Wahrscheinlich nicht. Genauso ging es der Deutschen Bundesbank – bisher. Die ehrwürdige, 1957 gegründete Frankfurter Institution hat fleißig Gold gesammelt und sich bisher eher wenig darum geschert, was ihr im Durchschnitt 61 Jahre alter Bestand denn klimatisch so bedeutet.
Doch seit diesem Juni ist alles anders. Da haben die Bundesbanker nicht nur ihren neuen Klimabericht vorgelegt1, sondern dabei erstmals auch errechnet, welchen Abdruck ihr Goldbestand über 3.353 Tonnen einst so auf dem Planeten hinterlassen hat. Günstig fürs zukünftige Weltklima: Der Co2-Fußabdruck stammt aus der Vergangenheit, nämlich aus der Goldproduktion. Wenn die Bundesbank ihre Edelmetallreserven also nicht mehr ausbaut, dann fallen auch so gut wie keine zusätzlichen Belastungen fürs Klima an. Das ist wichtig, kämpft doch auch die Bundesbank nach eigenen Angaben inzwischen entschlossen gegen den Wandel an. Dafür dankt Sabine Mauderer als zuständiges Vorstandsmitglied ausdrücklich „allen Kolleginnen und Kollegen“.2
Der Klimabericht der Bundesbank steht exemplarisch für den Zeitgeist: Nahezu jede öffentliche Institution und jedes Privatunternehmen muss Beichte ablegen in Sachen Klima.
Und exemplarisch zeigt sich bei der Bundesbank: So einfach ist das gar nicht. Die Goldbestände etwa stünden für einen geschätzten jährlichen Co2-Fußabdruck von 4,3 bis 7,4 Tonnen je eine Million Euro an Investitionen. Ob gut vier oder sieben Tonnen – das ist dabei für jedermann ersichtlich eine erhebliche Differenz. Das Problem: Empirische Erkenntnisse zu Treibhausgas-Emissionen (THG) historischer Goldproduktionsmethoden seien „äußerst begrenzt“, so die Bundesbank.3
Wie dem auch sei, die ex post grob geschätzte Co2-Belastung wird sich in jedem Fall ex ante verringern: Je länger die lange Haltedauer, desto mehr ermögliche Gold eine „Treibhausgas-effizientere Wertaufbewahrung als übliche Wertpapierinvestitionen“, schreibt die Zentralbank. So will es die Klimabelastungsarithmetik, für deren Berechnung es zahlreiche Ansätze und Standards gibt.4
Bei gleichbleibendem Bestand würde die Co2-Belastung des Goldbestands je eine Million Investition im Jahr 2083 auf 2,2 bis 3,8 Tonnen sinken.5 Ganz verschwinden würde sie nie, auch in einer Million Jahre nicht. So könnte auch die überübernächste letzte Generation der Bundesbank noch vorwerfen, das Net-Zero-Ziel verfehlt zu haben.
Ohnehin sind die Infos zu den ollen Goldbarren bestenfalls für einen Dinner-Smalltalk geeignet. Einen sittlichen Wert haben sie nicht. Das gilt, sorry, liebe Bundesbank, für den 60 Seiten umfassenden Bericht insgesamt, auch wenn dieser als „jüngster Meilenstein“ auf einer „Nachhaltigkeitsreise“ gefeiert wird.6 Nachhaltig ist da vor allem die Sicherung von Arbeitsplätzen, was ja per se keine schlechte Sache ist. Im August 2023 hat die Bundesbank dafür eine „zentrale Fach-, Strategie und Koordinierungsabteilung etabliert“. Obwohl (oder, gerade weil?) sich ohnehin schon „nahezu alle Bereiche der Bundesbank mit Fragen der Nachhaltigkeit und insbesondere den Folgen des Klimawandels und der Klimapolitik für das Finanzsystem“ beschäftigen.
Neben dem Goldbestand nimmt die Zentralbank ihre „nicht-geldpolitischen Finanzanlagen“ unter die Lupe. Das sind unter anderem Devisenreserven und bestimmte Anleihen. Dabei legt sie die THG und weitere „klimabezogen Metriken“ offen. Die sollen Risiken anzeigen oder zur Messung der Klimaverträglichkeit des Portfolios dienen.
Die gute News vorab: Das Euro-Portfolio hat sich bei den Treibhausgasen positiv, also rückläufig, entwickelt. Allerdings fehlt es beispielsweise an Informationen bei der „Anlageklasse der Förder- und Entwicklungsbanken“. Bei besicherten Papieren (Pfandbriefen) von Banken sei die Datenlage „unzureichend“. Allgemein sei diese im Bereich Sustainable Finance „gekennzeichnet durch einen Mangel an qualitativ hochwertigen Mikrodaten“.
So genau kennt man den Fußabdruck dann also auch hier nicht. Zudem bemängelt die Bundesbank, dass „nachhaltigkeitsbezogene Angaben auf Mikroebene fast ausschließlich von privaten Datenanbietern bereit bestellt“ würden.7 „Öffentliche, strukturierte Datenquellen“ seien „kaum vorhanden“. Und zu berücksichtigen gilt, dass etwa die Hälfte der gemessenen Rückgänge der Weighted Average Carbon Intensity (WACI) im Portfolio der Bundesbank inflationsgetrieben sei. Verflixt aber auch.
Wenn auch zwischen den Zeilen räumt die Bundesbank zudem ein, dass es eine Dissonanz zwischen dem Auftrag der Zentralbank, den Geldwert stabil zu halten, und der Rettung des Weltklimas gibt.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte im März in einem Beschluss zur Anpassung des geldpolitischen Rahmens ermöglicht, klima-bezogene Aspekte im Rahmen des Mandats bei der Umsetzung der Geldpolitik zu berücksichtigen. „Dem geldpolitischen Sekundärziel entsprechend, soll die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Europäischen Union und dabei insbesondere der Übergang zu einer grünen Wirtschaft unterstützt werden, sofern kein Widerspruch zum Primärziel der Preisstabilität besteht“, so die Bundesbank. Sie sieht Reputationsrisiken in der Öffentlichkeit, sollte sie klimabezogene Aspekte nicht ausreichend berücksichtigen:8
In „fast allen“ der 16 bei ihr geführten Portfolios sei Nachhaltigkeit inzwischen Thema. Zunächst gäbe es ein „Negativ-Screening“ für Emittenten, das untersucht, ob es Verstöße gegen „internationale Mindeststandards“ gibt. Sei dies der Fall, dann gelten Wertpapiere des Emittenten als nicht mehr investierbar.
Komplette Staaten deshalb auszuschließen, das geht jedoch nicht. Grund: „Einschränkungen bei Anleihen der Zentralstaaten (USA, Japan, Australien, Kanada und China) sind aufgrund der übergeordneten währungspolitisch-motivierten Vorgaben kaum möglich.“
Der Kampf gegen den Klimawandel beschränkt sich also nur auf Emissionen niederen Ranges, etwa von Förder- und Entwicklungsbanken. Fällt da das Klimaprofil zu miefig aus, prüft die Bundesbank sogar einen aktiven Verkauf entsprechender Wertpapierbestände.
Konkret bedeutet dies auch, dass bei der Devisenanlage nicht in Papiere investiert wird, deren Emittenten „in beträchtlichem Maße klima- und umweltschädliche Sektoren wie die fossile Energiewirtschart finanzieren“. Wie trennscharf da eine Abgrenzung erfolgen kann, bleibt ein Geheimnis.
Die Bundesbank hat eine Bilanzsumme von gut 2,5 Billionen Euro. „THG-Metriken“ werden zunächst für ein Portfolio über nur 7,3 Milliarden Euro erfasst. Hier fallen je eine Million Euro Bruttoertrag 810 Kilogramm Co2 an. So viel stößt ein mit Benzin oder Diesel betriebener Kleinbus in etwa bei einer Fahrt von Madrid nach Mailand und zurück aus.
Alles in allem kommt die Bundesbank für den erfassten Euro-Portfoliobereich per Ende 2023 auf 762 Tonnen Co2. Das entspricht einer 18-monatigen Kreuzfahrt einer Person auf einem Luxusschiff mit weniger als 500 Passagieren in der Kategorie „Suite“.
Bei den Währungsreserven wird es ungemütlicher. Zum Stichtag 31. Dezember 2023 bunkerte die Frankfurter Zentralbank dort 25,64 Milliarden Euro. Die Nettoemissionen sind – berechnet nach je einer Million Euro Wirtschaftsleistung des jeweiliges Landes – von geschätzten gut 370 Tonnen Co2 im Jahr 2015 auf knapp 295 Tonnen zurückgegangen. Das wären 20,4 Prozent weniger. Inflationsbereinigt beträgt der Rückgang aber nur 9,9 Prozent.
Ohnehin bestünden deutliche Hinweise, dass Rückgänge von THG-Metriken ohne Inflationsbereinigung deutlich überschätzt werden könnten, konstatiert die Bundesbank. Möglicherweise ist dies ein versteckter Hinweis, dass es auch in Portfolien anderer Institutionen nicht so grünt, wie dem Anleger versprochen. Aber vielleicht ist das auch nur ein Verdacht.
Insgesamt kommt die Bundesbank für ihre Fremdwährungsreserven auf Nettoemissionen von zuletzt fünf Millionen Tonnen. Das wären 0,00013 Prozent der Welt-Co2-Emissionen, die derzeit pro Jahr anfallen. Konstanz unterstellt und über 100 Jahre fortgeschrieben, kommen da zwei Nullen hinter dem Komma dazu. Net Zero rückte dann also näher, bliebe aber doch der unerreichbare Heilige Gral. Es sei denn, die Länder, von denen die Bundesbank Devisen hält, werden eines Tages vollständig klimaneutral im Sinne von Net Zero.
Um dieses Ziel absehbar allein zu erreichen, bliebe für die Bundesbank wohl nur ein Ausweg: Das Eurosystem und die darin integrierten Notenbanken schaffen sich ab. Gottseidank für alle Involvierten: Klima ist ja nur Sekundärziel. Bisher.
Oh, wie viel einfacher wäre doch alles, wenn man sich auf eine ordnungspolitisch saubere Lösung für die Verringerung der Treibhausgase einigen könnte: die CO2-Bepreisung! Die Ressourcen zur Erstellung des 60-seitigen Klimaberichts hätten klimafreundlicher mit dem Verweis darauf verwendet werden können.
Downloads:
2 a.a.O. Vorwort
3 Klimabericht, Seite 49
4 https://www.flossbachvonstorch-researchinstitute.com/de/kommentare/marlboro-man-schlaegt-elon-musk/
5 Eigene Berechnung
6 Klimabericht, Seite 11
7 Klimabericht, Seite 17
8 Klimabericht, Seite 30
Verschiedene Fachbegriffe aus der Welt der Finanzen finden Sie in unserem Glossar erklärt.
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