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Geldanlage

„Eine Korrektur ist wahrscheinlicher geworden”

Was der KI-Hype für den Börsen bedeutet, wie Investoren mit der bevorstehenden US-Wahl umgehen sollten – und was von der Entwicklung des Goldpreises zu halten ist.

 

Ausschnitt aus dem Gespräch zwischen Bert Flossbach und Thomas Lehr.

 

LEHR: Wie wirkt sich „KI“ auf die Inflationsentwicklung aus?
FLOSSBACH: Angesichts der gewaltigen Investitionen wirkt KI zunächst wirtschafts- bzw. inflationsfördernd. Langfristig sollte der Gewinn an Produktivität durch KI die Teuerung eher dämpfen, wobei ich diesen Effekt nicht überschätzen würde.

 

Die mit dem Thema verbundenen Hoffnungen sind sehr gross, zumindest reflektiert das die Börse. Aber sind die Hoffnungen auch berechtigt?
Wie profitabel die KI-Investitionen schlussendlich sein werden, muss sich erst noch zeigen. Nicht jeder Chip und nicht jedes KI-Startup werden sich rechnen. Wenn alle dabei sein wollen, steigt der Wettbewerbsdruck und die erhofften Gewinne bleiben oft aus. Dies ist eine Lehre aus dem Internetboom zur Jahrtausendwende oder dem Gründungsboom bei Elektroautoherstellern.

 

Du würdest die Situation heute mit der Jahrtausendwende vergleichen?
Nein, wenngleich es sicherlich Ähnlichkeiten gibt. Die Ausgangslage der grossen Technologiekonzerne ist heute zweifellos gut. Sie sind keine Neueinsteiger, die eine einmalige Chance wittern, sondern etablierte und hochprofitable Unternehmen, die sich neue Geschäftsfelder und Umsatzpotenziale für ihre bestehenden Dienste erschliessen möchten. Letztlich hängt es aber vom Mehrwert der angebotenen KI-Dienstleistungen und damit von der Zahlungsbereitschaft der Endkunden ab, ob die transformativste Technologie unserer Zeit auch in der Lage ist, Investitionen in Gewinne zu transformieren.

 

Wer sind deiner Meinung nach die grossen Gewinner?
Wen die Börse aktuell dafür hält, ist relativ eindeutig zu erkennen. Die Frage ist: bleibt das auch so. Zur Jahrtausendwende galt Cisco als das Unternehmen, in das man zwingend investieren musste. Heute wissen wir, dass die Erwartungen damals viel zu hoch waren. Insofern ist es nicht nur komplex, die grossen „Disruptoren“ zu identifizieren, sondern mitunter auch gefährlich. Tech-Trends wechseln unglaublich schnell.

 

Lass uns über die Bewertungen am Aktienmarkt sprechen, die zuletzt weiter gestiegen sind. Ist das für Dich noch nachvollziehbar?
Der KI-Boom hat zweifellos seine Wirkung entfaltet und dies nicht nur bei den vermeintlich unmittelbaren Gewinnern. Die Bewertungen von US-Aktien sind heute historisch betrachtet überdurchschnittlich hoch.

 

Würdest Du auch sagen: zu hoch?
Das ist die grosse Frage. Was sicherlich in das Bild passt, ist die hohe Konzentration in den Aktienindizes; die ist am Ende eines langen Kursaufschwungs typischerweise deutlich höher ist als am Anfang. So ist der Anteil der – gemessen am Börsenwert – zehn grössten S&P 500-Unternehmen von 18 Prozent im Jahr 2014 auf zuletzt mehr als 30 Prozent gestiegen. Ende des Technologiebooms zur Jahrtausendwende waren es 27 Prozent.

 

Aber kommt deshalb die Korrektur?
Sie ist zumindest wahrscheinlicher geworden. Und sie ist aus Sicht eines langfristig denkenden Investors auch wünschenswert, weil sie die Aktien erstklassiger Unternehmen, deren Kurse schon sehr viel Wachstumsoptimismus eingepreist haben, wieder auf attraktivere Bewertungsniveaus fallen lassen und damit Anlageopportunitäten eröffnen würde. Es kann aber durchaus sein, dass die Kurse zunächst noch weiter zulegen werden.

 

Viele Beobachter schauen bange auf die bevorstehenden US-Wahlen – wie siehst Du die potenziellen Auswirkungen?
Ich würde nicht versuchen, da allzu viel hineinzuinterpretieren, zumindest nicht aus Investorensicht. Die US-Wahl 2016 ist ein gutes Beispiel dafür gewesen. Niemand hätte auf Trump gewettet – und falls doch, hätte er oder sie vermutlich kaum damit gerechnet, dass sich der Aktienmarkt in den Monaten nach dessen Amtseinführung so gut entwickeln würde. Insofern ist es vergebene Liebesmühe zu versuchen, den Ausgang der bevorstehenden Wahl in irgendeiner Form zu antizipieren, zumal nicht einmal gewiss ist, ob tatsächlich Biden und Trump im November zur Wahl stehen werden ...

 

Du hast Zweifel?
Ich weiss es schlicht nicht besser – und noch ist etwas Zeit bis zur Wahl.

 

Eine der bemerkenswertesten Entwicklungen in diesem Jahr hat sicherlich der Goldpreis hinter sich – wie bewertest Du den Preisschub?
Auch das ist ein gutes Beispiel, Narrativen immer mit einer gewissen Skepsis zu begegnen. Folgt man der allgemeinen Logik, dann müsste das zinslose Gold eigentlich unter der Rückkehr des Zinses leiden; dazu passt auch, dass die Investmentnachfrage nach Gold, also die Nachfrage nach ETFs, zuletzt rückläufig war. Trotzdem steigt der Goldpreis!

 

Was ist Deine Erklärung?
Eine Erklärung führt sicherlich zu den grossen Notenbanken, etwa der Pepole’s Bank of China. In Peking dürfte man gewillt sein, die eigenen Währungsreserven „dollarunabhängiger“ zu disponieren. Gold gilt dabei als veritable, weil werthaltige Alternative.

 

Wie geht es weiter mit dem Goldpreis?
Wir sind traditionell vorsichtig, was Prognosen betrifft. Nachhaltig profitieren würde Gold vor allem von negativen Realzinsen, wie Japan beispielsweise sie immer noch hat und wohl auch dauerhaft benötigt. In den USA liegt der Realzins inflationsgeschützter Anleihen aber bei mehr als zwei Prozent und müsste schon deutlich fallen, um Gold für US-Investoren als Inflationsschutz wieder interessanter zu machen. Dazu bräuchte es hohe Staatsdefizite und steigende Schuldenquoten, die die US-Notenbank zwingen könnten, ihre Geldpolitik trotz hartnäckiger Inflation zu lockern, um die Finanzmarktstabilität auf Kosten der Preisstabilität zu sichern. Absehbar ist das – Stand heute – aber nicht.

 

Welche Rolle spielt Gold für Dich bei der Portfoliokonstruktion?
Uns geht es vor allem um die strategische Funktion von Gold im Rahmen der Asset-Allokation. Gold ist und bleibt für uns ein Wertspeicher, der gleichzeitig als Versicherung gegen die vielen bekannten und unbekannten Risiken des Finanzsystems dient.

 

Dr. Bert Flossbach ist Gründer und Eigentümer der Flossbach von Storch AG.
Thomas Lehr ist Kapitalmarktstratege der Flossbach von Storch AG.

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