plätzen: in El Salvador oder der Karibik. Mining findet überwiegend dort statt, wo Strom für das energieintensive Schürfen günstig verfügbar ist. Führend sind die USA, auf Platz zwei soll China stehen, obwohl 2021 dort das Mining verboten wurde. Große Handelsplattformen und damit Bitcoin-Verwalter sind etwa Coinbase, Binance und zu früheren Zeiten FTX.

Der Mangel an Regulierung hatte für Millionen Krypto-Anleger negative Folgen. FTX soll durch Transfers an das mit ihm verbundene Unternehmen Alameda Research Kundeneinlagen in Höhe von zehn Milliarden Dollar veruntreut haben. Die auf den Bahamas registrierte Handelsplattform wurde insolvent, der Gründer Sam Bankman-Fried wurde 2024 zu 25 Jahren Haft wegen Betrugs verurteilt. SBF – wie ihn seine Fans nennen – hat es zuvor bis aufs Cover des „Forbes“-Magazins geschafft. Das hat er gemein mit MicroStrategys Michael Saylor, bei Fans kurz „Saylor“ genannt.

Abkürzungen sind in der Bitcoin-Welt beliebt. Hinter „CZ“ versteckt sich Changpeng Zhao, der mit Binance eine der größten Bitcoin-Verwahrstellen gründete. Auch CZ musste in Haft, nachdem er Geldwäsche eingeräumt hatte. Binance zahlte mehr als vier Milliarden Dollar an Strafe.  Erst im Mai 2025 wurde Alex Mashinsky, Gründer der Pleite gegangenen Krypo-Kredit-Plattform Celsius Network verurteilt: Er muss wegen Betrugs zwölf Jahre in Haft.

Das Unternehmen Binance, bei der der Hauptfirmensitz unbekannt ist, ist weiterhin eine der wichtigsten Handelsplattformen und soll insgesamt um die 600.000 Bitcoin für Kunden aller Art verwahren. Unter den 25 größten Wallets, den digitalen Speichern für Bitcoin, finden sich nach “bitinfocharts” allein vier von Binance mit zusammengerechnet knapp 500.000 Bitcoin (Abbildung 4).

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Neben Binance-Gründer Zhao saß auch Ross William Ulbricht im Gefängnis. Der Gründer des Darknet-Drogenumschlagplatzes SilkRoad mit Bitcoin als Handelswährung wurde 2015 zu lebenslanger Haft verurteilt. Er kam Anfang dieses Jahres auf Begnadigung von US-Präsident Donald Trump frei. Im vom FBI konfiszierten Silk-Road-Wallet liegen gut 69.000 Bitcoin.

Unter dubiosen Umständen insolvent ging die japanische Kryptobörse Mt.Gox. Nach einem Hacker-Angriff sollen Kunden 740.000 Bitcoin verloren haben. Das noch existierende Mt.Gox-Hack-Wallet ist der immer noch siebtgrößte digitale Bitcoin-Speicher. Tether, das das sechstgrößte Bitcoin-Wallet hält, musste Strafzahlungen leisten, weil angebliche Reserven mit denen der Tether-Stablecoin USDT unterlegt sein soll, nicht auffindbar waren und Verluste kaschiert wurden.  Ähnliches gilt für die Plattform Bitfinex, eine der ältesten Kryptobörsen mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln.

Tether könnte einer der Haupttreiber von Bitcoin sein. Mit seiner angeblich mit Dollar-Reserven und kurzfristigen US-Staatsanleihen unterlegtem Stablecoin USDT werden auch Bitcoin gekauft. Tether verlegte Anfang dieses Jahres seinen Firmensitz von den Britischen Jungferninseln nach El Salvador. Die angeblichen Reserven sind nach wie vor nicht valide geprüft. Erst am 9. Mai kaufte Tether Bitcoin im Wert von 458,7 Millionen Dollar für Twenty One Capital, eine Firma aus dem eigenen Netzwerk, zu Preisen von annähernd 100.000 Dollar (Abbildung 5).

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2024 erteilte die US-Aufsicht SEC die Zulassung für mit Bitcoin unterlegte börsengehandelte Indexfonds (ETFs). Das geschah allerdings nicht freiwillig, sondern auf juristischen Druck hin. Aktuell liegen Bitcoin im Gegenwert von rund 115 Milliarden Dollar in den ETFs. Anbieter wie BlackRock verwalten dort Gelder von Kunden, die nicht direkt Bitcoin kaufen und lagern wollen. Täglich werden regelmäßig Bitcoin im Gegenwert von mehreren hundert Millionen Dollar über ETFs umgeschlagen, in Ausnahmefällen fließen auch einmal eine Milliarde Dollar zu oder ab (Abbildung 6).

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Bitcoin selbst wird täglich im Gegenwert von mehreren zehn Milliarden, an Spitzentagen von bis zu mehr als 100 Milliarden Dollar gehandelt.

Fazit

Viele halten wenige, wenige halten viel – so lässt sich die Verteilung von Bitcoin zusammenfassen. Die Verteilung ist intransparent, wesentliche Spieler sind mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, zahlreiche Handelsplattformen sind an unregulierten Handelsplätzen niedergelassen. Bitcoin als dezentrales, globales Phänomen zu regulieren, ist damit kaum möglich. Und in den USA ist unter Präsident Donald Trump ein eher laxer Umgang zu erwarten, als strenger Anlegerschutz. Ex-SEC-Chef Gary Gensler war ein scharfer Krypto-Kritiker.

Wie und ob sich Bitcoin in der Masse schon verteilt haben, ist unbekannt. Sicher ist, dass es eine Elite mit erheblichen Beständen gibt.

Die hohe Konzentration trägt zu einer hohen Volatilität des Bitcoin-Preises bei.  Der Vergleich zu Gold verbietet sich in dieser Hinsicht: Gold schwankt in viel geringerem Ausmaß.

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1 Wie immer gilt: Vergangene Entwicklungen sagen nichts über die Zukunft aus. Aus den hier und im Folgenden erwähnten Aktien oder sonstigen Produkten lassen sich keine Handlungsempfehlungen ableiten. Hiermit wird kein Angebot zum Verkauf, Kauf oder zur Zeichnung von Wertpapieren oder sonstigen Titeln unterbreitet. Die enthaltenen Informationen stellen keine Anlageberatung oder sonstige Empfehlung dar.

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