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Konzentration am Aktienmarkt durch Big-Tech - die neue Normalität?

- Philipp Immenkötter, Sven Ebert

Das Jahr ist erst vier Wochen alt, aber die Konzentration am US-Aktienmarkt hat bereits weiter zugenommen. Auch den jüngsten Kursrutsch hat sie überstanden. Welche Szenarien gibt es für die Zukunft? 

In einem kapitalgewichteten Index wie dem S&P 500 bestimmt sich das Gewicht einer Aktie als Anteil des Börsenwerts der Aktie am Marktwert des gesamten Index. Zählt man die Gewichte der zehn größten Aktien zusammen, erhält man eine Kennzahl, mit der man Konzentration messen kann. Die Kennzahl gibt Aufschluss darüber, wie sehr die Kursentwicklung des Index von den größten Aktien des Index abhängt. Ist die Konzentration hoch, so hängt die Indexperformance von einigen wenigen Werten ab und man spricht von einem Konzentrationsrisiko. Kursverluste einzelner großer Titel können im Index weniger durch die übrigen ausgeglichen werden.

Zwischen 1990 und 2020 schwankte die Konzentration des S&P 500 zwischen 15 und 25 Prozent (siehe Abbildung 1). Der Durchschnitt lag bei ungefähr 20 Prozent. Zum Vergleich: Wären alle Unternehmen stets gleich groß, läge die Konzentration bei lediglich zwei Prozent. Eine Konzentration auf wenige Titel und ein damit einhergehendes Konzentrationsrisiko ist also historisch nicht neu. Sie entsteht auf natürliche Art und Weise dadurch, dass einzelne Unternehmen wirtschaftlich erfolgreicher als andere sind und so stärker wachsen können.

Konzentration am Aktienmarkt durch Big-Tech - die neue Normalität? -

Neu sind allerdings die Höhen, in die sich die Konzentration aufgeschwungen hat. Mit kurzer Unterbrechung zu Beginn der Corona-Pandemie ist die Konzentration im S&P 500 wie an der Schnur gezogen auf über 35 Prozent geklettert. Genau genommen steigt sie seit dem Jahr 2015, also bereits seit zehn Jahren.

Grund für die aktuelle Konzentration des S&P 500 sind die massiven Kursgewinne der Technologieunternehmen in der jüngeren Vergangenheit. Die fortlaufende Digitalisierung und hohe Erwartungen an die zukünftige Leistung von Systemen künstlicher Intelligenz (KI) haben bewirkt, dass sich Aktien wie Nvidia, Microsoft und Meta vom Markt abgesetzt haben. Heute sind neun der aktuell zehn größten Aktien dem Tech-Sektor zuzuordnen.1

Wie hat sich Konzentration in der Vergangenheit auf- und abgebaut?

Fragt man sich, wohin die aktuelle Situation führen könnte, hilft zunächst der Blick in die Vergangenheit: Die Dotcom-Krise, die große Finanzkrise, die Corona-Krise und der Tech-Winter des Jahres 2022 stehen jeweils in Zusammenhang mit dem Aufbau bzw. Rückgang der Konzentration im S&P 500.

Konzentration am Aktienmarkt durch Big-Tech - die neue Normalität? -

In der Dotcom-Zeit Ende der 1990er Jahre waren die Gewinnerwartungen für Technologie-Unternehmen sehr hoch und die Nachfrage nach den zugehörigen Aktien enorm. Dies erzeugte eine Konzentration im S&P 500. Als die sogenannte Dotcom-Blase Anfang des Jahres 2000 platzte, baute sich auch die Konzentration wieder ab. Jedoch waren nicht nur Tech-Unternehmen unter den größten 10 Aktien des Index vertreten. Unter anderem befanden sich auch die Aktien ältere etablierter Unternehmen wie Citigroup, Walmart und Exxon Mobil hierunter. Letztere wurden nicht abrupt von den fallenden Kursen der Tech-Unternehmen beim Platzen der Blase Anfang des Jahres 2000 erfasst. Mit den fallenden Kursen baute sich die Konzentration dementsprechend auch nur langsam ab.

In der Finanzkrise war dies anders. Als der US-Aktienindex ab dem Jahr 2007 zu fallen begann, waren zwar zwei Banken unter den größten Titeln, es lag aber keine bedeutende Konzentration vor. Erst mit dem deutlichen Kursverfall im Jahr 2008 entstand eine Konzentration, die aus etablierten Tech-, Öl- und Pharma-Titeln bestand, die sich verhältnismäßig gut in der Krise halten konnten. Durch die schnell einsetzende Erholung der übrigen Titel baute sich jedoch bereits im Frühjahr des Jahres 2009 die Konzentration wieder ab. Die Konzentration im S&P 500 während der Finanzkrise wurde also entgegen der Konzentration der Dotcom-Zeit von einem Kursrutsch erzeugt und durch die Kurserholung wieder aufgelöst.

Der Kurssturz zu Beginn der Coronakrise hatte keinen großen Einfluss auf die Konzentration, da er den gesamten Markt herunterriss. Erst mit der Erholung der Kurse und dem verstärkten Fokus der Anleger auf Unternehmen, die von der Pandemie profitierten, erhöhte sich kurzfristig die Konzentration.

Im darauffolgenden Tech-Winter des Jahres 2022 fielen große Tech-Aktien massiv im Preis. Am Markt gab es erhebliche Zweifel an den zukünftigen Gewinnen der Unternehmen. Gleichzeitig wiesen die Tech-Titel eine besonders hohe Zinssensitivität auf, da ihre erwarteten Gewinne meist weit in der Zukunft liegen. Die hoch aufgetürmte Konzentration fiel drastisch ab.

Der Auf- und Abbau von Konzentration eines Aktienindex kann also nicht einfach mit platzenden Blasen erklärt werden. Es ist ein vielschichtiger Vorgang, der durch unterschiedliche Faktoren entstehen kann. Ein Kurssturz führt nicht zwangsläufig zu einem Abbau von Konzentration.

Ein neues Level an Konzentration durch Digitalisierung?

Nicht geklärt ist damit aber der Anstieg der Konzentration auf neue Rekordhöhen. Selbst die Corona-Pandemie und der Tech-Winter konnten diese Entwicklung nicht aufhalten. Vieles spricht dafür, dass die Digitalisierung und neuerdings KI die Struktur der Wirtschaft nachhaltig verändert haben und wir uns an neue Konzentrationsniveaus – getrieben durch die großen Technologiekonzerne - gewöhnen müssen.

Zahlreiche Produkte verfügen über digitale Komponenten, wie es sie in der Vergangenheit nicht gab. Die Fälle reichen von der Automobilindustrie bis hin zu Kinderspielzeug. Ganze Unternehmen verlagern ihre Geschäftsfelder, so dass ein Buchhändler zunächst zu einem Onlineversandhandel und schließlich zu einem Cloudanbieter wird. KI-Elemente lassen sich aus dem Software-Engineering, der Bild- und Textverarbeitung nicht mehr wegdenken. Unternehmen dieser Wertschöpfungskette, wie Microsoft oder Nvidia erlangen so immer wieder größere Marktstellungen, wodurch neue Anwendungen und Absatzmöglichkeiten erschlossen werden können.

Der sprunghafte Anstieg von Ausgaben für den Bau von Rechenzentren in den letzten zehn Jahren, welche die „Cloud“ bzw. die digitale Infrastruktur für diese Entwicklungen der Realwirtschaft bereitstellen, verdeutlicht den Trend. Seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2014 sind die Ausgaben von 1,6 Milliarden US-Dollar auf über USD 30 Milliarden pro Jahr angewachsen. Das entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 30 Prozent (siehe Abbildung 3).

Konzentration am Aktienmarkt durch Big-Tech - die neue Normalität? -

Die strukturelle Veränderung der Wirtschaft zeigt sich auch in der Bewertung. Wie von unserem Gründungsdirektor Thomas Mayer1 bereits angemerkt, spricht vieles dafür, dass sich ein nachhaltiger Anstieg der Bewertung von US-Aktien hervorgetan hat. Während historisch betrachtet der S&P 500 um ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 15 schwankte, ist dies seit den 1990er Jahren angestiegen und schwankt nun um einen Wert von 30. Dies bedeutet, dass bei den gleichen erwarteten Gewinnen der Kurs nun doppelt so hoch ist. Der Anstieg der Bewertung erfolgte nicht über alle Branchen gleich, sondern ist in Branchen mit einem verhältnismäßig geringem Kapitalstock wie dem Tech-Sektor stärker ausgeprägt.

New Normal oder Konzentrationsrisiko?

In einer einfachen Fortschreibung der jüngeren Entwicklung bleibt Big-Tech der Innovationsmotor der Weltwirtschaft. Die großen US-Tech-Konzerne bleiben die Indexschwergewichte und festigen ihr Oligopol im Bereich digitaler Technologien. Die übrigen Unternehmen nehmen die Innovationen auf, können damit aber nicht zu den Big-Tech-Unternehmen aufschließen, da die Tech-Konzerne die entstehenden Produktivitätsgewinne der übrigen Unternehmen zu großen Teilen abschöpfen können. Schutzwälle in Form eines Technik- und Wissensvorsprungs helfen dabei den Unternehmen ihre Vormachtstellung zu behaupten. Die zukünftige Bewertung der großen Tech-Titel kann so auch hoch bleiben, da vergangene Bewertungen und Wachstum bestätigt werden und Anleger weiter Wachstum erwarten. Die Konzentration des S&P 500 verbliebe auf hohem Niveau.

Aber der Innovationsmotor rund um KI könnte ins Stottern geraten. Innovation verläuft nun mal nicht geradlinig, sondern auch in Schüben. Und effizientere Algorithmen, die ähnlich leistungsstark sind, aber die Nachfrage nach Halbleitern verändern, von kleineren Unternehmen wie DeepSeek, können die Marktstellung der großen Player in Frage stellen. Unternehmen anderer Branchen könnten in dieser Zeit aufholen, in dem sie sich KI und andere Tech-Entwicklungen zu Nutze machen und damit relativ an Börsenwert gewinnen. Ein vorübergehender Rückgang der Konzentration im S&P 500 wäre die Folge. Die Renditen der neu gewonnenen Produktivitätsfortschritte würden die Unternehmen aber vermutlich wieder in Big-Tech Applikationen stecken wollen, was den Konzentrationsrückgang abmildern könnte.

Allerdings sprechen statistische Argumente für eine Rückkehr auf traditionelle Niveaus. Aktuell liegt die Bewertung gemessen am KGV der zehn größten Unternehmen des S&P 500 beim zweifachem der Bewertung des Gesamtindex. Damit ist auch dieses Verhältnis zu Zeiten hoher Konzentration historisch hoch und spricht für ein deutliches Konzentrationsrisiko, welches mittelfristig einen Abbau der Konzentration im S&P 500 nahelegt.

Konzentration am Aktienmarkt durch Big-Tech - die neue Normalität? -

Ebenfalls denkbar wäre, dass die Konzentration noch weiter steigt. Die Finanzkrise zeigte, dass durch ungleichmäßig fallende Kurse eine Konzentration entstehen kann. Ein exogener Schock, wie beispielsweise eine Erhebung von Importzöllen, würde die US-Wirtschaft insgesamt belasten. Die Tech-Konzerne, geschützt durch Elon Musk und andere Berater von Donald Trump, wären jedoch eventuell weniger betroffen. Um in einer möglichen Günstlingswirtschaft nicht zu kurz zu kommen, haben sich einige Tech-Manager schon in Stellung gebracht. Die Anwesenheit von Elon Musk (Tesla), Jeff Bezos (Amazon) und Mark Zuckerberg (Meta) in der ersten Reihe bei der Inauguration des neuen US-Präsidenten Donald Trump zeugen von dieser Verbindung. Die derzeit noch nicht genau umrissene Stargate-Initiative von Donald Trump deutet die staatliche Unterstützung von Big-Tech an. Die Konzentration würde in diesem Szenario noch weiter ansteigen.

Fazit

Digitale Lösungen sind tief in unser Leben und Arbeiten integriert und der Abstand zum historischen Mittelwert der Konzentration ist immens: Selbst, wenn die 10 größten Unternehmen in ihrem Börsenwert stagnieren, müsste sich der Börsenwert der anderen 490 Unternehmen mehr als verdoppeln, damit ein Rückgang von 35 % auf 20 % möglich wird. Stagnieren die aktuell 490 kleinsten Unternehmen, müssten die zehn größten Unternehmen mehr als die Hälfte ihres Börsenwerts verlieren.

Wer an die Innovationsfähigkeit der Technologieunternehmen auf die lange Sicht glaubt, der sollte auch von einer langfristig höheren Konzentration ausgehen.

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1 Stand 15.01.2025: In absteigender Reihenfolge des Börsenwerts. Apple, Nvidia, Microsoft, Amazon.com, Meta Plattforms, Tesla, Alphabet A, Alphabet B, Broadcom, Walmart. Der Börsenwert der Aktien entspricht 36,5 Prozent des Werts des gesamten Index.

2 Thomas Mayer: US-Aktienmarkt: Teuer, aber auch gut? Flossbach von Storch RI, 2024.

Glossar

Verschiedene Fachbegriffe aus der Welt der Finanzen finden Sie in unserem Glossar erklärt.

Die neuste Ausgabe der Position

„Welt in Unordnung“

Als langfristig denkende Investoren sind wir vorsichtig mit Superlativen. Und doch würden wir dem Jahrgang 2024 das Attribut „außergewöhnlich“ geben. Außergewöhnlich in vielerlei Hinsicht.
Im Fokus standen vor allem die USA. Die Wahl des neuen, alten Präsidenten. Oder der unerschütterliche Boom bei den großen Tech-Aktien. Nie war deren Gewicht in den internationalen Aktienindizes so groß wie in diesen Tagen. Geht die Rally weiter?
Die Erwartungen sind sehr hoch – möglicherweise zu hoch.
Insofern ist die Prognose, dass auch 2025 ein „außergewöhnlicher“ Jahrgang werden könnte, nicht allzu gewagt.

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