Die US-Notenbank Fed ändert die Zinsen nicht, wieder einmal. Auf den ersten Blick hat sich also wenig getan – mit Blick auf das globale Geldsystem war die Entscheidung aber höchst relevant.
Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hat wieder einmal getagt und dabei die Markterwartungen hinsichtlich der Leitzinsentscheidung erfüllt. Konkret bedeutet das, dass die US-Leitzinsen vorerst unverändert bleiben und die „Federal Funds Rate“ nunmehr seit Dezember vergangenen Jahres in der Bandbreite von 4,25 bis 4,5 Prozent verharrt.
Die Gründe für diese Entscheidung liegen nahe: Einerseits drängt sich beim Blick in den Rückspiegel (weiterhin) keine Notwendigkeit auf, die Leitzinsen senken zu müssen. So bewegte sich die US-Kerninflation (gemessen am „Personal Consumption Expenditures Price Index“) im März 2025 mit 2,6 Prozent den immerhin 49. Monat in Folge oberhalb des Zwei-Prozent-Inflationsziels. Gleichzeitig gibt der Arbeitsmarkt mit einer Arbeitslosenquote von zuletzt 4,2 Prozent weiter ein robustes Bild ab.
An dieser Stelle sollte auch der im ersten Quartal 2025 gesehene Rückgang des US-Bruttoinlandsprodukts (BIP) angesichts gewichtiger Sondereffekte nicht überinterpretiert werden. Schließlich haben US-Unternehmen sowie US-Verbraucher die Warenimporte in diesem Zeitraum in Antizipation möglicher Zölle in die Höhe getrieben, und die mathematische Konsequenz der höheren Importe war ein negatives BIP-Wachstum. Insofern drängen sich mögliche Gedankenspiele, Zinssenkungen zugunsten des zweiten Ziels der Fed – der Vollbeschäftigung – durchzuführen, ebenfalls (noch) nicht unmittelbar auf.
Nicht nur die Rückschau lässt eine anhaltend abwartende Haltung der US-Notenbank plausibel erscheinen. Auch nach vorne schauend gibt es derzeit keine glasklaren Argumente, die eine Anpassung der Leitzinsen unbedingt notwendig gemacht hätten. Die Unsicherheit ist weiterhin enorm groß. Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell muss seine Notenbank durch ein hausgemachtes Nebelfeld manövrieren. Dabei gingen die im April gesehenen, erratischen Ankündigungen des US-Präsidenten Donald Trump sogar weit über die Handelspolitik und ihre inflationsseitigen Implikationen hinaus.
„Unabhängigkeit gehört zum Markenkern einer Zentralbank“ - Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank
Nicht weniger als die Unabhängigkeit der US-Notenbank stand zuletzt zur Debatte. „Powells Kündigung kann nicht schnell genug kommen“, schrieb Trump am 17. April 2025 auf seiner Plattform Truth Social, und untermauerte damit seine wiederkehrenden Forderungen nach Zinssenkungen. Wenige Tage später ruderte der US-Präsident zwar wieder zurück, doch ein fader Beigeschmack bleibt. Die zurückliegenden Rekorde beim Goldpreis sollte man auch vor diesem Hintergrund betrachten – als ein erstes Warnsignal.
Mögliche Implikationen, die aus einer derartigen Debatte über die Notenbankunabhängigkeit resultieren können, sind allerdings schwer zu greifen. Auch in der Historie gab es bereits hitzige Debatten zwischen Fiskal- und Geldpolitik. So war etwa der frühere Notenbankpräsident Paul Volcker, der die Leitzinsen im Kampf gegen zweistellige Inflationsraten Anfang der 1980er-Jahre auf zeitweise 20 Prozent anhob, mit der Kritik der damaligen US-Regierung Ronald Reagans konfrontiert (Volcker's Announcement of Anti-Inflation Measures | Federal Reserve History).
Wie soll man also jetzt mit den jüngsten Debatten umgehen? Ein allgemein formulierter Ansatz könnte mit Blick auf die Historie lauten, dass man mit konkreten Handlungsableitungen auf Basis der aktuellen Kontroversen (zumindest zum jetzigen Zeitpunkt) wohl eher vorsichtig sein sollte.
Ein großes Fragezeichen
Eine Verharmlosung der aktuellen Situation ist gleichwohl auch nicht ratsam. Insbesondere aus Sicht ausländischer Investoren stellt sich gegenwärtig die Frage, inwiefern sich ein möglicher (anhaltender) Vertrauensverlust auf den Status des US-Dollars auswirken könnte. Viel spricht in diesem Zusammenhang dafür, dass die Funktion des US-Dollars als Weltleitwährung nicht mal eben über Nacht infrage gestellt werden kann. Etwa die Tatsache, dass die USA und der US-Dollar so stark wie keine zweite Währung in das globale Finanzsystem integriert sind.
So hielten Anleger und Anlegerinnen aus dem Ausland Ende vergangenen Jahres US-Vermögenswerte im Gegenwert von gut 60 Billionen US-Dollar. Das bedeutet in der ersten Ableitung, dass die wenigsten Marktteilnehmer ein Interesse an einem plötzlichen Wertverfall des US-Dollars (beziehungsweise von US-Dollar-Vermögenswerten) haben – ein beruhigender Aspekt, weil die ausgeprägte Integration eine weitgehende globale Interessengleichheit hinsichtlich der Werthaltigkeit des US-Dollars schafft und somit als Stabilisierungsfaktor dienen kann.
Gleichfalls könnte es im Rückblick natürlich auch naiv erscheinen, wenn man allein auf eine solche Interessenidentität vertrauen würde. Denn zwei Dinge sind auch klar: Zum einen hat die Berechenbarkeit der politischen Entscheidungsträger in den USA zuletzt abgenommen. Nicht nur die Rivalität mit der zweitgrößten Volkswirtschaft China, die in Zollsätzen jenseits der 100-Prozentmarke mündete, stimmt nachdenklich.
Daneben hat der US-Dollar aus Sicht eines Euro-Anlegers bislang nur in einem überschaubaren Maße auf die zurückliegenden Eskapaden reagiert. Der Euro notiert beispielsweise noch immer einige Prozentpunkte schwächer als in der Hochphase der Pandemie vor nicht einmal fünf Jahren. Damals bekam man für einen Euro zwischenzeitlich gut 1,20 US-Dollar. Etwaige Wechselkursrisiken und -chancen sind stets schwer zu quantifizieren. Wenig strittig dürfte aber sein, dass die (politischen) Risiken, die dem US-Dollar innewohnen, in den vergangenen Wochen signifikant zugenommen haben.
Was wirklich zählt
In einem Umfeld, in dem die präsidiale Rhetorik gegenüber der US-Notenbank Fragen nach deren Unabhängigkeit aufwerfen kann, verliert eine „einfache“ Zinsentscheidung in gewisser Hinsicht an Bedeutung. Denn wer interessiert sich dafür, ob die Zinsen nun 25 Basispunkte höher oder tiefer stehen, während ein möglicher Vertrauensverlust ins Geldsystem im Raum steht? Ist es also zweitrangig, wie die Zinsentscheidung in einem solchen Umfeld ausfällt?
Nun ist es manchmal eine Frage der Perspektive, ob man ein Glas halb leer oder halb voll sehen möchte. Denn gleichfalls ließe sich auch argumentieren, dass die aktuelle Zinsentscheidung gerade deshalb so wertvoll ist, weil die US-Notenbank unter politischem Druck stand, die Zinsen zu senken. Diesem Druck hat sie standgehalten. Die Entscheidung, die Zinsen konstant zu halten, zeugt von Kontinuität im datenabhängigen Vorgehen der Fed. Schließlich ist es gut nachvollziehbar, die Zinsen angesichts einer anhaltend erhöhten Inflation, eines bisweilen robusten Arbeitsmarkts und eines nebulösen Ausblicks vorerst nicht weiter reduziert zu haben.
Zweitrangig war diese Zinsentscheidung also keineswegs – hat sie das Vertrauen in die Unabhängigkeit der US-Notenbank doch gestärkt.
Glossar
Verschiedene Fachbegriffe aus der Welt der Finanzen finden Sie in unserem Glossar erklärt.
RECHTLICHER HINWEIS
Diese Veröffentlichung dient unter anderem als Werbemitteilung.
Die in dieser Veröffentlichung enthaltenen Informationen und zum Ausdruck gebrachten Meinungen geben die Einschätzungen von Flossbach von Storch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder und können sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern. Angaben zu in die Zukunft gerichteten Aussagen spiegeln die Zukunftserwartung von Flossbach von Storch wider, können aber erheblich von den tatsächlichen Entwicklungen und Ergebnissen abweichen. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann keine Gewähr übernommen werden. Der Wert jedes Investments kann sinken oder steigen und Sie erhalten möglicherweise nicht den investierten Geldbetrag zurück.
Mit dieser Veröffentlichung wird kein Angebot zum Verkauf, Kauf oder zur Zeichnung von Wertpapieren oder sonstigen Titeln unterbreitet. Die enthaltenen Informationen und Einschätzungen stellen keine Anlageberatung oder sonstige Empfehlung dar. Sie ersetzen unter anderem keine individuelle Anlageberatung.
Diese Veröffentlichung unterliegt urheber-, marken- und gewerblichen Schutzrechten. Eine Vervielfältigung, Verbreitung, Bereithaltung zum Abruf oder Online-Zugänglichmachung (Übernahme in andere Webseite) der Veröffentlichung ganz oder teilweise, in veränderter oder unveränderter Form ist nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung von Flossbach von Storch zulässig.
Angaben zu historischen Wertentwicklungen sind kein Indikator für zukünftige Wertentwicklungen.
© 2025 Flossbach von Storch. Alle Rechte vorbehalten.