Viele Unternehmen verzichten aktuell wegen der erratischen US-Zollpolitik auf Finanzprognosen. Für Investoren und Anleger ist das ungünstig. Dürfen die Firmen die Zielmarken für Aktionäre einfach so verweigern? Ein Interview mit Christof Schürmann, Senior Research Analyst beim Flossbach von Storch Research Institute.
Herr Schürmann, einige große Unternehmen geben derzeit wegen der US-Zollpolitik keine Finanzprognosen mehr ab. Ist das überhaupt zulässig?
Auf Basis des Bilanzrechts, nach dem deutschen Handelsgesetzbuch und auch nach internationalen Regeln, sind Unternehmen verpflichtet, im Rahmen ihres Lageberichts qualitative Prognosen abzugeben. Dies gilt aber nur einmal jährlich bei der Vorlage ihrer Geschäftsberichte. Bei der aktuell laufenden Quartalsberichterstattung greift das nicht. Generell sind Unternehmen aber im Rahmen der sogenannten Ad-hoc-Publizitätspflicht angehalten, Veränderungen von bisherigen Prognosen umgehend öffentlich zu machen.
Das heißt, Firmen dürfen sich quasi aussuchen, ob sie den Kapitalmarkt mit Zielen versorgen oder nicht?
So einfach ist das nicht. Faktisch ist es so, dass es ja bei jeder Quartalsberichterstattung drei Möglichkeiten gibt: Die Unternehmen halten an ihrer bisherigen Prognose fest, verringern oder erhöhen diese. Nicht selten haben die Unternehmen ja Korridore angeben, was ihre Umsatz- und Gewinnerwartungen betrifft. Aktuell wäre es zumindest geboten anzugeben, ob sich die Unternehmen unter größerer Unsicherheit noch in diesem Korridor bewegen, oder daraus fallen könnten. Investoren könnten sich daraus dann ihre eigene Meinung bilden.
Wie sieht es aus, wenn Unternehmen Prognosen nun aufgrund der Zollpolitik nach unten korrigieren?
Der Aktienkurs reagiert dann stark, wenn das Einkassieren der Prognose unerwartet kommt. Sollten Investoren aufgrund ihrer eigenen Schätzungen schon zuvor Ungemach antizipiert haben, dann fällt die Reaktion milde aus, oder der Aktienkurs reagiert gar nicht mehr. Dann war die Prognosekürzung bereits „eingepreist“, wie es im Börsenjargon heißt. Generell ist für Investoren die Prognosequalität wichtig. Erfüllt das Unternehmen regelmäßig seine Prognosen, oder liegt es häufiger daneben? Auch die regelmäßige Begleitung des Kapitalmarktes bei Prognose-Änderungen spielt eine Rolle. Es gibt Unternehmen, denen Investoren traditionell mehr vertrauen, weil sie in der Vergangenheit da geliefert haben. Ein solches Vertrauen sollten Unternehmen gerade in Krisen nicht verspielen.
Kommen Prognose-Unsicherheiten in der Breite eigentlich häufig vor?
Ja, durchaus. Die Finanzkrise brachte viel Unsicherheit mit, auch der Beginn des Ukraine-Krieges, wenn auch wesentlich milder. Der Beginn von Corona war ein deutlicher Einschnitt. Damals verweigerten Unternehmen Prognosen teilweise ebenso wie aktuell. Dabei ist anzumerken: Gar nicht mit dem Kapitalmarkt zu kommunizieren, ist sicher die schlechteste Lösung. Unternehmen sollten in der Lage sein, zumindest eine „wenn-dann-Prognose“ abzugeben. Was passiert also voraussichtlich bei einem dauerhaften Zollsatz von x Prozent, beispielsweise in Kombination mit einer sich möglicherweise abschwächenden Weltwirtschaft. Anleger können jetzt auch erkennen, wer nur als Schönwetter-Kapitän unterwegs ist. Unternehmertum ist Risiko, dann sollte ein mittlerer Sturm nicht gleich alles ins Wanken bringen. Die meisten börsennotierten Unternehmen sind aber nicht inhabergeführt, sondern von Managern dominiert. Nicht jeder davon ist wetterfest, das zeigt sich in Krisen.
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