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US-Gewerbeimmobilien und Finanzsektor: Das Jahr der Wahrheit?

- Christof Schürmann

Überlebe bis 2025 – so lautete das Motto am Immobilienmarkt, als vor knapp drei Jahren die Notenbanken weltweit begannen, die Zinsen zu erhöhen. Die damalige Hoffnung:  In diesem Jahr würden die Leitzinsen längst wieder niedriger liegen und mit ihnen die für die Refinanzierung wichtigen längerfristigen Zinsniveaus ebenfalls. Bis dahin würden sich Finanzierer und Halter von Immobilien schon durchwurschteln.

1. Langfristige Dollar-Zinsen zurück auf Zwischenhochs

Während erstere Hoffnung mit deutlich rückläufigen Notenbankzinsen der US Federal Reserve (Fed) und der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Teil eingetroffen ist, gilt das für die langfristigen Zinsen für Staatsanleihen nicht oder nur eingeschränkt. Die Renditen zehnjähriger US-Staatspapiere (US Treasuries) etwa sind seit September 2024 um zeitweise mehr als 100 Basispunkte (gleich ein Prozentpunkt) gestiegen, während die Fed im gleichen Zeitraum die Zinsen um 100 Basispunkte gesenkt hat (Abbildung 1).

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Die langfristigen US-Zinsen sind damit wieder auf den Niveaus, die sie im Zuge der Zinserhöhungen der Fed im jüngsten Zyklus erreicht hatten. Eine außergewöhnliche Entwicklung, die viele auf dem falschen Fuß erwischt. Zurückzuführen könnte die Diskrepanz aus rückläufigen Kurzfrist- und steigenden Langfristzinsen auf die unsolide Entwicklung der US-Staatsfinanzen und anhaltendem Inflationsdruck sein.

Wer gedacht hat, bald endlich seine Bilanz günstiger in US-Dollar zu finanzieren, der sieht sich also getäuscht. Das wieder erhöhte langfristige Zinsniveau hat Auswirkungen auf zahlreiche Teilmärkte. Emittenten von Unternehmensanleihen oder Hypothekenschuldner stehen vor der Herausforderung, ihre mit einem Aufschlag eng an die Rendite von US-Treasuries geknüpften Zinskosten deutlich teurer als erhofft stemmen zu müssen. Zu erwarten ist, dass einige daran scheitern werden. Die Frage ist nur: wie viele?

Ein Augenmerk sollten Investoren dabei auf einen wesentlichen Investmentmarkt legen: den für Gewerbeimmobilien (Commercial Real Estate/CRE). An diesem hängen zahlreiche Geschäfte von Banken und dem sogenannten Schattenbanksektor, zu dem beispielsweise Versicherer, Kreditfonds, Private Equity oder Pensionskassen zählen. Die durchschnittlichen Zinsen für CRE-Kredite von Banken mit Laufzeiten von fünf, sieben oder zehn Jahren lagen im Januar 2025 bei jeweils rund 6,7 Prozent. Finanzierungen über Commercial Mortgage-Backed Securities (besicherte gewerbliche Immobilien-Anleihen, CMBS) kosteten zwischen 7,1 und 7,4 Prozent. Im Jahr 2021 lag der durchschnittliche Zinskupon noch bei der Hälfte davon.

Schwierigkeiten bei Immobilien können die Märkte insgesamt in schwere Turbulenzen stürzen. Als Beispiele seien nur der Häuser-Crash in Japan Anfang der 1990er Jahre genannt und die 2007 einsetzende, vom Immobiliensektor ausgehende bisher letzte große Finanzkrise.

2. Hohes Volumen an fälligen Schulden

Schon im vergangenen Spätsommer warnte der Immobilienspezialist Jones Lang LaSalle (JLL) vor einem Schuldentsunami im US-Gewerbeimmobilienmarkt. Bis Ende 2025 würden 1,5 Billionen Dollar an Krediten fällig, ein Viertel davon sei ausfallgefährdet.  Laut Daten von Savills Investment Management sind in den kommenden Jahren sechs Billionen Dollar an Krediten fällig. Knapp die Hälfte davon lag per Jahresende 2023 auf den Büchern von Banken, ein knappes Viertel wurde über Commercial Mortgage-Backed Securities (CMBS) und börsennotierte Immobiliengesellschaften (REITs) finanziert, weitere knapp zwölf Prozent von Versicherern. Nach annähernd einer Billion Dollar an Fälligkeiten in diesem Jahr wird 2027 laut S&P Global die Spitze erreicht mit dann fälligen 1,26 Billionen Dollar (Abbildung 2).

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Eine Zunahme an Kreditausfällen erwartet die New York Life Investments, die 725 Milliarden Dollar an Kundengeldern verwaltet. Die Werte vieler älterer Bürogebäude befänden sich im freien Fall, so New York Life. Verkäufe von Bürogebäuden erzielten nur noch Preise 25 bis 50 Prozent unterhalb der Werte von vor der Corona-Pandemie. Bis ins vergangene Jahr hinein waren die Preise für Büroimmobilien laut Schätzungen um rund 35 Prozent gesackt. Der Bürosektor hat große Probleme, weil „Back-to-Office“ nicht die Regel ist.

Eine Auswertung von Bloomberg-Daten zeigt, dass sich in den US-amerikanischen Ballungsgebieten bei mit CMBS finanzierten Gewerbeimmobilien Ende 2024 ein Wertverlust von gut 24 Prozent zum vorherigen Bewertungs- (Finanzierungs-)Zeitpunkt (sogenannter Cutoff) einstellte, bei Büros sogar von knapp 50 Prozent. Büroimmobilien machen den Daten zufolge knapp zehn Prozent aller CMBS-Finanzierungen aus. Der weitaus größte Anteil (54,6 Prozent) sind unter Gewerbeimmobilien fallende Mehrfamilienhäuser, die zuletzt preislich knapp 16 Prozent unterhalb ihrer letzten Bewertung lagen.

Ein Hoffnungsschimmer: Dank des hohen Gewichts bei dem sich stabilisierenden Mehrfamilienhäuser-Markt erholten sich 2024 die Preise für alle US-Gewerbeimmobilien vom Tief, zeigen Daten der Federal Reserve of St. Louis (Abbildung 3).

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Der Gewerbeimmobilienspezialist Green Street beobachtete für sein Universum per Jahresende 2024 einen Anstieg der Preise von fünf Prozent. Die Aussichten für 2025 seien jedoch nicht rosig. Grund sei der Anstieg der US-Treasury-Renditen. Besonders Büros dürften weiter unter Druck stehen. Laut der Ratingagentur Moody’s ist der Leerstand in den USA auf Rekordhöhen:  902 Millionen Quadratmeter warten auf die Rückkehr von  Angestellten und Selbständigen  – das entspricht der Fläche von gut 126.000 Fußballfeldern.

Ein Preisanstieg, der auch Besicherungen für Kredite erleichtern würde, könnte sich in erster Linie bei dauerhaft niedrigen Zinsen einstellen. Zuletzt schwand jedoch an den Märkten die Hoffnung, dass die Federal Reserve in absehbarer Zeit weiter und vor allem deutlich die Leitzinsen nach unten schleusen wird. Im Gegenteil gibt es erste Stimmen, die sogar Zinserhöhungen nicht ausschließen.

Hohe Kapitalisierungssätze führen bei Immobilien – wie bei Sachwerten üblich – zu niedrigeren Preisen. Investoren bestimmen den aktuellen Wert über die zukünftigen Erträge, die auf den heutigen Zeitpunkt abgezinst werden. Steigt dieser Zins (plus möglicherweise einer Risikoprämie), dann sind künftige Erträge heute weniger wert als vorher.

Niedrigere Preise bei Immobilien verringern die Besicherungsmöglichkeiten. Das verteuert die Refinanzierung zusätzlich zu den ohnehin gestiegenen langfristigen Zinsniveaus.

3. Banken unter Druck

Besonders unter Druck stehen kleinere US-Banken, die in den vergangenen Jahren massiv ihre Geschäfte mit Gewerbeimmobilienkrediten ausgeweitet haben (Abbildung 4).

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Als Schlüsselrisiko-Indikator bei Banken gelten laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) Buchverluste auf Wertpapiere aus der sogenannten Held-to-Maturity- (HTM) Kategorie, worunter auch Gewerbeimmobilienpapiere fallen. Buchverluste (oder Buchgewinne) finden sich nach den Bilanzvorschriften der United States Generally Accepted Accounting Principles (US GAAP) in zwei Kategorien: bei HTM und bei Available-for-Sale (AFS). HTM-Wertpapiere sind klassifiziert als Anlagen, die bis zur Fälligkeit gehalten werden sollen. AFS-Papiere sind in der Klasse „zur Veräußerung“ verbucht.

AFS-Anlagen sind in der Bilanz marktnah bewertet, mögliche Abweichungen zwischen Buch- und Marktwert landen in der sogenannten Gesamtergebnisrechnung (other comprehensive income/OCI), einem Nebensaldo der klassischen Gewinn- und Verlustrechnung. Das Ergebnis dieses OCI ist umgehend eigenkapital-, aber zunächst nicht gewinn-wirksam.

HTM-Anlagen sind zu fortgeführten Anschaffungskosten (amortised cost) auszuweisen. Sie verändern das Eigenkapital (und wiederum die Gewinn- und Verlustrechnung) eines Finanzkonzerns erst nach einem Verkauf. Differenzen von Markt- zu Buchwert sind die Regel, sodass Investoren innerhalb dieser Kategorie entweder stille Reserven oder stille Lasten finden.

Bis in die Zehnerjahre dieses Jahrhunderts hinein spielten die beiden Buchungskategorien eine nur untergeordnete Rolle. Mit Corona und Zinswende änderte sich dies: vermutlich, um Verluste aus niedrigeren Marktwerten zu kaschieren. Nach rekordhohen 2.795 Milliarden Dollar Ende 2022 lagen die HTM-Anlagen der US-Banken per 30. September 2024 bei 2.350 Milliarden Dollar gut 140 Prozent höher als noch im Sommer 2020, oder 14-Mal so hoch wie im Tief 2008.

Zwar haben sich Buchverluste aus HTM- und AFS-Anlagen binnen eines Jahres per 30. September 2024 von 684 auf 364 Milliarden Dollar verringert (Abbildung 5).

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Allerdings fällt diese Verringerung in die Zeit deutlich rückläufiger Kapitalmarktzinsen, die die Kurse und Bewertungen bestehender Anlagen angehoben hatten. Die jüngste deutliche Umkehr bei den langfristigen Zinsen dürfte die Buchverluste um einen dreistelligen Milliardenbeitrag erhöhen. Daten zum Jahresende 2024 sollte die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) Ende Februar bis spätestens Mitte März ermittelt haben.

Besonders hohe absolute Buchverluste aus HTM-Papieren weisen US-Großbanken aus, an der Spitze die Bank of America. Bei ihr waren die Verluste ebenfalls rückläufig auf zuletzt knapp 86 Milliarden Dollar (per 30. September 2024).  Die Wall-Street-Großfinanz weist gute Kapitalpuffer aus, was die Risiken aus Buchverlusten relativiert.

Insgesamt erschwert ist das Funding, die Finanzierung über Kundeneinlagen, das weniger bei den Großbanken, umso mehr aber im US-Regionalbankensektor mangels geringeren Zuganges zum Kapitalmarkt eine große Rolle spielt. Seit Jahren stagnieren dort die Einlagen. Grund: Geldmarktfonds sind im Zuge der höheren Zinsen für Anleger oft lukrativer, weil renditeträchtiger. Hier wachsen denn auch die Einlagen deutlich (Abbildung 6).

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Spiegelbildlich zu den Leitzinssenkungserwartungen und den Renditen langjähriger US-Staatspapiere bewegen sich auch die Marktkapitalisierungen im US-Regionalbankensektor. Die Hoffnung auf Entspannung an den Zinsfront trieb die Werte im November 2024 auf ihr altes Zwischenhoch von Anfang 2022, zuletzt knickten sie wieder ein – bei parallel steigenden Langfrist-Renditen und sinkenden Hoffnungen, was weitere Zinssenkungen der Federal Reserve betrifft (Abbildung 7).

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4. Zahlungsrückstände steigen

Das höhere langfristige Zinsniveau wird nicht nur Buchverluste wieder ausweiten, Refinanzierungen und Wertaufholungen bei den als Sicherheiten dienenden Immobilien erschweren, sondern auch die Zahlungsmoral weiter eintrüben.

So sind die Zahlungsrückstände der US-Banken bei eigengenutzten Gewerbeimmobilien im dritten Quartal 2024 gestiegen. Die Ausfallrate bei gewerblichen Immobilienkrediten, die durch nicht selbst genutzte Immobilien besichert sind, erhöhte sich bei Banken mit einer Bilanzsumme von mehr als 100 Milliarden Dollar ebenfalls leicht und liegt nun bei knapp fünf Prozent. Ausfallraten bis drei Prozent gelten in der Regel als gut tragbar.

Laut FDIC steigt die Zahl der Banken auf ihrer „Problemliste“ weiter an, auf zuletzt 68 Institute. Die schwache Nachfrage nach Büroflächen führe zu sinkenden Immobilienwerten, so die FDIC: „Die in den vergangenen Jahren gestiegenen Zinssätze beeinträchtigen die Rückzahlungs- und Refinanzierungsmöglichkeiten von Büro- und anderen CRE-Kreditnehmern.“ Die Verzugsquote bei Krediten für nicht eigengenutzte Gewerbeimmobilien habe den höchsten Stand seit dem dritten Quartal 2013 erreicht.

Die Kreditrückstände bei mit CMBS finanzierten US-Büroimmobilien sind im Dezember sogar auf einen Rekordwert von elf Prozent gestiegen. Sie liegen damit 0,3 Prozentpunkte über ihren alten Höchstwerten während der Finanzkrise 2008, so der US-Immobiliendatenanbieter Trepp. Seit dem Herbst 2022 haben sich die Zahlungsrückstände fast versiebenfacht – so schnell wie noch nie. Nicht einmal berücksichtigt sind dabei Rückstände von Darlehen, bei denen Zinsen noch bedient werden, die Tilgung jedoch schon oder bis auf Weiteres nicht mehr.

Die US-Großbank Wells Fargo etwa erwartet aus ihren Krediten für Büroimmobilien bis zu drei Milliarden Dollar an Verlusten. Laut der Ratingagentur Fitch nähern sich CRE-Problemkredite bei nicht selbstgenutzten Objekten mit einem Volumen von knapp 21 Milliarden Dollar dem Niveau aus der bisher letzten Finanzkrise an

Fazit

Mit Donald Trump im Oval Office erwarten Optimisten Rückenwind für die US-Wirtschaft. Steuersenkungen und Deregulierungen sollten die Konjunktur stützen, was grundsätzlich auch dem Gewerbeimmobilienmarkt helfen sollte.

Entscheidend sind aber die Zinsniveaus. Fängt Trump nicht die hohen US-Defizite ein, und zieht die Inflation wieder an, könnte sich die ohnehin schon schwierige Finanzierungssituation bei US-Gewerbeimmobilien und besonders bei Büros  verschärfen, den Banken- und Schattenbanksektor treffen und zu einer auf andere Märkte überspringenden Krise führen.

Glossar

Verschiedene Fachbegriffe aus der Welt der Finanzen finden Sie in unserem Glossar erklärt.

Die neuste Ausgabe der Position

„Welt in Unordnung“

Als langfristig denkende Investoren sind wir vorsichtig mit Superlativen. Und doch würden wir dem Jahrgang 2024 das Attribut „außergewöhnlich“ geben. Außergewöhnlich in vielerlei Hinsicht.
Im Fokus standen vor allem die USA. Die Wahl des neuen, alten Präsidenten. Oder der unerschütterliche Boom bei den großen Tech-Aktien. Nie war deren Gewicht in den internationalen Aktienindizes so groß wie in diesen Tagen. Geht die Rally weiter?
Die Erwartungen sind sehr hoch – möglicherweise zu hoch.
Insofern ist die Prognose, dass auch 2025 ein „außergewöhnlicher“ Jahrgang werden könnte, nicht allzu gewagt.

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