Am 11. Dezember 2019 hat die EU-Kommission den europäischen grünen Deal (European Green Deal) vorgestellt. Dieser könnte mit seinem großen amerikanischen Vorbild, dem „New Deal“ des damaligen US-amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt mehr gemeinsam haben als nur den einprägsamen Namen. Der New Deal der Roosevelt Administration in den 1930er Jahren genießt heute fälschlicherweise den guten Ruf, zusammen mit der Umstellung auf die Kriegswirtschaft durch den Zweiten Weltkrieg, die Große Depression in den USA überwunden zu haben. Doch die Politik erzeugte auch ein hohes Maß an grundsätzlicher Unsicherheit über die Ausgestaltung der zukünftigen Wirtschaftsordnung und die Gültigkeit von Eigentumsrechten in den USA. Der New Deal könnte dadurch die Depression verstärkt statt gemildert haben.1 Ein ähnliches Risiko gibt es auch beim „Green Deal“.
Grund für negative Effekte des „New Deal“ war die Schaffung von „Regime Uncertainty“. Der amerikanische Ökonom Robert Higgs hat diesen Begriff in einem 1997 veröffentlichten Aufsatz geprägt.2 Er beschreibt damit eine allgemeine, grundsätzliche Unsicherheit in Bezug auf die Gültigkeit einer marktwirtschaftlichen Eigentumsordnung. Es geht um die Frage, „was Privateigentümer verlässlich von der Regierung erwarten können, wenn es darum geht, die Nutzung ihres Eigentums zu kontrollieren, das daraus resultierende Einkommen zu ernten und es zu für beide Seiten akzeptablen Bedingungen übertragen zu können.“3
Diese Regime Uncertainty ist zwar angelehnt an das Konzept von „Business Sentiment“ – Messungen oder einem Geschäftsklimaindex, geht aber sehr viel tiefer und betrifft die Einschätzung grundsätzlicher Fragen der Wirtschaftsordnung. Beispielsweise Steuergesetzgebung oder Regulierung sind unmittelbare Faktoren und spielen eine wichtige Rolle, aber auch die grundsätzliche Einstellung der Gesellschaft und des Staates zu Unternehmertum, Gewinnerzielung und Marktwirtschaft.
„New Deal“ bedeutet im Amerikanischen so viel wie „die Karten werden neu gemischt“. Gemeint ist damit mehr als nur die Ressourcenumverteilung innerhalb einer marktwirtschaftlichen Ordnung, wie etwa in der Sozialen Marktwirtschaft. Es ging der Roosevelt-Administration um die Einführung planwirtschaftlicher Ordnungselemente. Der New Deal wollte nicht nur die Spielregeln der Marktwirtschaft verändern, sondern hatte auch den Anspruch, ein völlig neues Spielverständnis in den USA zu schaffen.4 Daraus entstand die „Regime Uncertainty“, die die Unsicherheit über das zukünftig dominierende Spielverständnis der Gesellschaft bezeichnet.
Die Bewertung der Großen Depression und ihrer wirtschaftspolitischen Bekämpfung ist bis heute unter Ökonomen umstritten und hat insbesondere in der US-amerikanischen Debatte einen besonderen Stellenwert. Robert Higgs unterteilt die Zeit von 1930 bis in die 1950er-Jahre grob in fünf Abschnitte: (1) Die große Depression von 1930 bis 1940, (2) der Übergang in die Kriegswirtschaft 1940 bis 1941, (3) die Kommando-Wirtschaft in den Kriegsjahren 1942 bis 1945, (4) die Übergangsphase der Liberalisierung von 1945 bis 1946 („the true Great Escape“5 und (5) die Nachkriegswirtschaft nach 1946. Die zehn- bzw. elfjährige Dauer der Großen Depression hat laut Higgs maßgeblich mit der abschreckenden Wirkung der New Deal Gesetzgebung auf die privaten Investitionen zu tun. In den 1930er Jahren fielen private Investitionen auf den niedrigsten Stand zurück, der in den USA jemals gemessen wurde. Erst 1941 wurde das Niveau von 1929 wieder erreicht.6 Verantwortlich dafür gemacht werden insbesondere die weitführenden Maßnahmen der New Deal Gesetzgebung zwischen den Jahren 1933 und 1938.
Aus heutiger Sicht mag die damalige Befürchtung über die Zukunft der amerikanischen Wirtschaftsordnung übertrieben erscheinen, aber das war aus der Perspektive der damaligen Zeit nicht so eindeutig. Robert Higgs gibt zu bedenken:
„Roosevelt, we now know, never became a dictator along the lines of its contemporaries Stalin, Mussolini, and Hitler; the New Dealers were no Brown Shirts. But what seems so obvious to us in retrospect had quite different appearance to many contemporaries (…) Business leaders sincerely believed that the government was in evil hands (…) and preparing the way for socialism, communism, or some other variety of anti-Americanism” 7
Die amerikanische Autorin Amity Shlaes zielt in ihrem Buch „The Forgotton Man“ in eine ähnliche Richtung: “The problem (of the New Dealers) was their naivité about the economic value of Soviet-style or European-style collectivism – and the fact that they forced such collectivism upon their own country.” 8
Die Große Depression war das Ergebnis einer Abwärtsspirale bestehend aus prohibitiven Zöllen, passiver Geldpolitik und staatlicher Preisregulierung nach dem Aktienmarktcrash von 1929.9 Vielen Ökonomen war damals klar, dass der erfolgversprechendste Weg aus der Krise in der Liberalisierung des Handels und – nach der zu lockeren Politik der Federal Reserve in den 1920er Jahren - der Restaurierung des Goldstandards gelegen hätte.10 Roosevelt setzte das Gegenteil durch. In den 1930er Jahre erließ seine Administration eine Vielzahl von Gesetzen, die die Eigentumsrechte abschwächten und den Dollar gegenüber Gold abwertete. Der zeitgenössische Ökonom Benjamin Anderson stellte fest: “The impact of these multitudinous measures—industrial, agricultural, financial, monetary, and other—upon a bewildered industrial and financial community was extraordinarily heavy”.11
Tabelle 1 zeigt eine Reihe von Gesetzgebungen, die direkt oder indirekt die Eigentumsrechte eingeschränkt haben. Allein die Menge und die zum Teil in sich widersprüchlichen Zielrichtungen verursachten Unsicherheit bei den Akteuren.
Der National Industrial Recovery Act wollte Gewerkschaften in Amerika aufbauen und unfairen Wettbewerb („cut throat competition“) verhindern, indem allgemeingültige und „faire“ Arbeitsstandards und Preise durchgesetzt werden. Dazu billigte das Gesetz dem Präsidenten weitgehende Durchgriffsrechte, die über die National Recovery Administration (NRA) exekutiert wurden.
Anfangs war die Gesetzgebung und die dahinterstehende NRA bei Arbeitern und Unternehmern populär. Der blaue Adler als Erkennungszeichen, wurde auf Schaufenstern und Verpackungen gezeigt oder in der Werbung verwendet. Obwohl die Mitgliedschaft in der NRA freiwillig war, wurden viele Geschäfte, die sich nicht beteiligten, boykottiert. Unternehmen konnten zumindest den Eindruck haben, dass die Mitgliedschaft de facto nicht freiwillig war.
Es stellte sich schnell heraus, dass die NRA für die amerikanische Wirtschaft keine Hilfe, sondern eine enorme Belastung darstellte. Anderson notiert:
„One of the most appalling things about NRA was the sudden multiplication of new rules with which business must comply, rules, not resting on settled law but on arbitrary decisions of administrative bodies, subject to change almost without notice.”12
Der bürokratische Aufwand für Unternehmen, um allein den neuen Informationspflichten nachzukommen, stieg massiv an. Unternehmer, Geschäftsführer und Buchhalter waren dazu gezwungen, größere Anteile ihrer Zeit und Energie den wechselnden, anspruchsvollen und unpräzisen regulatorischen Anforderungen zu widmen. Anderson dazu:
„It´s not easy to keep a powerful business move going when the head of the business must give more time to his lawyers than he can give to his engineers or to his salesmen.”13
Finanzinstitute waren mehrfach von zusätzlicher Regulierung betroffen, da zeitgleich auch beispielsweise durch den Banking Act oder den Federal Security Act bürokratische Anforderungen wuchsen.
So störend die NRA für große Unternehmen und die Finanzindustrie war, so existentiell bedrohlich wurde sie für kleine und mittlere Unternehmen. Insbesondere kleinere Unternehmen konnten die zusätzlichen Kosten nicht schultern und mussten in großer Zahl ihr Geschäft aufgeben.
Amity Shlaes schildert in ihrem Buch „The Forgotton Man“ anschaulich, wie die Regulierung zu einem juristischen Kleinkrieg der Regierung mit unbescholtenen Kleinunternehmern führte. Die New Yorker Schechter Poultry Corp. setzte sich schließlich in einem historischen Prozess 1935 vor dem Verfassungsgericht gegen die Vereinigten Staaten durch. Der National Industrial Recovery Act wurde teilweise für verfassungswidrig erklärt.14
Dieses Urteil des Supreme Courts gegen die NRA hatte einen starken positiven Effekt auf das Geschäftsklima und die Aktienmärkte. Der Dow Jones Industrial zeigt die Erholung und den abermaligen Absturz 1937 nach der Entscheidung des Supreme Courts gegen die NRA. Die Verfassungswidrigkeit der NRA führte zu einer kurzfristigen Erholung aber die Unsicherheiten blieben in den 1930er Jahren insgesamt zu stark, um den Weg aus der Depression zu finden.
Unter dem Einfluss der New Deal Gesetzgebung hatten die USA zeitweise die höchsten Steuersätze in der Welt. Die Vorschläge der Regierung gingen insbesondere für Spitzenverdiener und Wohlhabende sogar noch weiter. 1936 lag der persönliche Spitzensteuersatz bei etwa 83 Prozent. Die Erbschaftssteuer ab 50 Millionen Dollar 70 Prozent. Die hohe Steuerlast behinderte wohlhabende Unternehmer empfindlich und betraf insbesondere die Kontinuität von Familienunternehmen.
1936 wurde auch die Steuer auf nicht ausgeschüttete Gewinne erhöht. Diese Maßnahme verfolgte das Ziel, Dividendenausschüttungen zu steigern, um sie dann über die Einkommenssteuer abzugreifen. Außerdem hatte man Unternehmen in Verdacht durch „Überersparnisse“ zum Ausbruch der Großen Depression beigetragen zu haben. Unternehmen widersprachen heftig. Sie wiesen darauf hin, dass nicht ausgeschüttete Gewinne Voraussetzung für Wirtschaftswachstum sind und bleiben.
Roosevelt beschränkte in einer Reihe von gesetzgeberischen Maßnahmen die Eigentumsrechte von Goldbesitzern. In der Finanzkrise 1933 flossen große Mengen Gold aus der Federal Reserve ab, weil die Akteure Bankeinlagen und Papiergeld nicht mehr vertrauten. Als die Federal Reserve von New York ihre Umtauschverpflichtungen in Gold nicht mehr nachkommen konnte, erklärte Roosevelt einen nationalen Bankfeiertag und verbot den Besitz von physischem Gold. Der Emergency Bank Act gab dem Präsidenten die Befugnis, den nationalen und internationalen Goldverkehr zu kontrollieren. Im Rahmen des Agricultural Relief Act erhielt der Präsident die Befugnis, den Goldgehalt des Dollars um 50 Prozent zu senken. Außerdem sicherte sich der Präsident auch das Recht zu (das er aber nicht ausübte), den Dollar wahlweise mit Silber zu hinterlegen, zu einem Silberpreis, den die Regierung selbst festlegen durfte.15 Mit diesen Schritten war der Wert des Dollar in Zukunft für die Bürger ungewiss und in der Hand der Regierung. Die Abwertung ließ nicht lange auf sich warten. Mit dem Kauf von Gold zu steigenden Preisen, hielt die Regierung den Dollar auf dem niedrigeren Kurs, um Exporte zu fördern und Importe zu hemmen.
Die öffentliche Stimmung in Amerika wendete sich in den 1930er Jahren zunächst gegen die Unternehmer. Roosevelt griff diese Stimmung auf und fachte sie durch seine „Anti-Business Rhetoric“ weiter an. Er kalkulierte damit, dass eine öffentliche Frontstellung gegen Unternehmer seine Wiederwahlchancen erhöhten. Bewusst stellte er unternehmerische Interessen gegen „nationale Interessen“. Roosevelt sprach von „economic royalists“, die eine „neue industrielle Diktatur errichten wollten.“16 In einer zentralen Wahlkampfrede im Madison Square Garden 1936 schimpfte er über die „Magnaten des organisierten Geldes“ die sich in ihrem Hass gegen ihn verschworen hätten. In den tosendenden Applaus hinein rief Roosevelt: „I welcome their hatred!“17
1937 verschärfte sich die Krise abermals. Erst brach die Konjunktur zusammen, dann folgte die Börse. Abgesehen von einer restriktiveren Geldpolitik war ein Grund dafür die unter dem National Labor Relations Act von 1935 ermöglichte verstärkte Aktivität von Gewerkschaften. Die Löhne stiegen in den 1930ern stärker als die Preise. 1937 machten sie einen weiteren Sprung, zu Lasten der Unternehmensgewinne.
Joseph Schumpeter bemerkte:
“Sie (die Unternehmer) sind nicht nur bedroht, sondern sie fühlen sich auch bedroht. Sie merken, dass sie vor Richtern angeklagt sind, die das Urteil schon in der Tasche haben, dass ein zunehmender Teil der öffentliche Meinung für ihren Standpunkt unempfänglich ist und dass jede einzelne Anklageschrift, wenn sie erfolgreich abgewehrt ist, sofort durch eine andere ersetzt wird.“18
Der amerikanische Unternehmer Lamont du Pont beschrieb die Situation 1937 wie folgt:
“Uncertainty rules the tax situation, the labor situation, the monetary situation, and practically every legal condition under which industry must operate. Are taxes to go higher, lower or stay where they are? We don’t know. Is labor to be union or nonunion? Are we to have inflation or deflation, more government spending or less? Are new restrictions to be placed on capital, new limits on profits? It is impossible to even guess the answers.”19
Selbst Roosevelts Finanzminister Henry Morgenthau brachte seine Zweifel gegenüber der Politik des Präsidenten in einer Kabinettssitzung auf den Punkt:
“What business wants to know is: Are we headed toward socialism or are we going to continue on a capitalist basis?”20
Mit Ausbruch des Krieges in Europa 1939 wandelte sich die Stimmung bei Präsident Roosevelt. Zeit und Energie widmete er hauptsächlich der Außen- und Verteidigungspolitik. Für die Bewaffnung der amerikanischen Streitkräfte waren leistungsfähige Unternehmen strategisch wichtig. Der zeitgenössische republikanische Politiker Henry Stimson beschrieb die Notwendigkeit wie folgt:
„If you are going to try to go to war, or to prepare for war, in a capitalist country, you have got to let business make money out of the process or business won´t work.”21
Die „New Dealer“ in der Administration erlebten das Schwinden ihres politischen Einflusses. Roosevelt wandelte sich vom „Dr. New Deal“ zum „Dr. Win the War“. Verteidigungsministerium und Beschaffungswesen wurden mit Republikanern, Wirtschaftsanwälten und Investmentbankern von der Wall Street besetzt.
”Roosevelt was not only ceding power to the corporate world but freezing out those within the government who had been struggling to expand the role of the state in managing the economy”22
Weniger die eigene Einsicht, sondern das notwendige Eingeständnis, dass man auf die Produktivität kapitalistischer Unternehmen angewiesen ist, führte zu einem Einlenken Roosevelts. Erst durch den Verlauf des Zweiten Weltkrieges und die wachsende Systemkonkurrenz mit der Sowjetunion wurde die planwirtschaftliche Zielrichtung in der amerikanischen Politik aufgegeben. Die USA erlebten ab 1939 eine Zeitenwende.
Der Green Deal steht in seinem Anspruch dem New Deal in nichts nach. Das erklärte Ziel der Green Dealer ist die Systemtransformation und der „Umbau der Gesellschaft“. Bekanntheit erlangte das Konzept ursprünglich durch die amerikanische Aktivistin Rhianna Gunn-Wright, heute Direktorin für Klimapolitik am Roosevelt Institute. Für den Think Tank „New Consensus“ arbeitete sie das ursprüngliche Konzept des Green New Deals aus. Auf der Homepage des Think Tanks steht unter dem Stichwort “Guiding Vision”:
“The Green New Deal will be the most ambitious and transformative national project since Franklin Roosevelt’s original New Deal and World War II economic mobilizations.”23
Ein wesentlicher Unterschied zwischen Roosevelts New Deal Politik und dem Green New Deal ist die Rhetorik. Der Unternehmer wird in offiziellen Verlautbarungen nicht als Feindbild an den Pranger gestellt, sondern von der Politik vereinnahmt.
„The plan calls on and enables our whole society to participate in a single great national aim: the rapid transition to a forward-looking society of broad opportunity, equal justice, productive prosperity, and environmental sustainability.”24
Der Green Deal wird im US-Kongress von den bekannten Demokraten Alexandria Ocasio-Cortez und Bernie Sanders unterstützt. Was sich als häufig wissenschaftlich erwiesen, alternativlos und gewinnbringend für alle Beteiligten anhört, ist letztlich eine politische Agenda, die auf eine grundlegende Umgestaltung der Gesellschaft abzielt. Naomi Klein wird in ihrer Unterstützung für den Green Deal deutlich:
„What is needed is rapid, far reaching and unprecedented changes in all aspects of society. By giving the committee a mandate that connects the dots between energy, transportation, housing and construction as well as health care, living wages, a job guarantee, and the urgent imperative to battle racial and gender injustice, the Green Deal plan would be mapping precisely that kind of far-reaching change. This is not piecemeal approach that trains a water gun on a blazing fire, but a comprehensive and holistic plan to actually put the fire out.”25
In den USA leisten die republikanische Partei und konservative beziehungsweise gemäßigte Demokraten Widerstand gegen den Green Deal. Eine wirksame Opposition ist in Europa derzeit nicht in Sicht. Die Europäische Kommission hat den „European Green Deal“ am 11. Dezember 2019 vorgestellt und ist in den vergangenen drei Jahren bei der Umsetzung schon weit fortgeschritten. Das formulierte Ziel ist es, als erster Kontinent bis zum Jahr 2050 „klimaneutral“ zu werden. Von den Maßnahmen betroffen sind Finanzmärkte, Energieversorgung, Verkehr, Handel, Industrie, Land- und Forstwirtschaft.
Der European Green Deal verstärkt mit dem CO2-Grenzausgleichsmechanismusdie protektionistischen Tendenzen des europäischen Binnenmarktes gegenüber dem Welthandel. Gleichzeitig will die Zentralbank die Transformation zu einer CO2-neutralen Gesellschaft unterstützen. Diese Politik ist geprägt von Zentralismus, Anordnungen und Verboten. Sie erinnert dadurch stark an die National Recovery Administration in den 1930er Jahren. Der bürokratische Aufwand und der staatliche Finanzierungsbedarf sind enorm.
Über die EU-Taxonomie zwingt die Europäische Kommission Unternehmen zur Veröffentlichung von Informationen zur Nachhaltigkeit ihrer Geschäftstätigkeit. Das Ziel dahinter ist die Steigerung von „nachhaltigen Investments“ im Sinne des Green Deals. Der Kapitalmarkt soll damit auf die politischen Ziele der EU-Kommission verpflichtet werden. Während der Umweltschutz bereits in sechs übergeordneten Umweltzielen festgehalten ist, gibt es für die Angaben zu gesellschaftlichen Aspekten und den Fragen zur Unternehmensführung noch keine genauen Vorstellungen.
Der New Deal hat die Große Depression verlängert und verstärkt, weil er durch eine Vielzahl von Gesetzen und regulatorischen Anforderungen Regime Uncertainty erzeugt hat. Die New Deal Politik der Roosevelt Administration hatte eine deutlich kritische Einstellung gegenüber Unternehmern und Geschäftsleuten. Das Steuersystem zielte auf die Enteignung und Umverteilung. Über die National Recovery Administration sollten allgemeine Standards durchgesetzt und die Rolle von Gewerkschaften ausgebaut werden. Mit der Abwertung des Dollars und dem Verbot des Goldbesitzes sollte die Wirtschaft reflationiert werden.
Die Green Deal Gesetzgebung läuft Gefahr, die Fehler des New Deals zu wiederholen. Ähnlich wie in den 1930er Jahren geht es darum, marktwirtschaftliche Prozesse durch planwirtschaftliche Vorgaben zu ersetzen. Der Klimaschutz ist das Ziel, aber die dahinterstehenden Ordnungsvorstellungen sind vergleichbar mit denen der New Dealer. Die begriffliche Bezugnahme ist daher konsequent.
Mangels politischem Widerstand ist die Regime Uncertainty in Europa stärker ausgeprägt als in den USA. Bereits die Maßnahmen für den Umweltschutz haben hohe Kosten und vielfältige regulatorische Unsicherheiten erzeugt. Die durch die Energiewende und den Krieg gegen die Ukraine verursachte Energiekrise zeigt die Diskrepanz zwischen der Formulierung gut klingender Ziele und der tatsächlichen Umsetzung spezifischer Maßnahmen. Die Fortschrittsrhetorik kann auf Dauer nicht über die gravierenden geo-, wirtschafts-, finanz- und geldpolitischen Probleme hinwegtäuschen. Es ist mit Wohlstandsverlusten und Wettbewerbsnachteilen im Vergleich zu anderen Regionen der Welt zu rechnen.
Offen bleibt zunächst, wie sich Kommission und Parlament bei der Ausgestaltung der Regulierung der beiden anderen großen Bereiche nachhaltiger Anlagen, Unternehmensführung und soziale Aspekte, verhalten werden. Während die Umweltziele als notwendige Regulierung externer Effekte definiert werden kann, geht es insbesondere bei Fragen der Unternehmensführung und der sozialen Ausgestaltung um die Arbeitsprozesse und -verträge, also um Kernaufgaben von Unternehmen. Potenziell sind hier noch stärkere und folgenschwerere Eingriffe in die unternehmerische Freiheit zu erwarten. Ob europäische und nationale Gesetzgeber ausreichend Zurückhaltung in diesen Bereichen gegenüber der unternehmerischen Freiheit üben werden, ist zumindest unsicher.
Downloads:
1 Shlaes Amity (2007) The Forgotton Man, New York: Harper Collins, S. 3.
2 Higgs, Robert (1997) Regime Uncertainty: Why the Great Depression lasted so long, Independent Review, Band 1, Heft 4.
3 Higgs, Robert (2012) Regime Uncertainty, Then and Now; www.fee.org/articles/regime-uncertainty-then-and-now/
4 Zum Unterschied und zu Bedeutung von Spielregeln und Spielverständnis, siehe: van Brook, Martin (2012) Spielzüge – Spielregeln – Spielverständnis, Marburg: Metropolis Verlag.
5 Higgs (1997) Regime Uncertainty: Why the Great Depression lasted so long, S. 563.
6 Higgs (1997) Regime Uncertainty: Why the Great Depression lasted so long, S. 567.
7 Higgs (1997) Regime Uncertainty: Why the Great Depression lasted so long, S. 569.
8 Shlaes, Amity (2007) The Forgotten Man, S. 6.
9 Sieh dazu Kleinheyer, Marius (2018) Was machte die Große Depression so groß?; https://www.flossbachvonstorch-researchinstitute.com/de/studien/was-machte-die-grosse-depression-so-gross/
10 Ökonomen-Aufruf im Commercial and Financial Chronicle, 7. Januar 1933, zitiert in Anderson, Benjamin (1979) Economics and the Public Welfare, Indianapolis: Liberty Fund, S. 301.
11 Anderson, Benjamin (1979) Economics and the Public Welfare, S. 356
12 Anderson, Benjamin (1979) Economics and the Public Welfare, S. 334.
13 Anderson, Benjamin (1979) Economics and the Public Welfare, S. 335.
14 Shlaes, Amity (2007) The Forgotten Man, S. 204f.
15https://www.federalreservehistory.org/essays/roosevelts-gold-program
16 Leuchtenburg, William (1963) Franklin D. Roosevelt and the New Deal, New York: Harper & Row, S. 183.
17 Leuchtenberg, William (1963) Franklin D. Roosevelt and the New Deal, New York: Harper & Row, S. 184.
18 Schumpeter, Joseph A, (1939) Business Cycles. A Theoretical, Historical, and Statistical Analysis of the Capitalist Process. New York: McGrawHill, S. 1045.
19 Zitiert in Higgs, Robert (1997) Regime Uncertainty: Why the Great Depression lasted so long, S. 576.
20 Zitiert in Higgs, Robert (2012) Regime Uncertainty: Then and Now, https://fee.org/articles/regime-uncertainty-then-and-now/
21 Stimson, Henry und McGeorge, Bundy (1947) On Active Service in Peace and War, S. 166.
22 Higgs, Robert (1997) Regime Uncertainty: Why the Great Depression lasted so long, S. 579.
23www.newconsensus.com/projects/green-new-deal
24 www.newconsensus.com/projects/green-new-deal
25 Klein, Naomi (2018) https://theintercept.com/2018/11/27/green-new-deal-congress-climate-change/
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