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Reispreiskrise! Die Bank von Japan in der Zwickmühle

- Gunther Schnabl , Christof Schürmann , Taiki Murai

1. Der Reispreis ist durch die Decke

In Japan ist der Reispreis durch die Decke gegangen. Der durchschnittliche Großhandelspreis lag im April 2025 bei 27.102 Yen pro 60 Kilogramm (Abb. 1). Das sind 452 Yen oder zum aktuellen Wechselkurs 2,77 Euro pro Kilo. Seit 2021 hat sich der Reispreis mehr als verdoppelt. Ein Fünf-Kilo-Sack kostete an den Ladenkassen im Mai 2025 im Durchschnitt 4.285 Yen, also mehr als fünf Euro pro Kilo.

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Inmitten dieser Reiskrise sagte Landwirtschaftsminister Taku Eto von der führenden Liberaldemokratischen Partei im Fernsehen, dass er keinen Reis kaufe, weil er von seinen Unterstützern so viel davon geschenkt bekomme. Den Japanern ist ihr Reis heilig! Eine Welle der Entrüstung zwang Eto schließlich zum Rücktritt.

Sein Nachfolger Shinjiro Koizumi, Sohn des ehemaligen Premierministers Junichiro Koizumi, hat angekündigt, zu den bereits freigegebenen 310.000 Tonnen ab Juni nochmals 300.000 Tonnen Reis aus staatlichen Notreserven zu verkaufen. Mit ca. 2.000 Yen pro 5 Kilo – also weniger als der Hälfte des aktuellen Marktpreises – wolle er die Abkehr der japanischen Konsumenten von japanischem Reis verhindern.

2. Mehr als 50 Jahre verfehlte Regulierung

Die Wurzeln der Reiskrise gehen in die 1970er Jahre zurück. Damals setzte der japanische Staat Anreize für die Reduktion der Anbauflächen (Gentan), um den Reispreis und damit die Einkommen der politisch einflussreichen Reisbauern zu stabilisieren. Die Bauern erhielten Subventionen für den Umstieg auf Futterreis oder andere Feldfrüchte, sodass die Reisproduktion seither stark gesunken ist (Abb. 2).

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2018 hat zwar der damalige Premierminister Shinzo Abe das Gentan-System offiziell abgeschafft. Inoffiziell weitete der Staat jedoch die Subventionen für die Produktion anderer Agrargüter aus, um die Einkommen der Landbevölkerung weiter hochzuhalten. Das Landwirtschaftsministerium gibt weiterhin „empfohlene Produktionsmengen“ für Reis vor, so dass sich kein freier Reispreis bilden kann.

Zudem ließ die Regierung erst ab dem Jahr 1993 schrittweise Reisimporte zu. Derzeit dürfen ca. 770.000 Tonnen Reis pro Jahr zollfrei ins Land, wobei 100.000 Tonnen davon als Speisereis angeboten werden, was rund 1,4 Prozent des gesamten Speisereisverbrauchs pro Jahr entsprechen dürfte. Darüber wird ein Zoll in Höhe von 341 Yen pro Kilogramm erhoben. Der derzeitige effektive Zollsatz dürfte bei etwas über 400 Prozent liegen.Nach Donald Trump sogar bei über 700 Prozent, was für den japanischen Landwirtschaftsminister jedoch nicht nachvollziehbar ist. 

3. Noch dazu Inflation

Zwar stehen in der öffentlichen Diskussion als Gründe eine schlechte Ernte im Jahr 2023 und der deutliche Anstieg der Touristenzahlen im Vordergrund. Trotzdem ist Ministerpräsident Shigeru Ishiba unter Druck, da seine Zustimmungsrate – nicht zuletzt aufgrund einer hohen Inflation – im Keller ist.

Im April lag die Konsumentenpreisinflation bei 3,6 Prozent (Abb. 3), also deutlich über dem Zwei-Prozent-Ziel der Bank von Japan. Im Mai wurde die Kerninflation ebenfalls bei 3,6 Prozent gemessen. Das schmerzt die Bevölkerung, weil nach mehr als 30 Jahren Stagnation seit 1998 die realen Löhne im Durchschnitt immer weiter gefallen sind.

Die jüngste Freigabe staatlicher Reisreserven kurz vor der Oberhauswahl wirkt nur kurzfristig, weil sie weder die Reisproduktion erhöht, noch mehr Importe anzieht. Es profitieren die großen Handelsketten wie Don Quijote oder Rakuten, da nur Ladenketten mit über 1.000 Tonnen Reis Umsatz pro Jahr Zugang zu den freigegebenen Reserven kriegen. Kleine Händler – insbesondere im ländlichen Raum – bleiben ausgeschlossen.

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4. Die Bank von Japan in der Zwickmühle

Die Bank von Japan hätte also längst die Zinsen erhöhen müssen. Doch die langfristigen Zinsen sind bereits stark angestiegen (Abb. 4), weil die Zentralbanken in den USA (und anderen Industrieländern) die Zinsen ab 2022 deutlich angehoben haben. Weitere Zinserhöhungen in Japan schaffen nicht nur höhere Zinslasten für den Staat, sondern potenzieren auch die Finanzmarktrisiken, wenn dadurch der Yen aufwertet (Schnabl und Schürmann 2024).

So hat die Landbevölkerung lange Zeit ihre – nicht zuletzt dank der staatlichen Hilfen – hohen Einkünfte u.a. bei der Bank für Land- und Forstwirtschaft (Norinchukinginko) eingelegt. Knapp die Hälfte der Vermögenswerte – ca. 47 Billionen Yen (ca. 287 Mrd. Euro) – hat die Norinchukin-Bank ins Ausland verbracht, weil es aufgrund der anhaltenden Niedrig-, Null- und Negativzinspolitik der Bank von Japan lange Zeit in Japan keine Zinsen gab. Gewinnt der Yen gegenüber dem Dollar an Wert, verlieren die Auslandsanlagen gerechnet in Yen an Wert.

Auch die japanischen Pensionsfonds haben große Teile der Rücklagen ins Ausland geschafft. Ende 2023 lagen die ausländischen Anlagen der japanischen Sozialkassen einschließlich Pensionsfonds immerhin bei 161 Billionen Yen (981 Mrd. Euro), wobei wie beispielsweise beim großen Government Pension Investment Fund die Wechselkursrisiken zu beträchtlichen Teilen nicht abgesichert sind. Die Bank von Japan steckt also in einer Zwickmühle zwischen Inflationsbekämpfung und Stabilisierung der Alterssicherungssysteme.

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5. Wie das Kaninchen vor der Schlange

Denn da sich die US-amerikanische Fed und die Europäische Zentralbank bereits wieder im Zinssenkungsmodus befinden, dürfte bei einer größeren Zinserhöhung in Japan der Aufwertungsdruck auf den Yen wachsen. Sobald sich die Aufwertungserwartungen verfestigen, könnte wie im Sommer 2024 eine panikartige Auflösung von Yen-basierten Carry-Trades1 einen Blitz-Crash durch die internationalen Finanzmärkte und damit die Alterssicherungssysteme der drastisch überalterten japanischen Gesellschaft schicken.

Wenn die Bank von Japan als Abwehrmaßnahme ihre Ankäufe von Staatsanleihen wieder stark erhöht, dann wäre zwar die Alterssicherung gerettet. Aber eine neue Geldschwemme dürfte dann die Preise einschließlich der Reispreise weiter nach oben treiben. Das erklärt, warum die Bank von Japan wie das Kaninchen vor der Schlange sitzt. Zwar will die Regierung mit weniger Emissionen von sehr langfristigen Anleihen den Zinsanstieg am sehr langen Ende der Zinsstrukturkurve eindämmen.

Doch das wird nicht viel helfen. Derzeit erwarten die Märkte, dass die Bank von Japan im Oktober die Zinsen erhöhen wird. Doch wenn etwa aufgrund der Trumpschen Handelspolitik der Dollar ab- und der Yen aufwertet, könnte auch das Gegenteil der Fall sein. Die Lage der Bank von Japan und der überalterten japanischen Gesellschaft ist zunehmend verzwickt. Eine Lösung für das Dilemma ist nicht in Sicht.

Literatur:

Schnabl, Gunther / Schürmann, Christof 2024: Zinserhöhungen und Stabilitätsrisiken: Japans geldpolitische Handlungsfähigkeit ist begrenzt. Flossbach von Storch Research Institute 20.8.2024.

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1 Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich schätzte die Yen-basierten Carry Trade 2024 vor dem Crash auf mindestens 40 Billionen Yen oder 250 Milliarden Dollar“.

 

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