2022 war (wieder) ein Krisenjahr. Das zeigte sich auch an den Börsen. Was kommt in den nächsten Monaten auf uns zu?
Als Investoren sind wir mit Superlativen eher zurückhaltend, auch bei der Bewertung des vorangegangenen Jahres; zumal in jüngerer Vergangenheit viele davon mit dem Prädikat „außergewöhnlich“ versehen wurden. Denken wir nur an die Hochzeit der Corona-Pandemie, an das Jahr 2020.
Die Krise erscheint uns längst als Dauerzustand, die Ausnahme als Regel. Insofern ordnet sich 2022 nahtlos in die Reihe herausfordernder, mitunter verstörender Jahrgänge ein. Das Besondere am vergangenen Jahr ist die Vielzahl einander bedingender und sich verstärkender Krisen gewesen.
Die Auswirkungen der Pandemie, die gebrochenen Lieferketten, sind immer noch zu spüren, dazu der barbarische Krieg inmitten Europas und der aus beidem erwachsende Inflationssturm. Einen solchen Preisschub hat es zuletzt vor vier Jahrzehnten gegeben!
Viele Menschen sorgen sich um ihre Zukunft, zumal der Staat, in dem wir leben, funktionsuntüchtiger denn je wirkt. Die notwendige, wenn auch recht späte Reaktion der Notenbanken auf den rasanten Inflationsanstieg hatte zur Folge, dass die Kapitalmärkte im vergangenen Jahr fast nur „Verlierer“ kannten.
2022 war ein schlechtes Jahr für Aktien und ein katastrophales für Anleihen. Die Hartnäckigkeit der Inflation hat die Notenbank zu einer radikalen Kehrtwende veranlasst. Ausmaß und Tempo der Zinserhöhungen waren zweifellos überraschend.
Innerhalb von nur neun Monaten erhöhte die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) den Leitzins von 0,25 auf 4,5 Prozent (jeweils oberes Ende der Bandbreite). Die Europäische Zentralbank (EZB) zog nach und erhöhte ihren Einlagenzins binnen fünf Monaten von minus 0,5 auf zwei Prozent.
Dies trieb auch die Renditen von Anleihen deutlich in die Höhe, was bei den gemeinhin als sicher geltenden Papieren zu hohen Kursverlusten führte. Eine Anfang Januar begebene zehnjährige deutsche Bundesanleihe verlor mehr als 20 Prozent, 30-jährige Papiere fast 50 Prozent und selbst fünfjährige Bundesobligationen (die klassischen Witwen und Waisenpapiere) fielen um elf Prozent, allesamt historisch schlechte Anlageergebnisse.
Der starke Zinsanstieg drückte auch die Bewertung von Aktien und führte bei den einschlägigen Indizes zu Verlusten. Der globale Aktienindex MSCI World verzeichnete ein Minus von rund 18 Prozent, was in Euro gerechnet einem Verlust von 13 Prozent entspricht.
Lediglich Gold konnte ein wenig glänzen. Zwar notierte eine Feinunze Gold mit 1.824 US-Dollar zum Jahresende fast auf dem gleichen Niveau wie zu Jahresbeginn, doch bedeutete dies in Euro gerechnet immerhin noch ein Plus von knapp sechs Prozent.
Können wir für die nächsten Monate optimistischer sein? Und was sind die Lehren für 2023? Klar ist: Die Notenbanken nehmen die Inflationsbekämpfung ernst; sie werden ihre restriktivere Politik erst dann beenden, wenn ein nachhaltiger Rückgang der Inflation erkennbar ist – oder Kollateralschäden auftreten, die größer sind als der Nutzen ihrer Antiinflationspolitik.
Ob die Notenbanken am Ende erfolgreich sein werden, wissen vermutlich nicht einmal deren Vertreter zu sagen. Die Börsen werden sich in den kommenden Monaten von einer Notenbanksitzung zur nächsten hangeln und versuchen, ein Ende des Zinserhöhungszyklus auszuloten.
Das bedeutet ein ständiges Auf und Ab der Kurse, ohne klaren Trend. Nichtsdestotrotz braucht es für den Kapitalerhalt langfristig die Aktien guter Unternehmen. Stand heute entsprechen deren Bewertungen in etwa dem derzeitigen Zins- und Renditeniveau.
Deutlich höhere Zinsen würden die Bewertungen allerdings erneut unter Druck zu setzen. Umso mehr kommt es für langfristig denkende Investoren darauf an, die richtigen Titel auszuwählen und das Portfolio möglichst intelligent zu diversifizieren.
Andererseits hat sich das Chance-Risiko-Profil vieler Anlagen nach vorne schauend verbessert. Dies gilt auch für Teile des Anleihemarkts, in denen sich wieder Erträge erwirtschaften lassen, die auch die Inflation ausgleichen.
Als langfristig denkende Investoren sind wir deshalb zuversichtlich, dass die Zukunft wieder bessere Jahrgänge für Anlegerinnen und Anleger bereithält, auch wenn der Weg dorthin erst einmal steinig sein wird.
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