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Schulden retten die Welt

Konjunkturpakete und Geldpolitik sollen die ökonomischen Folgen der Corona-Krise bekämpfen. Der Preis: weltweit steigende Schulden. Aber wie werden Staaten die wieder los? Vier Varianten.

Die Corona-Krise kostet Geld. Viel Geld. Staaten und Notenbanken bekämpfen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie mit riesigen Hilfs- und Konjunkturpaketen und ultra-lockerer Geldpolitik. Die Rechnung werden zukünftige Generationen bezahlen müssen. So oder so. Die große Frage lautet: Was können wir tun, damit die Zahl auf dem Überweisungsträger nicht noch mehr Nullen angehängt bekommt?

Variante 1: Schuldenabbau über Wachstum

Grundsätzlich hat ein Staat vier Möglichkeiten, sich seiner Verbindlichkeiten zu entledigen. Die erste ist die mit Abstand angenehmste, weil sie keinerlei Opfer erfordert: über Wachstum. Wächst eine Volkswirtschaft, steigen auch die Steuereinnahmen und die Zahl der Beschäftigten. Umgekehrt sinken die Sozialausgaben – etwa für die Arbeitslosenversicherung – oder die Zuschüsse zur gesetzlichen Rentenkasse. Mit dem überschüssigen Geld werden die Schulden bezahlt, das Haushaltsdefizit im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung sinkt. Soweit die schnöde Theorie. In der Praxis funktioniert es leider nicht so, wie wir das gerne hätten. Die realen Wachstumsraten in den entwickelten Industrienationen sinken seit Jahrzehnten – und sind viel zu niedrig, um den Schuldenberg perspektivisch abtragen zu können.

Problem: Die strukturelle Wachstumsschwäche der Industriestaaten

Die Gründe für das schwache Wachstum in den Industriestaaten sind auch struktureller Natur, etwa die zunehmende Bevölkerungsalterung, oder die Tatsache, dass leicht erzielbare Wohlstands- und Globalisierungsgewinne weitgehend abgeschöpft sein dürften. Nicht zuletzt hindern die Schulden daran, die Schulden zu bezahlen. Denn wer einen Großteil der Einnahmen für Zins- und Tilgung seiner Verbindlichkeiten ausgeben muss, dem fehlt das Geld an anderer Stelle. Dies ist bei Investitionen und Forschung beispielsweise der Fall.

Variante 2: Schuldenabbau durch Steuererhöhungen

Variante zwei, die Schulden abzutragen, ist deutlich schmerzhafter. So könnte ein Staat seine Einnahmensituation verbessern, indem er die Steuern erhöht und gleichzeitig radikal die Ausgaben kürzt. Voraussetzung dafür ist, dass ein solcher Sparkurs von einer breiten Mehrheit in der Bevölkerung getragen wird; die Kürzungen müssen alle Gruppen betreffen, ohne Ausnahmen, und die Erfolge sollten absehbar sein. Andernfalls werden die Menschen wohl früher oder später auf die Barrikaden gehen.

Und selbst wenn ein breiter Konsens in der Bevölkerung herrschen würde, bedeutete dies noch lange nicht, dass ein radikaler Sparkurs auch zum Ziel führte. Wenn gleichzeitig versäumt wird, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft eines Landes zu stärken, nützt es wenig, allein dessen Ausgaben kräftig zu kürzen.

Erschwerend kommt hinzu, dass viele Sanierungskonzepte lediglich auf einzelne Volkswirtschaften beschränkt sind, die Folgewirkungen ausblenden. Spart Staat A, dann hat das in einer globalisierten Welt logischerweise Konsequenzen für die Staaten B und C. Wenn alle finanziell angeschlagenen Länder sparen, dann enden wir möglicherweise in einer Phase wie den 1930er-Jahren, der Großen Depression.

Variante 3: Schuldenabbau durch Staatsbankrott

Möglichkeit drei dagegen hilft Staaten garantiert, ihr Schuldenproblem zu lösen; zumindest vorübergehend und verbunden mit einem veritablen Vertrauensverlust an den Kapitalmärkten: Die Bankrotterklärung. Ein Staat könnte schlicht und einfach nicht bezahlen. Weil er aus wirtschaftlichen Gründen nicht dazu in der Lage ist oder aus politischen Erwägungen nicht will. In dieser Situation hilft ein kräftiger Schuldenschnitt, zu Neudeutsch „Haircut“, wie im Falle Griechenlands vor einigen Jahren praktiziert. Die Geschichte lehrt uns, dass Schuldenschnitte allein keine langfristige Lösung sind. Ohne Reformen ist die Lage nach dem Schuldenschnitt meist vor dem Schuldenschnitt, das Problem nur scheinbar, weil kurzfristig gelöst.

Variante 4: Schuldenabbau über die Notenbanken

Bleibt Variante 4: Die Notenbanken, die Financiers der letzten Instanz. Auf dem Papier unabhängig und über jeden Zweifel erhaben (Staatsfinanzierung ist ihnen eigentlich untersagt!), sind sie längst zu Helfern der Politik geworden, auch wenn Vertreter beider Seiten stets das Gegenteil behaupten, immer noch. Die Realität hat sie längst eingeholt. Ganz gleich ob US-Zentralbank Federal Reserve (Fed) oder Europäische Zentralbank (EZB). Erst recht die japanische Zentralbank Bank of Japan. Japan hat den Weg in neue Verschuldungsdimensionen bereits vor zwanzig Jahren angetreten.

Die Notenbanken gehen „all in“ - dauerhaft

Und sowohl die EZB als auch die Federal Reserve gehen all in: So verkündete Fed-Chef Jerome Powell jüngst ein unlimitiertes Wertpapierkaufprogramm, das den grenzenlosen Erwerb von US-Staatsanleihen und hypothekenbesicherten Wertpapieren ermöglicht. Und „Whatever it takes“ hatte der damalige EZB-Chef Mario Draghi bereits im Sommer 2012 zur Rettung der Eurozone gesagt – was immer es kostet.

Wir haben in den vergangenen Jahren gebetsmühlenartig darauf hingewiesen, dass angesichts der gewaltigen Verschuldung weltweit eine Rückkehr zu „normalen“ Zinsen kaum mehr möglich sei. Wir schrieben in unseren Berichten, dass die großen Notenbanken den „Point of no Return“, die Wegmarke, ab der es kein Zurück mehr gibt, längst überschritten hätten.

Dieser Artikel ist in einer langen Fassung in der aktuellen Ausgabe von „Position“, dem Magazin von Flossbach von Storch, erschienen. Sichern Sie sich hier Ihr kostenloses Abonnement.

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