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Die Vorbereitungen laufen

- Julian Marx

Das Zinsplateau ist erreicht.Am 14. September 2023 erhöhte die Europäische Zentralbank (EZB) zuletzt die Zinsen. Rufe nach Zinssenkungen werden lauter.

Im vergangenen Jahr erlebten die Preissteigerungsraten in der Eurozone einen ordentlichen Rutsch. Nachdem die Teuerungsrate im Dezember 2022 noch bei 9,2 Prozent gelegen hatte, setzte im Jahresverlauf eine kontinuierliche „Normalisierung“ der Inflationsraten ein. In den drei Monaten des Schlussquartals 2023 lag die Eurozonen-Inflation dann auch durchgehend (knapp) unter der Marke von drei Prozent. Ein erster Etappenerfolg.

Gleichzeitig wird der Wunsch nach Zinssenkungen größer, nachdem die EZB den Hauptrefinanzierungssatz bis September 2023 auf ein Niveau von 4,5 Prozent angehoben hatte. Nicht zuletzt, weil inzwischen immer mehr Unternehmen und Haushalte das gestiegene Zinsniveau zu spüren bekommen. Seit Dezember 2021 ist die Durchschnittsverzinsung ausstehender Unternehmenskredite in der Eurozone um rund 2,4 Prozentpunkte auf zuletzt vier Prozent gestiegen. Auch die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland ist ein Indiz für die Wirkung der restriktiven Geldpolitik. So ist das deutsche Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2023 nach vorläufigen Angaben um 0,3 Prozent geschrumpft. Ist es also an der Zeit, dass die EZB den Fuß von der Bremse nimmt?

Die „Debatte“ ist eröffnet

Wenn es nach Mário Centeno, dem Präsidenten der portugiesischen Nationalbank, geht, sollten zeitnahe Zinssenkungen keinesfalls ausgeschlossen werden. Natürlich müsse die EZB weiterhin datenabhängig agieren, so der Portugiese. Doch müsse man sich auch das Inflationsziel der EZB in Erinnerung rufen. Und dieses liege bei zwei Prozent und sei nicht im Februar 2024 und auch nicht im März 2024 zu erreichen, sondern in der mittleren Frist. Entsprechend gelte es auch zu berücksichtigen, dass die Wirtschaft in der Eurozone seit mehr als einem Jahr zu kämpfen habe und auch das kommende Quartal herausfordernd werde. Auch sei Vorsicht geboten, dass die EZB das Inflationsziel aufgrund einer zu restriktiven Geldpolitik nicht unterschreite.

Anders sieht das der Präsident der Österreichischen Nationalbank, Robert Holzmann. Er hält dagegen und betonte jüngst noch einmal, dass es für das Jahr 2024 noch keinerlei Garantie für Zinssenkungen gebe. Schließlich sei der zugrunde liegende Inflationsdruck noch immer sehr ausgeprägt. Mit 3,4 Prozent im Dezember lag die Kerninflationsrate für die Eurozone noch immer deutlich oberhalb des Zwei-Prozent-Ziels. Ein mittelfristiges und nachhaltiges Erreichen des Inflationsziels von zwei Prozent wäre damit noch keineswegs sichergestellt. Eine Einschätzung, die EZB-Ratsmitglied Isabel Schnabel teilt. Auch nach Ansicht der Volkswirtin sei es derzeit noch zu früh, um mögliche Zinssenkungen zu diskutieren.

Eine Zinssenkung kommt selten allein

Was im Rahmen einer geldpolitischen Entscheidung zudem eine wichtige Rolle spielt: die Signalwirkung, die von ihr ausgeht. Ist das Kind erst einmal in den Brunnen gefallen, haben die Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer etwaige Entscheidungen schnell extrapoliert.

So auch geschehen im Frühjahr 2022. Damals ließ die EZB die Nettowertpapierkäufe im Rahmen des rund 1,7 Billionen Euro schweren Pandemiekaufprogramms „PEPP“ per Ende März auslaufen. Eine erste Zinserhöhung stand zwar erst deutlich später an – und zwar am 27. Juli 2022, als die EZB die Leitzinsen erstmals seit 2011 wieder anhob. Der Kapitalmarkt hatte zu diesem Zeitpunkt allerdings schon einige Zinsschritte vorweggenommen. Und so kletterten die Bauzinsen für einen zehnjährigen Hauskredit in Deutschland bis zum Frühsommer 2022, also noch vor der ersten EZB-Zinserhöhung, von rund einem Prozent zu Jahresbeginn 2022 auf zeitweise mehr als drei Prozent.

Die Markteilnehmer haben die anschließenden EZB-Zinserhöhungen seinerzeit zu Recht vorweggenommen. Das muss jedoch nicht bedeuten, dass sie auch in Zukunft immer Recht behalten werden, wenn es um die Antizipation geldpolitischer Entscheidungen geht. Es zeigt aber, wie behutsam die Euro-Währungshüter kommunizieren und auch agieren müssen, um keine falschen Signale an die Kapitalmärkte zu senden. Schließlich sollen die Marktteilnehmer die geldpolitischen „Vorgaben“ der EZB bestmöglich in der Realwirtschaft implementieren und so zur Erreichung des Preisstabilitätsziels beitragen.

Auch EZB-Chefvolkswirt Philip Lane ist sich durchaus darüber im Klaren, dass die EZB immer ein Stück weit marktabhängig agiert. Insofern dürfte er vorsichtig sein, mit etwaigen Zinssenkungen unüberlegt vorzupreschen. Zudem betonte er, dass, sobald die EZB mit der Senkung der Zinssätze beginne, dies nicht durch eine einzige Entscheidung einer Zinssenkung geschehen würde, sondern höchstwahrscheinlich durch eine Reihe von Zinssenkungen. Kein Wunder angesichts der Marktabhängigkeit der EZB: Würden die Marktteilnehmer eine erste Zinssenkung vermutlich doch ohnehin als einen Vorboten weiterer Zinsschritte interpretieren.

Bald wissen wir mehr

Vorerst müssen sich Geldpolitiker und Marktteilnehmer wohl noch in Geduld üben. Bundesbankpräsident Joachim Nagel stellte in Aussicht, dass er sich im Sommer vorstellen könne, über mögliche Zinssenkungen zu diskutieren. Eine Vorgehensweise, die durchaus auf Zustimmung im EZB-Rat stoßen könnte. Denn zu diesem Zeitpunkt sind wesentliche Informationen verfügbar. Noch ist beispielsweise unklar, ob sich die Inflationsdynamik weiter abschwächt und wie stark der Aufwärtsdruck bei Löhnen tatsächlich ist. In den vergangenen Pandemiejahren hatten zahlreiche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhebliche Reallohnverluste erlitten. In Deutschland liegen die Reallöhne noch immer rund fünf Prozent unter dem Vorpandemieniveau.

Mit den kommenden Datenpunkten dürften diese Unwägbarkeiten jedoch abnehmen. Die Diskussion um mögliche Zinssenkungen könnte dann weiter an Fahrt aufnehmen. Die Vorbereitungen für erste Zinssenkungen sind mit der jüngsten Debatte ohnehin schon am Laufen – eine Garantie ist das gleichwohl noch nicht.

 

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