Kaum von der COVID-Krise erholt, werden die Schwellenländer nun mit hohen Rohstoffpreisen und steigenden US-Zinsen konfrontiert. Eine Analyse.
Die wirtschaftlichen Folgen der Covid-Pandemie sind in vielen Schwellen- und Entwicklungsländer (Emerging Markets) noch nicht verdaut, als die lange befürchtete Straffung der Geldpolitik der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) einsetzt – und der Russland-Ukraine-Krieg mit den damit verbundenen Wirtschaftssanktionen ausbricht. Das bringt manche dieser Länder in eine schwierige Lage, während andere voraussichtlich weniger stark darunter leiden werden.
Manche dieser Volkswirtschaften können vom Boom bei den Rohstoffpreisen sogar profitieren. Doch kurzfristig steigt die wirtschaftliche und politische Instabilität in Ländern, die von Rohstoffimporten abhängig sind und eine hohe Staatsverschuldung haben. Längerfristig bringen die während der Corona-Pandemie eingeführten institutionellen Veränderungen zur Finanzierung der damals höheren Staatsausgaben Stabilitätsrisiken.
Bereits mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie war es in vielen Schwellenländern zu einem plötzlichen Stopp von Kapitalzuflüssen gekommen, da internationale Investoren in vermeintlich sichere Häfen umschichteten. Nun ist durch den Einmarsch russischer Truppen die Unsicherheit erneut gestiegen. Ein Ende des Konflikts und der damit verbundenen Wirtschaftssanktionen ist nicht absehbar. Vor allem Länder mit hohen Leistungsbilanzdefiziten sind bei Kapitalabflüssen besonders anfällig.
Unter den sechs größten Emerging Markets hatten nur China und Russland in der letzten Dekade überwiegend Leistungsbilanzüberschüsse. Brasilien, Indien, Südafrika und die Türkei meldeten hingegen bis kurz vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie teils erhebliche Leistungsbilanzdefizite. Mit der Corona-Pandemie konsolidierte Südafrika seine Leistungsbilanz und meldete Ende 2021 sogar einen Überschuss von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Nach einer kurzen Korrektur im Jahr 2020, stiegen hingegen die Defizite in Indien, Brasilien und der Türkei wieder.
Ziehen nun internationale Investoren im größeren Stil Kapital aus einem Emerging Market ab, muss die nationale Währung dieser Volkswirtschaft abwerten. Die Höhe der in Fremdwährung denominierten Staatsschulden ist in einer solchen Situation eine wichtige Größe. Denn mit der Abwertung steigt die Schuldenlast (in inländischer Währung gemessen), was Unternehmen und Regierungen in Zahlungsschwierigkeiten bringen kann.
In den vergangenen Jahren ist vor allem in der Türkei, Brasilien und Südafrika die in Fremdwährung notierte Verschuldung stark gestiegen. Ende 2020 lag sie in der Türkei bei fast 60 Prozent und in Brasilien bei 36 Prozent des BIP.
Um die wirtschaftlichen Folgen der Lockdown-Maßnahmen entgegenzuwirken, sind in einigen Emerging Markets während der Pandemie fiskalische Hilfsprogramme aufgelegt worden, die – wie auch in den USA und Europa – durch eine „unkonventionelle Geldpolitik“ mitfinanziert wurden. In den meisten Ländern waren dazu Gesetzesänderungen und in Brasilien sogar eine Verfassungsänderung notwendig. Diese Maßnahmen haben die Unabhängigkeit der Zentralbanken geschwächt.
In der Türkei und Indien wurden zudem 2021 Zentralbankgouverneure ausgetauscht oder sogar zur vorzeitigen Beendung ihrer Mandate gedrängt. Die bereits sehr niedrige Rechtsstaatlichkeit der größten sechs Emerging Markets ist, gemessen am „Rule of Law Index“, den das World Justice Forum herausgibt, weiter gesunken. Doch gerade bei hohem Inflationsdruck sind solide Institutionen wichtige Stabilitätsanker.
Pablo Duarte ist Senior Research Analyst beim Flossbach von Storch Research Institute. Die aktuelle Studie finden Sie auf der Internetseite des Instituts.
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