Europa, die USA oder doch Asien – wo finden Anleger derzeit die attraktivsten Investmentgelegenheiten? Thomas Lehr und Philipp Vorndran haben eine klare Meinung dazu.
Eine der am häufigsten gestellten Fragen unserer Leser in den vergangenen Wochen lautete: Welche Märkte seht ihr in den kommenden Monaten vorn? Nachdem der Dax zuletzt so gut gelaufen ist ...
Philipp Vorndran: Ich halte den Fokus auf Länder, Regionen oder Branchen für brandgefährlich! Das hat mit der Idee, sinnvoll und langfristig zu investieren, rein gar nichts zu tun.
Anderswo wird das anders gesehen ...
Philipp Vorndran: Ich weiß. Bei diesem Thema wird gerne die „Marketingbrille“ aufgesetzt, weil sich wunderbare Geschichten erzählen lassen. Über verschiedene Länder, deren Eigenheiten und ökonomische Vorzüge ...
Thomas Lehr: Zumal es auch immer was zu erzählen gibt. Weil schließlich immer irgendwo was los ist: Heldengeschichten und Katastrophen. Unsere Perspektive wäre eine andere: Gute Geldanlagen, eine gute Anlagestrategie zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass eben nicht permanent darüber geredet werden muss. Dass es vor allem um die Qualität der einzelnen Unternehmen geht, ganz unabhängig davon, wo sie beheimatet sind und welcher Branche sie angehören, und um die Frage, ob sie attraktiv bewertet sind an der Börse – oder eben nicht.
Philipp Vorndran: Die Regionen- oder Branchen-Narrative erzeugen vor allem Handlungsdruck bei den Anlegern – das Portfolio immer wieder anpassen zu müssen. Raus aus Europa, rüber nach Asien, dann zurück in deutsche Aktien, wenig später in die USA, wegen des US-Dollars, und statt Techwerten lieber doch Banken oder, vielleicht noch besser, Versorger, wegen der Dividenden...
Trotzdem, viele Anleger folgen diesen Geschichten, eure Einwände in Ehren. Woran liegt das?
Philipp Vorndran: Vermutlich gibt es tausendundeinen Grund. Viele kennen es nicht anders; es wird ihnen von den Profis schließlich so vorgekaut. Und deshalb hinterfragen sie es auch nicht. Klassisches Schubladendenken, über Jahrzehnte gelernt und immer weiter verfestigt. Tagtäglich hören wir vom Deutschen Aktienindex, dem Dax, vom japanischen Nikkei oder dem US-amerikanischen Dow Jones, seltener vom S&P 500. Läuft einer den anderen hinterher, hat der Zurückgefallene irgendwann automatisch Aufholpotenzial – was für ein ausgemachter Blödsinn!
Thomas Lehr: Das Gleiche mit den Branchen. Regelmäßig wird empfohlen, aus der einen in die andere zu wechseln, Trends zu folgen.
Philipp Vorndran: Vielleicht helfen ein oder zwei Beispiele zur Veranschaulichung: Es gibt in der Schweiz einen großen Nahrungsmittelhersteller, dessen Namen wir hier aus regulatorischen Gründen nicht nennen wollen, den Sie aber sehr gut kennen dürften. Dieses Unternehmen macht 1,5 Prozent seiner Umsätze in der Schweiz – oder andersherum: 98,5 Prozent außerhalb der Schweiz. Was hat das Unternehmen mit der Schweiz oder der Schweizer Volkswirtschaft zu tun? Fast nichts! Oder ein in Hongkong gelistetes Modeunternehmen. Das Unternehmen erwirtschaftet 90 Prozent seiner Umsätze in Europa!
Aber sind das nicht Ausnahmen, gezielt ausgewählte Einzelbeispiele?
Thomas Lehr: Klar sind das Extrembeispiele! Aber sie bekräftigen meinen Hinweis von eben: Anleger sollte es vor allem um die Qualität der Unternehmen gehen – und nicht um Herkunft oder Branchenzugehörigkeit. In einer globalisierten, sehr stark vernetzten Welt sind Unternehmen nun mal überall zu Hause – nicht in Zürich, Frankfurt, Detroit, Shanghai oder Moskau. Überall. Fragen Sie doch nur die Vorstände der Dax-Konzerne – Autobauer, Chemie- oder Pharmakonzerne. Alle sind sie massiv abhängig vom Export und damit von der Weltkonjunktur. Alle Weltaktien!
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