Wirtschaftsmotor, Supermacht, Parteidiktatur. Wer sich für globale Trends interessiert, der blickt nach China. Die Analystin Shenwei Li berichtet von ihren Erfahrungen – subjektiv, aus dem Blickwinkel einer Chinesin. Sie berichtet über das Start-up DeepSeek, das unlängst für Schlagzeilen sorgte, und wie die Chinesen auf die Innovation reagiert haben.
Es war ein Paukenschlag, als das chinesische Start-up DeepSeek Ende Januar sein auf Künstlicher Intelligenz basiertes Sprachmodell oder „Large Language Model“ (LLM) DeepSeek R1 vorstellte. Es steht in direkter Konkurrenz zu etablierten Systemen wie ChatGPT, scheint aber deutlich weniger Chipkapazität zu benötigen. Chinesische Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch große Unternehmen des Landes zeigten sich interessiert. „DeepSeek“ ist in China inzwischen ein geflügeltes Wort, das (fast) jeder bei uns versteht und DeepSeek R1 gilt als das LLM des Volkes.
Selbst die DeepSeek-Kurse, die von der Senioren-Uni in Guangzhou im Frühlingssemester angeboten werden, waren in Nullkommanichts ausgebucht. Dass die Kapazität rasch verdoppelt wurde, hat daran nichts geändert. Auch in meinem Freundeskreis haben die meisten bereits versucht, auf dieses Instrument zuzugreifen. Aufgrund der großen Beliebtheit und des plötzlichen Massenandrangs stürzte bei Website und App jedoch seit Februar der Server des Unternehmens sehr häufig ab, und Fragesteller bekamen keine Antworten. Dennoch wurde das Interesse an Künstlicher Intelligenz geweckt. Und viele lokale chinesische LLMs, insbesondere Doubao von ByteDance oder Ernie von Baidu, berichteten von einem massiven Anstieg der Nutzer.
Tencent integriert DeepSeek
Der chinesische Technologie-Konzern Tencent hat DeepSeek sogar in die Suchfunktion seiner Super-App WeChat integriert. WeChat war 2011 als Kommunikationsdienst für Smartphones gegründet worden, wurde aber um zahlreiche Funktionen ergänzt, von denen einige fast täglich von den 1,2 Milliarden Nutzern verwendet werden. Doch auch bei Tencent gab es Tücken. Zwar war die neue Funktion nur für einen ausgewählten Kreis verfügbar, dennoch war WeChat Search rasch überfordert.
Infolgedessen hat Tencent den Test vorerst beendet und den Traffic auf seine eigene LLM Yuanbao umgeleitet. Lag diese App vor dem 16. Februar auf Platz 10 der lokalen LLM-Apps in China, rangierte sie nach der DeepSeek-bedingten Traffic-Weiterleitung innerhalb von einer Woche auf Platz 4. Auf Platz 1 thront weiterhin mit großem Abstand DeepSeek.
Auch auf dem B2B-Markt ist die Akzeptanz von DeepSeek groß; vor allem bei Behörden, Ämtern und Staatsunternehmen. Die Lokalregierung von Shenzhen gilt als die erste, die das Sprachmodell einsetzte. Bereits am 8. Februar wurde DeepSeek im Government Affairs System des Longgang Bezirks von Shenzhen von mehr als 20.000 Beamten benutzt. Seit dem 18. Februar erledigen 70 DeepSeek-basierte „AI-Beamte“ im Futian Bezirk von Shenzhen insgesamt 240 Aufgaben. Dazu zählen Formatkorrekturen für Regierungsvorlagen oder das automatische Erfassen von administrativen Strafen. Bei Regierungsvorlagen reduzierte sich die Prüfungsdauer um 90 Prozent, wobei die Fehlerquote bei unter fünf Prozent lag. Weitere Städte haben angekündigt, DeepSeek für ähnliche Aufgaben einsetzen zu wollen.
Unter den Staatsunternehmen hatte PetroChina noch im Mai 2024 angekündigt, zusammen mit China Mobile, Huawei und iFlytek das erste spezifische Energie-LLM entwickeln zu wollen. Doch auch PetroChina hat mithilfe von China Mobile am 8. Februar DeepSeek erfolgreich eingesetzt. Das Gleiche gilt für Sinopec. Auch die Staatsbanken ICBC und China Construction Bank haben DeepSeek in ihr System integriert.
Weitere 20 Banken haben einen DeepSeek-Einsatz angekündigt, etwa im Kundenservice, der Berichtsanalyse, in der Datenverarbeitung und der Vermögensverwaltung. DeepSeek ist den Banken zufolge deutlich kompatibler mit lokalen chinesischen Rechenleistungen als andere verfügbare Sprachmodelle in China, die auf Künstlicher Intelligenz basieren.
Behören trommeln für DeepSeek
Auch die lokalen Gesundheitsbehörden in Städten wie Peking, Shenzhen und Qingdao trommeln für DeepSeek. Anfragen von Krankenversicherten könnten so „schneller, genauer und rund um die Uhr beantwortet werden“. In Qingdao sollen Beamte lokaler Behörden mithilfe von DeepSeek-Datenanalysen Betrugsfälle am System der staatlichen Krankenkasse leichter entdecken können.
In Peking verbessert der Einsatz von DeepSeek inzwischen die zeitnahe Kapazitätsanpassung bei öffentlichen Verkehrsmitteln. Wird beispielsweise ein Beamter der lokalen Verkehrsbehörde um 15 Uhr benachrichtigt, dass das Verkehrsaufkommen im Stadtteil X voraussichtlich um 200 Prozent steigen wird und Staugefahr besteht, dann mussten bisher diverse Daten von Karten, Bussen, U-Bahn manuell gesammelt und analysiert werden, was erst nach zwei Stunden eine Anpassung ermöglichte.
Nun schlägt ihm ein DeepSeek-basierter Stadtverkehrsassistent nach etwa 20 Minuten beispielsweise vor, acht Busse der Linie A und 40 Prozent mehr Kapazität auf der Linie C zwischen 16 Uhr und 18 Uhr einzusetzen. Dadurch hat sich die Wartezeit der Passagiere in solchen Situationen von durchschnittlich 42 auf 12 Minuten verringert.
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