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US-Staatsanleihen: Der Druck nimmt zu

- Christof Schürmann

MAGA – Make America Great Again. Ob der Wahlkampfslogan des designierten US-Präsidenten Donald Trump irgendetwas mit der Realität zu tun haben wird, oder Wohltaten doch eher einer ihm nahestehenden Klientel zugutekommen werden, bleibt abzuwarten.

1. US-Staatsverschuldung steigt

Wenig Zweifel gibt es nur an einem: Die US-Staatsverschuldung wird wie schon in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten weiter steigen. Projektionen gehen davon aus, dass ein Präsident Trump bis 2035 den öffentlichen Schuldenberg um 7,75 Billionen Dollar vergrößern könnte. Im schlimmsten angenommenen Fall würde der fiskalische Zuwachs sogar 15,55 Billionen Dollar betragen. Schon im Basisszenario stiege die US-Verschuldung auf 43,6 Billionen Dollar, was rund einer Versiebenfachung seit 2002 entspräche oder einer Verhundertfachung seit dem Sommer 1969 (Abbildung 1).

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Nun lässt sich trefflich darüber streiten, welche Verschuldung ein Staat schultern kann, vor allem im Vergleich zu seiner Wirtschaftsleistung. Ende des Jahres dürften die USA bei einer Quote von Schulden zu Bruttoinlandsprodukt (BIP) von etwa 125 Prozent landen. Ende des zweiten Quartals 2024 lag sie unter Berücksichtigung sämtlicher staatlicher Zahlungsverpflichtungen laut Federal Reserve of St. Louis  bei 120 Prozent.1

Mit einer jährlichen durchschnittlichen Wachstumsrate des BIP von knapp zwei Prozent würde sich diese Quote bis 2035 nicht erhöhen, selbst wenn die zusätzlichen Schulden unter Trump wie im Basisszenario erwartet stiegen. Voraussetzung: Der Haushalt wäre ausgeglichen. Isoliert betrachtet würde das auch gegen den befürchteten Anstieg der Inflation sprechen. Die US-Schulden lägen aber dann immer noch doppelt so hoch gegenüber Quoten, die vor gar nicht allzu langer Zeit als solide galten: Der Maastricht-Vertrag sah für die Euro-Länder ein Verhältnis von Schulden zu BIP von maximal 60 Prozent vor. Aktuell liegen die USA zwischen dem stark verschuldeten Frankreich und Hochschuldenländern wie Italien oder Griechenland, zeigt eine Übersicht des Bundesfinanzministeriums.

Entwarnung ist also Fehlanzeige. Zudem drohen große Lücken im US-Haushalt. Das Congressional Budget Office (CBO)  geht davon aus, dass das Haushaltsdefizit der USA im Verhältnis zum BIP in den nächsten 30 Jahren erheblich ansteigen wird: auf 8,5 Prozent im Jahr 2054. Dieser Anstieg werde auf steigende Zinskosten und hohe, anhaltende Primärdefizite (gleich den Haushaltsdefiziten ohne Zinszahlungen) zurückzuführen sein. Für das laufende Fiskaljahr gehen Schätzungen von einem Haushaltsdefizit von rund sechs Prozent des erwarteten BIP oder 1,9 bis 2,0 Billionen Dollar aus. Im abgelaufenen Fiskaljahr (per 30. September 2024) lag das Defizit bei 1,83 Billionen Dollar.

Deswegen, aber auch unabhängig von Schulden- und Wachstumsszenarien, sollten Investoren der Finanzierungssituation der USA erhöhte Aufmerksamkeit schenken. Denn unterschwellig gibt es Trends, die Washington in Schwierigkeiten bringen könnten, wenn sich diese verfestigen sollten. Dazu zählt die Zinsentwicklung, die zunehmend angespannte geopolitische Lage und die Abkehr wichtiger Gläubiger vom Dollar. Das ist vor allem abzulesen an der rasanten Abwertung des Dollar gegenüber Gold.

2. Zinszahlungen gehen rapide nach oben

Die gegenüber ihren Tiefs inzwischen deutlich höheren Zinsen machen den USA schon jetzt zu schaffen. Die Nettozinszahlungen der US-Regierung sind im Fiskaljahr 2024 (30. September) auf 882 Milliarden Dollar gestiegen (Vorjahr: 659 Milliarden). Das sind vier Mal so viel wie noch im Jahr 2015 und inzwischen etwas mehr als etwa die Ausgaben für Verteidigung oder Gesundheit. Die Nettozinszahlungen machten 14 Prozent des Gesamtbudgets, das die US Treasury Behörde mit 6,75 Billionen Dollar angibt, aus. Knapp die Hälfte des Budgets bestand aus Transfers (Social und Income Security, Health, Veteran Services).

Im Juni prognostizierte das CBO, dass sich die jährlichen Nettozinskosten im kommenden Jahrzehnt fast verdoppeln würden – von zuletzt 882 Milliarden auf 1,7 Billionen Dollar im Jahr 2034. Über zehn Fiskaljahre von 2025 an summierte sich das Defizit bis dahin auf 12,9 Billionen Dollar. Diese Summe käme auf den unterstellten „Trump-Effekt“ von im Basisszenario 7,75 Billionen Dollar obendrauf. Selbst bei einem Wirtschaftswachstum von jährlich zwei Prozent bliebe die Schuldenquote zum BIP nicht annähernd konstant. Plus der Haushaltsdefizite spränge sie dann auf 159 Prozent. Bei einem Wachstum bis 2034 von jährlich drei Prozent wären es immer noch 145 Prozent.

3. Diverse Finanzierungsquellen

Das stellt Fragen nach der mittel- bis langfristigen Finanzierung. Die Hauptfinanzierungsquelle der Vereinigten Staaten sind Staatsanleihen (US Treasuries) mit Laufzeiten zwischen 2 und 30 Jahren. 20- und 30-jährige Papiere fallen unter die US-Treasury-Bonds (T-Bonds), 2- bis 10-jährige Anleihen unter die T-Notes. Diese haben in der Mehrzahl jeweils feste Zinskupons. Eine noch geringe Rolle spielen Anleihen mit variablem Zins und zweijähriger Laufzeit (Floating Rate Notes). Stärker im Angebot sind Papiere, deren Rendite an die Inflation gekoppelt ist (Treasury Inflation-Protected Securities, kurz TIPS). Eine zweite wesentliche Rolle für die Finanzierung spielen kurzlaufende Anleihen (T-Bills), die nach 4 bis maximal 52 Wochen fällig werden (Tabelle 1).

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Dritte Säule sind Papiere, die nicht an den Märkten notieren, also keinem laufenden Handel unterliegen.

Per Ende September 2024 standen gut 27,7 Billionen Dollar an marktgängigen US-Treasuries aus. Davon hatten 33 Prozent (9,1 Billionen) eine Restlaufzeit von weniger als einem Jahr, weitere 35 Prozent Restlaufzeiten von einem Jahr bis zu fünf Jahren (9,8 Billionen), 14 Prozent fünf bis zehn Jahre Restlaufzeit (4,0 Billionen), acht Prozent (2,3 Billionen) 10 bis 20 Jahre und weitere zehn Prozent (2,6 Billionen) bis zu 30 Jahre Restlaufzeit.

4. Exorbitantes Privileg schwindet langsam

Der US-Treasury-Markt gilt seit Jahrzehnten als sicherer Rückzugsort von Investoren weltweit und von staatlichen Institutionen. Die US-Währung ist nach Erhebungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich bei 88 Prozent aller Devisentransaktionen beteiligt. Der Dollar mit seinem „exorbitanten Privileg“ spielt hier seine Vorteile aus. Das Privileg, die weltwichtigste Währung zu sein, gilt zweifellos. Gemessen am Anteil an den Weltwährungsreserven schwindet jedoch die Bedeutung des Dollar seit der Jahrtausendwende (Abbildung 2).

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Dabei sind die USA in Zeiten hoher Haushaltsdefizite, die auch 2026 und 2027 laut bisherigen Schätzungen bei um die sechs Prozent vom BIP betragen könnten, auf eine Nachfrage nach Dollar angewiesen.

Kein Wunder, dass Trump Ende November den sogenannten BRICS-Staaten mit Zöllen "von 100 Prozent" drohte, sollten sie sich vom Dollar abwenden. Damit bestätigte der designierte US-Präsident die Einschätzung, dass die USA einem Angriff auf das exorbitante Privileg des Dollar nicht tatenlos zusehen werden.

Der Dollar ist auch deswegen angreifbarer, weil die Haushaltsdefizite inzwischen problematischer sind, als es noch vor wenigen Monaten den Anschein hatte. Denn Stand jetzt wird es mit der Finanzierung neuer und der Refinanzierung alter Schulden deutlich teurer als noch im Spätsommer. Mit Renditen von 4,21 Prozent (3. Dezember) liegen zehnjährige US-Treasuries bereits wieder spürbar höher als vor der Zinssenkung der Federal Reserve im September (damals 3,65 Prozent). Die Lockerung bei den Leitzinsen – im November gab es eine weitere – erreicht also das „lange Ende“ nicht mehr. Ohnehin ist der Durchschnittszins auf US-Schulden auf dem aufsteigenden Ast, müssen doch zum Teil in der Vergangenheit sehr günstig finanzierte Schulden nun zu einem höheren Zins gerollt werden (Abbildung 3).

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Das US-Finanzministerium selbst geht bei seinen Annahmen auf Basis von aktuell am Markt implizierter Renditen davon aus, dass sich die Zinsen für zehnjährige US-Treasuries im Laufe der Jahre stetig erhöhen und Anfang der 2030er Jahre auf mehr als fünf Prozent steigen werden.

5. Recht lange Restlaufzeit täuscht

Zwar sieht die durchschnittliche Restlaufzeit der US-Schulden mit zuletzt 71 Monaten, also fast sechs Jahren, auch im historischen Vergleich auf den ersten Blick komfortabel aus (Abbildung 4).

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Allerdings müssen die USA inklusive des erwarteten Haushaltsdefizits im laufenden Fiskaljahr voraussichtlich mehr als elf Billionen Dollar neu und re-finanzieren, sollte die neue Trump-Administration nicht umgehend Sparpotenziale entdecken und umsetzen.

Gemessen an der Nachfrage haben die USA noch keine Probleme, neue Papiere an den Markt zu bringen. Bei den kurzlaufenden T-Bills liegen laut US-Finanzministerium geglättete sogenannte Bid-to-Cover-Ratios seit Jahren ziemlich konstant bei gut 2,5 bis mehr als 3,0. Einer der wichtigsten Käufer ist Warren Buffett, der über seine Berkshire Hathaway Holding zuletzt solche Papiere über 288 Milliarden Dollar hielt – knapp fünf Prozent aller T-Bills.

Bei länger laufenden Anleihen lagen die geglätteten Bid-to-Cover-Ratios in den vergangenen Jahren ebenfalls ziemlich konstant bei rund 2,3 bis rund 2,8. Das sind solide Werte. Ratios, die über einen längeren Zeitraum unter 2,0 fallen, gelten als Indiz einer geringen Nachfrage.

6. Auslandsnachfrage abgeschwächt

Rückläufig ist das Interesse ausländischer Gläubiger, die zuletzt bei neu emittierten, zwei- bis fünfjährigen Anleihen nur noch rund zwölf Prozent des Volumens abnahmen – ein Fünfjahrestief. Bei 7- bis 30-jährigen Papieren pendelte das Niveau in den zwölf Monaten per Ende September bei rund 13 bis 14 Prozent. Am stärksten von Ausländern nachgefragt (private Investoren und offizielle Institutionen) waren das Jahr 2024 über T-Bills. Von Januar bis September nahmen ausländische Investoren je Monat gut 80 bis maximal gut 100 Milliarden Dollar an US-Schuldpapieren ab, davon machten T-Bills jeweils knapp bis gut die Hälfte aus.

Ausländer hielten zuletzt 19 Prozent aller T-Bills und 34 Prozent aller anderen Treasuries, was beides im historischen Kontext niedrige Niveaus sind. Gemessen an der gesamten US-Verschuldung ist der Anteil der Auslandsfinanzierung seit zehn Jahren deutlich rückläufig und lag zuletzt bei gut 24 Prozent. Der Anteil liegt aber noch höher als zu Beginn des Jahrhunderts (Abbildung 5).

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Größter einzelner Gläubiger von US-Schuldpapieren ist die Federal Reserve mit knapp 4,4 Billionen Dollar (per 31. August). Im Ausland sind die USA mit 8,5 Billionen Dollar verschuldet, an erster Stelle in Japan (Abbildung 6).

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Die wichtigsten Abnehmer von US-Staatsanleihen fahren ihre Bestände zurück. An erster Stelle steht hier die Federal Reserve, die im Rahmen ihres Quantitative Tightening den Bestand an Treasuries um gut 1,4 Billionen Dollar oder um ein knappes Viertel abgebaut hat. Sogar 40 Prozent weniger als zu Spitzenzeiten hält China, während Japan unter leichten Schwankungen annähernd gleichbleibend investiert ist (Abbildung 7).

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Eine wichtige Rolle spielt der US-Bankensektor, der zuletzt einen Bestand an US-Securities von knapp 4,4 Billionen Dollar verbuchte. Seit der Finanzkrise hat sich dieser Bestand rund vervierfacht (Abbildung 8).

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Allein die größte US-Bank JP Morgan Chase hielt per Jahresende 2023 US-Staatspapiere im Gegenwert von rund 220 Milliarden Dollar. (US)-Staatsanleihen gelten im Sinne der Regulierung als so sicher, dass Banken sie nicht mit Eigenkapital unterlegen müssen.

US-Geldmarktfonds hielten zuletzt (per 30. Juni 2024) gut 2,4 Billionen Dollar an US-Treasuries, Investmentfonds knapp 1,4 Billionen Dollar und ETFs 523 Milliarden Dollar. Im Zuge der gestiegenen Zinsen finden US-Staatspapiere auch beim gemeinen Bürger wieder deutlich stärkeren Anklang: Mit 2,75 Billionen Dollar waren US-Haushalte (inklusive Non-Profit-Organisationen) gegenüber dem Jahresende 2021 zuletzt mit der 5,5-fachen Summe investiert. Sie schließen damit die Lücke, die die Federal Reserve mit ihrem Abbau aufreißt.

7. Dollar wertet gegen Gold ab

Der Preis des Dollar ist trotz der stark gestiegenen Schulden der USA relativ konstant, wenn die US-Währung an den wichtigsten frei konvertiblen Währungen gemessen wird. Maßstab dafür ist der US-Dollar-Index. Gegenüber dem Wert vor 20 oder 50 Jahren steht der Index laut des Datenanbieters Bloomberg aktuell kaum verändert. Seinen höchsten Wert erreichte der Index Ende 1984 bei gut 151. Im Tief lag der Index bei knapp 72 (Ende März 2008). Dieses Jahr über pendelte der Wert zwischen 100 und 107.

Das Manko des Index‘: Er vergleicht Währungen untereinander. Bei einem synchronen Abwertungslauf bliebe der Index deshalb konstant, trotz Kaufkraftverlusten. Deshalb ist der Index wenig tauglich, um über die innere Stärke des Dollar zu urteilen. Als traditionell bester Maßstab für das Vertrauen in den Dollar gilt Gold.

Der Goldpreis je Feinunze (31,1 Gramm) erreichte dieses Jahr annähernd 2.800 Dollar. In der Spitze bedeutete das ein Plus von 35 Prozent gegenüber dem Jahresanfang.

Die Treiber für einen so starken Anstieg sind nicht direkt auszumachen. Zwar zog die Nachfrage an, parallel dazu weiteten aber auch die Minen, die wichtigste Quelle für Gold, ihr Angebot aus (Abbildung 9).

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Die Differenz aus Minenangebot zu (höherer) Nachfrage wird aus recyceltem Gold gedeckt.2

Erstaunlicherweise zog der Goldpreis stark an, obwohl sich in den vergangenen zwei Jahren real, nach Abzug der Inflation, in den USA wieder positive Zinserträge erzielen ließen, was historisch betrachtet gegen Gold sprechen sollte. Allerdings bestätigt das die jüngere Historie nicht: Gemessen an den Leitzinsen der US-Notenbank Federal Reserve abzüglich der US-Verbraucherpreisentwicklung (Kerninflation, ohne Nahrungsmittel und Energie) lag der reale Zins über 15 Jahre fast durchgehend im negativen Terrain. Im selben Zeitraum durchschritt der Goldpreis ein tiefes Tal. Die Erwartung wäre ein Anstieg gewesen, weil die Haltungskosten für Gold bei einem negativen Realzins nicht mehr ins Gewicht fallen (Abbildung 10).

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Ein direkter Einfluss kurzfristiger Realzinsen auf Gold lässt sich seit rund 20 Jahren im Gegensatz zu den drei Jahrzehnten davor nicht mehr ablesen. Vielmehr sind es Schocks wie die Finanz- und Eurokrise oder Corona, die in der Rückschau betrachtet sich positiv auf Gold ausgewirkt haben. Erst in den letzten Phasen mit tief negativen Realzinsen löste sich auch Gold von seinen Zwischentiefs.

Angesichts wieder nun deutlich positiver Realzinsen, die nach traditioneller Lesart negativ für Gold sein sollten, muss die aktuell beschleunigte Gold-Hausse andere Ursachen haben: neben der Schuldenproblematik der USA und in zahlreichen anderen Ländern kommt da der massive geopolitischen Stress (Ukraine, Naher Osten, Taiwan) infrage.

8. Wer treibt Gold?

Als Treiber zu Beginn der aktuellen Goldhausse lässt sich China ausmachen. Über fünf Quartale – vom vierten Quartal 2022 bis zum vierten Quartal 2023 – stockte Peking seine Reserven von 62,64 auf 71,87 Millionen Feinunzen auf. Das passierte in einen moderaten Goldpreisanstieg hinein.

Bis Ende März 2024 kamen nach offiziellen Zahlen noch einmal 870.000 Feinunzen dazu, bis Ende Juni dann noch einmal deren 60.000. Seither sind Chinas Käufe versiegt. Diese offiziell gemeldeten geringen Zukäufe im Jahr 2024 können den starken Goldpreisanstieg nicht erklären.

Zwar zog nach jahrelanger Talfahrt die Investment-Nachfrage gemessen an goldgedeckten börsennotierten Indexprodukten (ETFs und ETCs) etwas an. Allerdings ist der Zuwachs viel zu gering, um hier einen den massiven Preisauftrieb bei Gold begründen zu können (Abbildung 11).

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Auch Russland kommt, schenkt man offiziellen Angaben Glauben, als Preistreiber nicht infrage: Ende Juni 2024 lagen die offiziellen Reserven lediglich gut sechs Tonnen höher als ein Jahr zuvor.

Die Nachfrage nach Schmuck war das Jahr 2024 über eher schwach. Rückläufig sind auch die direkten Käufe von Münzen und Barren. Beides bremst also eher die Preisentwicklung.

Eine Spur findet sich im zweiten Quartal 2024. Laut World Gold Council waren die außerbörslichen Investitionen (Over-the-counter-Geschäfte, OTC) mit 329 Tonnen sehr hoch und könnten zumindest teilweise den Goldpreisanstieg erklären. Im dritten Quartal lagen die OTC-Käufe zwar bei nur noch 137 Tonnen – das war allerdings doppelt so viel wie im Vorjahresquartal.

Nettokäufer blieben die Notenbanken. Allerdings schwächte sich hier die Nachfrage zuletzt deutlich ab (Abbildung 12).

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Damit fallen auch die offiziell insgesamt gemeldeten Notenbankkäufe als Begründung für einen starken Preisanstieg aus.

Alles in allem lässt sich zwar eine stetig gestiegene Goldnachfrage feststellen, für eine so massive Aufwärtsbewegung wie in diesem Jahr reicht diese aber bei weitem nicht als Erklärung aus. Denn der Wert allen geförderten Goldes ist in diesem Jahr allein um rund 4,4 Billionen Dollar gestiegen. Bis zum Ende des dritten Quartals 2024 holten Goldgräber über die Jahrtausende rund 216.300 Tonnen des Edelmetalls aus Gruben und Flüssen. Aktueller Gegenwert: 18,4 Billionen Dollar.

Gemessen an der jährlichen physischen Goldnachfrage sei der Anteil der sogenannten Schwellenländer in den vergangenen fünf Jahren auf 70 Prozent gestiegen, so der der Goldspezialist Incrementum. Mehr als die Hälfte entfalle dabei auf China und Indien. Inoffiziell könnte der Anteil der Schwellenländer noch höher sein. Die Goldhausse 2024 legt jedenfalls den Verdacht nach verdeckten Käufen nahe. China, das sich ja deutlich von US-Treasuries lossagt und zwangsläufig nach Alternativen suchen muss, könnte hier an erster Stelle stehen. Incrementum stützt diese Hypothese: Der enorme chinesische Goldappetit lasse sich etwa anhand der Prämie für chinesisches Gold zu offiziellen Preisen ablesen. Die Prämie läge oberhalb der offiziellen Preise am London Bullion Market, dem wichtigsten außerbörslichen Handelsplatz für Gold und Silber.

Auch Russland dürfte, nachdem anderes Vermögen im Zuge des Angriffskrieges auf die Ukraine eingefroren wurde, versucht sein, inoffiziell Gold zu erwerben. Die Beschlagnahmung russischer Reserven und Vermögen von Oligarchen im Jahr 2022 sei ein „Weckruf“ für zahlreiche Staaten und auch für vermögende Private etwa aus den Golfstaaten gewesen, so Incrementum. Statt weitere Immobilien in London oder New York zu erwerben, könnten Ersparnisse nun in das fungiblere Gold fließen.

Das ist längst besser handelbar als früher, da es zahlreiche mit Gold unterlegte Produkte gibt: ETFs oder ETCs etwa, bei denen die Anbieter physisch Gold einlagern, zum Teil mit Auslieferungsanspruch für die Investoren.

Um die Dominanz des Dollar als führende internationale Währung zu brechen, fehlt aber noch ein weiterer Schritt – ein System, das ohne Broker die Anteile zwischen einzelnen Personen transferierbar macht.

Fazit

Die USA stehen unter Druck. Die langfristigen Zinsen sind schon wieder gestiegen, obwohl sich die Federal Reserve in einem Zinssenkungszyklus befindet. Da sich die Schulden der USA sowohl absolut als auch relativ zum BIP in den vergangenen Jahren enorm erhöht haben, ist der Zinsdienst eine spürbare Haushaltsbelastung.

Die übermäßigen Ausgaben (oder zu geringen Einnahmen) der USA schieben die Kosten auf die jüngeren Generationen, sie untergraben das Wirtschaftswachstum und könnten längerfristig zu einer Schulden- und Finanzkrise führen.

Sollten die Defizite nicht rückläufig sein, ein Präsident Trump wie bisher erwartet zusätzliche Schulden auftürmt, und die Zinsen auf aktuellen Niveaus verharren, könnte sich das Haushaltsproblem ausweiten. Dann könnten nur ein dauerhaftes sehr starkes Wachstum helfen oder eine Inflation, um die Schulden real zu entwerten.

Dazu kommt, dass sich Schuldner aus geopolitischen Erwägungen vom Dollar abwenden, an erster Stelle China. Die Dominanz des Dollar könnte weiter bröckeln. Auch eine stärkere Vertrauenskrise aufgrund der geopolitischen Verwerfungen lässt nicht ausschließen.

Ein abruptes Ende der Dollar-Dominanz wird es aber nicht geben. Dazu sind die US-Wirtschaft und die Anziehungskraft von Dollar-Anlagen, darunter vor allem US-Aktien, zu stark. Zudem ist es nicht unmöglich, dass eine Kombination aus umfangreichen Einsparungen und damit verbundenem Wachstum den Schuldenstand der USA relativiert, was den Dollar stützen würde oder sogar zu einer höheren Attraktivität verhelfen könnte.

Einen Diversifikationseffekt erfüllt in erster Linie Gold mit seiner langen Tradition als Wertspeicher. Noch ist es nicht mehr. Allerdings wird es mit jedem Wertzuwachs und jedem weiteren Anstieg der US-Staatsverschuldung zum BIP ein kleines bisschen wahrscheinlicher, dass Gold als neue Reservewährung das Dollar-Privileg angreifen könnte.


1 Abzüglich innerstaatlicher Kredite wird die Verschuldung auf rund 100 Prozent zum BIP geschätzt

2 Der Preis gleicht Angebot und Nachfrage aus. Bei steigender Nachfrage und weniger stark steigendem Angebot steigt der Preis. Die Nachfrage weniger zahlungsbereiter Käuferschichten geht zurück und/oder deren Angebot nimmt zu.

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