Blickt man auf das vergangene Börsenjahr zurück, bekommt man zunächst den Eindruck, dass es für Aktien aus Deutschland recht erfolgreich lief. Die Aktien deutscher Unternehmen erbrachten im Jahr 2023 zusammen eine Performance von 19 Prozent.1 Hiervon entfielen 15 Prozent auf Kursgewinne und die übrigen vier Prozent auf die Ausschüttung von Dividenden.
Dies ist eine äußerst erfreuliche Statistik, wenn man bedenkt, dass in den zehn Jahren zuvor die jährliche Rendite des gesamten deutschen Aktienmarkts im arithmetischen Mittel bei lediglich acht Prozent, bzw. ohne Dividenden bei fünf Prozent lag. Mit einer rollierenden Investition in eine kurzfristige Bundesanleihe hätte man lediglich eine Rendite von 3,1 Prozent im Jahr 2023 erwirtschaftet.2
Doch die Statistik trügt darüber hinweg, dass es für die deutschen Einzeltitel im vergangenen Jahr eher schlecht lief. Lediglich 44 Prozent aller deutschen Aktien liefen besser als die kurzfristige Bundesanleihe. Die Mehrheit (56 Prozent) aller deutschen Aktien konnten hingegen die Bundesanleihe nicht schlagen. Selbst im historischen Vergleich ist dies ein schlechter Wert. In den vergangenen fünf Jahren lagen immerhin 53 Prozent der deutschen Aktien vor der Bundesanleihe.3
Der Vergleich von Aktienrenditen und Verbraucherpreisinflation, die im Dezember 2023 bei 3,7 Prozent lag, kommt zu einem vergleichbaren Ergebnis. Mit einer Einzelinvestition in 43 Prozent aller deutschen Aktien erhielt man keinen Ausgleich für die Geldentwertung im Jahr 2023.
Die Wahrscheinlichkeit mit einer blinden Auswahl eines Aktientitels die Bundesanleihe zu schlagen oder einen Inflationsausgleich zu erhalten, war geringer als bei einem Münzwurf richtig zu liegen.
Der Grund, warum der Gesamtmarkt gut lief, die Mehrheit der Einzeltitel jedoch nicht, liegt in der Berechnungsmethode. Markt- und Portfoliorenditen werden wie ein wertgewichteter Index berechnet. Bei einem wertgewichteten Index fließen die Aktien in der Höhe ihres Börsenwerts in die Berechnung der Performance ein. Große Titel mit einer positiven Performance trugen den Gesamtmarkt. Kleinere Titel mit einer schlechten Performance hatten daher nur einen geringen Einfluss auf die Gesamtentwicklung.
Die Größenunterschiede fallen noch stärker ins Gewicht, wenn man den Wert betrachtet, der für Anleger an der deutschen Börse geschaffen wurde. Die 386 deutschen Aktien haben zusammenbetrachtet für ihre Anleger im Jahr 2023 einen Wert in Höhe von 223 Milliarden Euro erschaffen. Der Wert entspricht der Summe aller ausgezahlten Dividenden zuzüglich der Kurssteigerung der Aktien, die über die Rendite der kurzfristigen Bundesanleihe hinausging. Zum Vergleich: In den vier vorangegangen Jahren (2019 - 2022) wurde für Anleger durchschnittlich jährlich ein Wert von 110 Mrd. Euro am deutschen Aktienmarkt geschaffen.
Rein rechnerisch entfällt von den 223 Milliarden Euro Wertschaffung des Jahres 2023 auf jede der 386 Aktien ein Anteil von 579 Mio. Euro. Doch auch hier trügt die Statistik. Im Jahr 2023 war die Wertschaffung so konzentriert wie lange nicht mehr.
Knapp ein Viertel des gesamten geschaffenen Werts am deutschen Aktienmarkt im Jahr 2023 entfällt alleine auf die Aktie von SAP. Weitere 14 Prozent des Gesamtwerts wurden nur durch die Aktie von Siemens geschaffen. 18 Aktien reichten bereits aus, um auf den gesamten am deutschen Aktienmarkt geschaffenen Wert des Jahres 2023 zu kommen.
Die übrigen 368 Unternehmen haben zusammen betrachtet keinen Wert geschaffen. Zwar schuf die Hälfte davon einen Wert in Höhe von 86 Milliarden Euro, die andere Hälfte vernichtete jedoch einen Wert in gleicher Höhe. Besonders stark trugen die Großunternehmen zur Wertvernichtung bei, deren Aktie im vergangenen Börsenjahr schlecht lief.
Zwar war auch in der Vergangenheit die Wertschaffung am deutschen Kapitalmarkt konzentriert, im Jahr 2023 fiel die Konzentration jedoch besonders hoch aus. Im Zeitraum 2003 bis 2022 reichte ein Zehntel der gehandelten Aktien aus, um die volle Wertschaffung zu erhalten.4 Im vergangenem Jahr genügten hierfür bereits fünf Prozent der Titel (18 von 386) aus.
Betrachtet man die Wertschaffung nach den Wirtschaftssektoren, so entfällt getragen durch die Aktien von Siemens und der Deutschen Post der größte Anteil auf den Sektor Industriegüter. Im Technologiesektor trugen neben SAP die Aktien von Infineon Technologies und Nemetschek bedeutend zur Wertschaffung bei. Im Sektor Finanzdienstleister prägten die Aktien der Allianz und der Münchener Rück die Wertschaffung.
Im Sektor Gesundheitswesen trugen lediglich ein Drittel der Aktien zur Wertschaffung bei, jedoch überwog die Wertvernichtung der übrigen Titel in Anzahl und Größe. Im Energiesektor verursachten alle Aktien eine Wertvernichtung.
Für das deutsche Kapitalmarktjahr 2023 lässt sich festhalten, dass es in der Breite des Kapitalmarkts nur wenige Titel gab, mit denen die Menge aller Anleger Geld verdienen konnte. Uninformierte Anleger hatten schlechtere Chancen die Bundesanleihe zu schlagen oder einen Inflationsausgleich zu erhalten, als wenn sie auf einen Münzwurf gesetzt hätten. Anleger, die sich darauf verließen, dass sie durch eine Indexinvestition an den Gewinner partizipierten, kauften automatisch auch die Verlierer mit ein, die im vergangenem Jahr in der Überzahl waren.
Die Kunst für Investoren lag im vergangenen Jahr darin, die wenigen Titel frühzeitig zu identifizieren, die zur Wertschaffung am deutschen Kapitalmarkt beigetragen haben.
Zu guter Letzt sollten Anleger sich stets bewusst sein, dass die Betrachtung einer Rendite basierend auf Kalenderjahren mit einer gewissen Zufälligkeit einhergeht. Würde ein Kalenderjahr bereits Ende Oktober zu Ende gehen, so ständen nur 11 Prozent statt 19 Prozent Rendite innerhalb von zwölf Monaten für den deutschen Kapitalmarkt zu Buche und das Jahr würde nicht mehr so außergewöhnlich gut ausschauen.
1 Bezieht sich auf alle 386 Aktien deutscher Unternehmen, die im General- und Prime-Standard an der Deutschen Börse gehandelt werden und dadurch den deutschen Aktienmarkt repräsentieren. Zum Jahresbeginn wurden 383 Unternehmen gehandelt, 26 schieden im Jahresverlauf aus, drei Aktien kamen neu hinzu. Der Aktienindex CDAX fasst diese Titel zusammen. Die historische Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung.
2 Kumulierte monatliche Rendite einer Investition in eine Bundesanleihe mit einem Monat Restlaufzeit. Die historische Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung.
3 Siehe Immenkötter (2021): „Das Risiko der einzelnen Aktie“, Flossbach von Storch Research Institute.
4 Vergleiche hierzu: Immenkötter (2023): „Wertschaffung und Wertvernichtung am deutschen Aktienmarkt“, Flossbach von Storch Research Institute.
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