Skip to Content

Irgendwann wird auch die Inflation „transitorisch“ sein

Pablo Duarte

Trotz Normalisierung der Energie- und Konsumgüterpreise, bleibt die Inflation unbesiegt. Irgendwann wird die Inflation wieder zurückgehen, und wie alles auf dieser Welt, wird die Inflation dann auch „transitorisch“ gewesen sein.

Die Inflationsraten in den USA und der Eurozone sind seit einigen Monaten rückläufig. Einige feiern dies als endgültige Niederlage der Inflation und sehen es als Bestätigung dafür, dass sie letztendlich „transitorisch“ war. Dies wirft jedoch zwei Probleme auf. Erstens lässt sich immer ein ausreichend langer Zeitraum finden, um ein weltliches Phänomen als „transitorisch“ zu bezeichnen, wodurch der Begriff letztlich inhaltslos wird. Zweitens scheint der Inflationsdruck noch nicht vollständig verschwunden zu sein. Die Inflationsraten könnten sogar erneut steigen. Die Inflation wird zwar irgendwann wieder vorbei sein, aber vermutlich nicht so bald.

Inflation ist „transitorisch“, weil alles „transitorisch“ ist

Die Zielinflationsrate von 2 % wurde Anfang 2021 in den USA und etwas später auch in der Eurozone überschritten. Da das damals vorherrschende Narrativ besagte, dass diese hohen Inflationsraten vorübergehend ("transitorisch") seien, reagierten die Zentralbanken erst spät mit einer Straffung ihrer sehr expansiven Geldpolitik. Man ging davon aus, dass die Inflationsraten von selbst wieder fallen würden, sobald sich die zuvor durch die Pandemie-Lockdowns beeinträchtigten Lieferketten normalisieren würden. Alles schien unter Kontrolle zu sein.1

Irgendwann wird auch die Inflation „transitorisch“ sein - Flossbach von Storch

Doch es kam anders. Mehr als zwei Jahre später liegen die Inflationsraten immer noch spürbar über dem 2 %-Ziel. Die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) reagierten mit erheblicher Verzögerung darauf.

Die „transitorischen“ Treiber der Inflation sind verblasst

Der wichtigste Beitrag zur Rückkehr der Inflation kam nach der Pandemie von der Angebotsseite. Sowohl in den USA als auch im Euroraum trieben Engpässe in den Lieferketten die Preise für viele Konsumgüter in die Höhe. Gleichzeitig zogen auch die Rohstoff- und Energiepreise an. Der Ausbruch des Krieges in der Ukraine trieb die Öl- und Gaspreise noch weiter in die Höhe und die Inflationsraten auf ein Niveau, das seit den 1970er Jahren nicht mehr erreicht wurde. Diese Preise sind in den letzten Monaten gesunken. Die Kosten für den Warentransport sind beispielsweise auf das Niveau vor der Pandemie zurückgegangen. Da die Engpässe in den Versorgungsketten aufgelöst wurden und die Energiepreise trotz des Krieges gesunken sind, scheint der Inflationsdruck auf der Angebotsseite nachgelassen zu haben.

Irgendwann wird auch die Inflation „transitorisch“ sein - Flossbach von Storch

Der Inflationsdruck ist jedoch immer noch zu spüren.

Der Anstieg der Inflation beschränkt sich jedoch nicht nur auf Rohstoffe und Konsumgüter. In den USA sind die Preise für Dienstleistungen stetig gestiegen und tragen nun am meisten zur Inflation bei. In der Eurozone nimmt der Inflationsdruck bei den Dienstleistungs- und Lebensmittelpreisen zu. Auch die Löhne sind sowohl in der Eurozone als auch in den USA schneller gestiegen. Bisher scheinen die Steigerungen der Dienstleistungspreise und Löhne nicht nachzulassen. Der Inflationsdruck hat sich von Rohstoffen und Konsumgütern auf Dienstleistungen und Nahrungsmittel übertragen.

Irgendwann wird auch die Inflation „transitorisch“ sein - Flossbach von Storch

Der Basiseffekt versteckt den Inflationsdruck

Der Rückgang der Inflationsrate gegenüber dem Vorjahr, den wir in den letzten Monaten beobachten konnten, wird durch den Basiseffekt überzeichnet. Die Inflationsrate gegenüber dem Vorjahr, die am häufigsten beobachtet und diskutiert wird, steigt oder fällt auch, je nachdem, wie sich die Inflation im Vorjahr entwickelt hat.2 Die jährliche Inflationsrate kann nur dann auf demselben Niveau bleiben, wenn der Preisindex monatlich um denselben Betrag steigt wie vor zwölf Monaten. In der ersten Jahreshälfte 2022 kam es zu einem drastischen Anstieg des Preisindexes als Folge der kriegsbedingten Verteuerung von Energie und Rohstoffen. Daher führt ein hoher, aber weniger starker monatlicher Anstieg dieses Jahr zu einer überzeichneten Verringerung der Inflationsrate im Jahresvergleich.

Der Basiseffekt ist in den nachstehenden Schaubildern zu erkennen (Abbildung 4). Die blaue Linie gibt die jährliche Inflationsrate an. Die roten Balken sind die monatlichen Veränderungen des Preisindexes, die blauen Balken die monatlichen Veränderungen des Preisindex zwölf Monate zuvor. Die jährliche Inflationsrate sinkt, wenn die blauen Balken größer sind als die roten Balken. Dies geschieht auch bei anhaltend hoher Inflation über dem Zielwert der Zentralbanken.

Seit Ende letzten Jahres hält der Inflationsdruck an (rote Balken). In den USA und der Eurozone sind die Preise mit Monatsraten von im Schnitt 0,3 % und 0,4 % gestiegen. Die annualisierten Raten betrugen 3,5 % und 5,3 %. Da die Monatsraten geringer waren als vor zwölf Monaten, ist die Inflationsrate gegenüber dem Vorjahr stark zurückgegangen. Dieser Rückgang ist durch den Basiseffekt überzeichnet.

Irgendwann wird auch die Inflation „transitorisch“ sein - Flossbach von Storch

Die Geldmenge

Ohne eine Geldmengenausweitung wäre der Anstieg der Inflation nicht möglich. Ohne Geldmengenausweitung würde beispielsweise ein Anstieg der Energiepreise zu einer Neuanpassung der Nachfrage nach Energie und anderen Gütern entsprechend der Budgetbeschränkung der Haushalte führen. Die relativen Preise würden sich anpassen, so dass einige Preise steigen und andere fallen, aber das allgemeine Preisniveau stabil bliebe. Die aggressive Geldmengenausweitung zu Beginn der Pandemie im Jahr 2020 schufen den monetären Spielraum, der den anschließenden Anstieg der Inflation ermöglichte. Da die Menschen in ihren Häuser isoliert und die Lieferketten unterbrochen waren, und insbesondere Dienstleistungen ausfielen, sammelte sich dieses Geld auf Bankkonten an. Mit dem Ende der Pandemie fanden die erzwungenen Geldersparnisse ihren Weg in die Konsumnachfrage. Da das Angebot nicht so schnell wachsen konnte wie die Nachfrage, begannen die Preise den von den Zentralbanken geschaffenen monetären Raum zu füllen. Die Verringerung der Geldmenge begann spät und geschieht noch immer langsam. Das bedeutet, dass die Preise noch monetären Spielraum für einen weiteren Anstieg haben.

Irgendwann wird auch die Inflation „transitorisch“ sein - Flossbach von Storch

Die Verlangsamung der Kreditvergabe und der Konjunktur

Die Geldpolitik wird mit einer Verzögerung von mehr als einem Jahr über den Finanzsektor auf die Realwirtschaft übertragen. Die Erhöhung der Leitzinsen der Zentralbanken verteuert die Kredite, was die gesamtwirtschaftliche Nachfrage verringert. In der Vergangenheit war der Kreditimpuls, d. h. die Veränderung des Kreditflusses vom Finanzsektor zum privaten Sektor, ein guter Indikator für die reale Nachfrage. In den USA und der Eurozone sind die Kreditflüsse stark zurückgegangen. Folglich könnte der Inflationsdruck dank eines Rückgangs der Gesamtnachfrage nachlassen.

Irgendwann wird auch die Inflation „transitorisch“ sein - Flossbach von Storch

Fazit

Insgesamt deuten die Normalisierung der Energie- und Konsumgüterpreise sowie die Verlangsamung des Kreditflusses auf eine nachlassende Inflation hin. Doch die Inflation ist noch nicht besiegt. Irgendwann wird die Inflation wieder zurückgehen, und wie alles auf dieser Welt, wird die Inflation dann auch „transitorisch“ gewesen sein.


1 Siehe hierzu Duarte (2021), „Inflationsnarrative bestimmen das Schicksal der Zentralbanken“, Kommentar, Flossbach von Storch Research Institute, 09.03.2021.

2 Für eine genaue Erklärung des Basiseffekts siehe Duarte (2022), Wurde der Inflationspeak erreicht? Der trügerische Basis-Effekt, Studie, Flossbach von Storch Research Institute.

Das könnte Sie auch interessieren

Glossar

Verschiedene Fachbegriffe aus der Welt der Finanzen finden Sie in unserem Glossar erklärt.

Die neuste Ausgabe der Position

„Innovation oder Revolution?“

Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde, auch (oder besser: insbesondere) an der Börse. Aktien, die als die großen KI-Profiteure gelten, haben ein Hoch nach dem anderen erklommen, bevor so manche von ihnen Anfang August korrigierten. Was bedeutet das langfristig für Anlegerinnen und Anleger?

 

RECHTLICHER HINWEIS

Diese Veröffentlichung dient unter anderem als Werbemitteilung.

Die in dieser Veröffentlichung enthaltenen Informationen und zum Ausdruck gebrachten Meinungen geben die Einschätzungen von Flossbach von Storch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder und können sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern. Angaben zu in die Zukunft gerichteten Aussagen spiegeln die Zukunftserwartung von Flossbach von Storch wider, können aber erheblich von den tatsächlichen Entwicklungen und Ergebnissen abweichen. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann keine Gewähr übernommen werden. Der Wert jedes Investments kann sinken oder steigen und Sie erhalten möglicherweise nicht den investierten Geldbetrag zurück.

Mit dieser Veröffentlichung wird kein Angebot zum Verkauf, Kauf oder zur Zeichnung von Wertpapieren oder sonstigen Titeln unterbreitet. Die enthaltenen Informationen und Einschätzungen stellen keine Anlageberatung oder sonstige Empfehlung dar. Sie ersetzen unter anderem keine individuelle Anlageberatung.

Diese Veröffentlichung unterliegt urheber-, marken- und gewerblichen Schutzrechten. Eine Vervielfältigung, Verbreitung, Bereithaltung zum Abruf oder Online-Zugänglichmachung (Übernahme in andere Webseite) der Veröffentlichung ganz oder teilweise, in veränderter oder unveränderter Form ist nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung von Flossbach von Storch zulässig.

Angaben zu historischen Wertentwicklungen sind kein Indikator für zukünftige Wertentwicklungen.

© 2024 Flossbach von Storch. Alle Rechte vorbehalten.

Back to top