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Gesellschaft
4 Minuten

Eiserner Vorhang 2.0

- Philipp Vorndran

Angesichts der erschütternden Bilder aus der Ukraine wendet sich unser Blick auch nach China, wo wichtige weltpolitische Entscheidungen fallen.

Seit Wochen tobt ein brutaler Krieg in der Ukraine. Am 24. Februar haben russische Panzer erstmals die Grenze zum Nachbarland überquert. Nur einige Tage vorher – beim Treffen des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping anlässlich der Olympiade in Beijing – dürfte es für Putins Entscheidung zum Angriffskrieg grünes Licht gegeben haben.

Hätte Xi nicht zumindest seine Neutralität in diesem Konflikt zugesichert, hätte sich Putin wohl gut überlegt, seine Truppen zu schicken. Doch Xi hat den Angriffsplan offenbar durchgewunken, was ihn unseres Erachtens mitverantwortlich für das Leid in der Ukraine macht. Das Foto, das damals von Xi und Putin entstand, dürfte aber nicht nur ein wichtiges Dokument für künftige Geschichtsbücher sein. Es könnte auch als ein Symbol für eine geopolitische Zeitenwende gesehen werden.

Geopolitische Zeitenwende

Uns würde es nicht überraschen, wenn wir in einigen Jahren wieder einen neuen „Eisernen Vorhang“ sehen, und zwar einen, der dann im Gegensatz zu jenem im Kalten Krieg bis Ende der 1980er Jahre ökonomisch sehr relevant ist. Auch Europa wird zu einer Entscheidung gezwungen, ob es Handel mit dem von den USA dominierten Westen oder mit den von China dominierten Staaten treiben will. Das sind keine guten Nachrichten für eine Exportnation wie Deutschland.

Fest steht: Die Volksrepublik China betrachtete Taiwan schon immer als „unabtrennbaren Bestandteil des chinesischen Territoriums“. Xi will diesen Anspruch umsetzen und Taiwan vereinnahmen – spätestens bis zum Ende seiner Amtszeit. Doch er möchte deutlich besser vorbereitet sein als Russland beim Angriff auf die Ukraine. Die Lernkurve des chinesischen Staatschefs dürfte daher derzeit hoch sein.

Lehrstück für China

Mit diesem Konflikt dürfte auch Xi klar geworden sein, dass der Westen in dieser Krise enger zusammensteht als viele erwartet haben. Das kann bei einem Konflikt mit Taiwan, der geographisch von den meisten Staaten weit entfernt ist, natürlich anders aussehen. Das ist aber letztlich für den chinesischen Staatschef schwer einzuschätzen, geschweige denn zu beeinflussen. Er sieht aber, welche Systeme durch westliche Wirtschaftssanktionen abgedreht werden können. Das beginnt mit Kreditkarten, mit denen die U-Bahn nicht mehr bezahlt werden kann, und reicht über das Swift System, bei dem ein Ausschluss den internationalen Zahlungsverkehr verhindern kann, bis zur Frage der Sicherheit von Währungsreserven, die nicht im eigenen Land gehalten werden. Bereits im Fünf-Jahres-Plan wurde das Streben nach Unabhängigkeit Chinas in Sachen Energie und Technologe festgehalten. Beides dürfte nun noch deutlich wichtiger werden.

In diesem Konflikt werden wirtschaftliche Sanktionen sehr viel stärker eingesetzt als in früheren Zeiten. Einerseits von Staaten, andererseits haben auch viele Konsumenten bereits seit einiger Zeit begonnen, Lieferketten stärker zu hinterfragen. Entsprechend vorsichtig reagierten viele weltweit tätige Unternehmen – und haben ihre Geschäftstätigkeit in Russland erst einmal eingestellt. Auch Investoren müssen bei der Bewertung von global tätigen Unternehmen solche Fragen im Auge habe. Investments in China gelten laut Taxonomie der Europäischen Union immer noch als nachhaltig. Wer sie jedoch gemäß dem tieferen Sinn der Taxonomie hinterfragt, dem erscheinen sie heute schon als schwierig.

Wachstum allein ist nicht alles

Zu Beginn der „Globalisierung“ ab Ende der 1990er Jahre wurde Anlegern häufig geraten, dort zu investieren, wo das Wachstum besonders hoch ist. Doch trotz des enormen Wirtschaftswachstums der letzten Jahrzehnte in China sind chinesische Aktien , gemessen am Hang-Seng-Index der Börse Hong Kong, nicht im selben Ausmaß gestiegen. Seit etwa zwei Jahren ist der Markt sogar tendenziell unter Druck.

Trotz hoher Wachstumsraten kein Selbstläufer

Nicht nur chinesische High-Tech-Unternehmen, die zunächst sehr stark gewachsen sind, mussten immer wieder mit neuen Regulierungen kämpfen, gegen die sie sich nicht juristisch wehren können und auf die sie sich nicht einstellen konnten. Im Bildungsbereich wurde einem ganzen Sektor sogar über Nacht die Geschäftsgrundlage entzogen. Inzwischen müssen sich wohl alle profitablen chinesische Unternehmen die Frage stellen, wie viel sie denn verdienen dürfen, damit es noch für das Motto „Wohlstand für Alle“ passt.

In der Vergangenheit wurden wir nicht müde zu betonen, dass wir grundsätzlich nicht in russische Aktien investieren, weil die Aktionäre ihre Rechte in Moskau nicht durchsetzen können. Heute müssen auch bei Investments in China erhebliche Risikoprämien veranschlagt werden – was die oftmals niedrigen Kurs -Gewinn-Verhältnisse (KGVs) relativiert. Ohnehin können niedrige KGVs tückisch sein. Bei einem Auto, das im Internet stark unter dem üblichen Preis angeboten wird, fragen sich die meisten schließlich auch, wo da der Haken ist.

Temporär schwächeres Wachstum in China

Hinzu kommt: China befindet sich derzeit in einem Transformationsprozess. In der ersten Phase der wirtschaftlichen Öffnung ging es vor allem um die Urbanisierung einer lange vor allem landwirtschaftlich geprägten Volkswirtschaft. Dazu kamen Fabriken ins Land und es musste die entsprechende Immobilien- und Infrastruktur gebaut werden. Inzwischen steht die Entwicklung einer modernen Dienstleistungsgesellschaft im Fokus. In solchen Übergangsphasen sind wirtschaftliche Durchhänger (nach jahrelangem Wachstum) häufig. Die Wachstumslokomotive der Welt verliert an Fahrt.

Derzeit hält China die Welt mit einer Art Dauer-Lockdown im Atem. Denn das Land versucht mit einer Null-Covid-Strategie die Pandemie in Schach zu halten. Aus gesundheitspolitischer Sicht verständlich, ist doch die Impfquote niedrig und die verwendeten Vakzine sind weniger wirksam als die im Westen. Daher werden auch bei relativ moderaten Inzidenzen immer noch weiträumige Lockdowns verhängt. Dadurch entstehen aber Lieferkettenprobleme, die das chinesische aber auch das weltweite Wachstum bremsen. Allein diese Null-Covid-Strategie hätte – unabhängig vom Krieg in der Ukraine – wohl bereits zu einer Korrektur an den Kapitalmärkten geführt.

Letztlich kann wohl niemand heute sagen, ob Beijing in Sachen Covid künftig pragmatischer agiert. Anleger sollten sich aber keinesfalls von den hohen Wachstumsraten der Vergangenheit blenden lassen. Russische Aktien brachten Anleger schon in der Vergangenheit nirgendwo hin. Abgesehen von einer mageren Entwicklung werden seit fast einem Monat keine Kurse mehr gestellt. Die Anleihen gelten fast schon als toxisch und der Rubel eignet sich – im Gegensatz zum US-Dollar – wohl eher weniger zur Währungsdiversifikation.

Seit Wochen keine Kurse mehr

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