Die großen Zentralbanken haben letztes Jahr die Neuverschuldung ihrer Staaten im großen Stil finanziert. Besonders aktiv war die Europäische Zentralbank.
Im Pandemiejahr 2020 versuchten die Regierungen mit expansiver Fiskal- und Geldpolitik den wirtschaftlichen Schäden der von ihnen zur Unterbrechung von Infektionsketten auferlegten Lockdowns zu begegnen. Da der Spielraum der Geldpolitik aufgrund der Bekämpfung der Finanzkrise von 2007/08 und den Anstrengungen zur Stimulierung des Wachstums in der Dekade danach weitgehend ausgeschöpft war, legten sie das Schwergewicht der Maßnahmen auf die Fiskalpolitik. Sie überließen es den Zentralbanken, diese Maßnahmen durch Geldschöpfung zu finanzieren. Im Folgenden untersuchen wir, wie viel die Zentralbanken zur Finanzierung der staatlichen Haushaltsdefizite in den USA, Japan und der Eurozone beigetragen haben.
Die US-Regierung gab den stärksten und die Eurozone den schwächsten Fiskalimpuls zur Überwindung der durch die Pandemie bedingten Rezession. Nach den Schätzungen und Projektionen der OECD lag das Budgetdefizit des US-Staatshaushalts im Jahr 2020 bei 9 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und wird dieses Jahr voraussichtlich 14 % betragen (Abbildung 1). In der Eurozone dagegen lag das für 2020 geschätzte Defizit bei 8,6 % des BIP und wird für 2021 auf 4 % des BIP vorhergesagt. Für Japan schätzt die OECD das Defizit in 2020 auf 13 % des BIP und prognostiziert es in 2021 auf 3,9 % des BIP.

Nachdem die Bank von Japan den Spielraum für Zinssenkungen schon im Verlauf der 1990er Jahre weitgehend ausgeschöpft hatte, begann sie in den frühen 2000er Jahren, die Geldmenge durch den Aufkauf von Staatsanleihen zu erhöhen. Damit betrieb sie zumindest indirekt die Finanzierung staatlicher Haushaltdefizite. Die Federal Reserve und die Europäische Zentralbank folgten der Politik der „Quantitativen Lockerung“ während der Finanzkrise 2007/08 und den Jahren danach. Mit dem Beginn der Corona Politik bekam diese Politik neuen Schwung.
Obwohl die Haushaltsdefizite der Eurostaaten letztes Jahr weniger stark anstiegen als in den USA und Japan, übernahm die Europäische Zentralbank den größten Teil ihrer Finanzierung. Das „Eurosystem der Zentralbanken“ (die EZB plus die nationalen Zentralbanken, das sogenannte ESZB) finanzierte über das „Programm zum Ankauf öffentlicher Wertpapiere“ (PSPP) und über das „Pandemie-Notfallankaufprogramm“ (PEPP) zusammen 95,5 % der 991 Mrd. Euro an neu emittierten Staatsanleihen der Eurostaaten. Dagegen erwarben die Federal Reserve und die Bank of Japan „nur“ 55 % bzw. 53 % der Netto-Neuemissionen ihrer Staaten (Abbildung 2).

Die Verteilung der Anleihekäufe im Rahmen des 2015 geschaffenen PSPP sollte dem Kapitalschlüssel des Eurosystems folgen, der sich nach den Bevölkerungsanteilen und dem Beitrag des jeweiligen Landes zum BIP im Euroraum richtet. So haben die Zentralbanken von Deutschland mit 26,4 % und Frankreich mit 20,4 % den größten Anteil am Kapital der EZB und profitieren daher am meisten von PSPP. Für PEPP, das 2020 zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie aufgelegt wurde, ließ die EZB jedoch Abweichungen vom Kapitalschlüssel zu. Sie scheint diese Flexibilität gut genutzt zu haben und kaufte im Jahr 2020 den Gegenwert von 117,1 % der italienischen und 113,4 % der spanischen neu emittierten Staatsanleihen. Im Gegensatz dazu finanzierte das ESZB 82,8% der deutschen und 65,9 % der französischen Neuemissionen von Staatsanleihen im Jahr 2020 (Abbildung 3). Vermutlich war die relativ hohe Allokation für Deutschland durch den Wunsch motiviert, nicht zu sehr vom Kapitalschlüssel abzuweichen, während die Allokationen für andere Länder durch die Absicht motiviert gewesen sein dürfte, die Spreads ihrer Anleiherenditen relativ zu Deutschland einzudämmen (Abbildung 4).


In den USA wurden die verbleibenden 45 % der neu emittierten Schuldtitel von Investmentfonds (24,3 %), einschließlich Geldmarktfonds, ausländischen Anlegern (7 %) und anderen Investoren, wie Banken und Pensionsfonds, gekauft. Ausländische Investoren halten immer noch die größte Menge an ausstehenden staatlichen Schuldtiteln (30 %), während die Fed mit 21,7 % an zweiter Stelle steht. In Japan erwarben die Banken 24,5 % der neu emittierten Staatsanleihen, während ausländische Investoren 16,6 % kauften. Die BoJ hält 44 % der ausstehenden Schuldtitel des Staates, der Finanzsektor liegt mit 38 % an zweiter Stelle und ausländische Investoren besitzen 13,4 %.
Die Zentralbanken haben sich in eine schwierige Lage manövriert. Indem sie aktiv in die Märkte für Staatsanleihen eingreifen, erleichtern sie die Emission größerer Mengen an Staatsanleihen zu niedrigen Zinsen und setzen sich damit dem politischen Druck aus, der Finanzierung von Staatsschulden Vorrang vor der Preisstabilität zu geben. Sobald die Finanzmarktteilnehmer dies erkennen, steigen die Inflationserwartungen und die Marktzinsen. Dies schafft für die Zentralbanken das Dilemma, zu einer Politik der "Yield Curve Control" überzugehen, wie sie bereits von der Bank of Japan praktiziert wird, oder bei weiter steigenden Marktzinsen erneut finanzielle und wirtschaftliche Instabilität in Kauf zu nehmen.
Vorerst scheint die Federal Reserve die steiler werdende Zinskurve im Markt für US-Staatsanleihen zu akzeptieren, während die EZB durch verbale Interventionen und eine Beschleunigung der Staatsanleihekäufe eine indirekte Steuerung der Zinsstrukturkurve und der Spreads signalisiert hat. Sollten die Märkte die Renditen von Anleihen jedoch stark nach oben treiben, dürfte sowohl der Fed als auch der EZB keine andere Wahl bleiben, als dem Beispiel der BoJ zu folgen folgen und die Zinskurve durch gezielte Käufe längerer Laufzeiten abzuflachen. Um dem zu entgehen, bleibt ihnen nur noch die Hoffnung, dass sich ihre hauseigenen Prognosen einer anhaltend niedrigen Inflation als zutreffend erweisen.
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