Wirtschaftsmotor, Supermacht, Parteidiktatur. Wer sich für globale Trends interessiert, der blickt nach China. Die Analystin Shenwei Li berichtet von ihren Erfahrungen – subjektiv, aus dem Blickwinkel einer Chinesin. Diesmal geht es um Eindrücke aus dem E-Commerce, die Hoffnung auf positive Entwicklungen beim Konsumverhalten geben.
Wie die Deutschen sind auch viele chinesische Verbraucher preisbewusst. Daher ist der 18. Juni bei uns ein wichtiger Tag. Anno 2008 hat die E-Commerce-Plattform JD.com an diesem Datum das erste „6.18-Shopping-Festival“ veranstaltet, weil es ihr Gründungstag ist. Über die Jahre haben sich weitere E-Commerce Plattformen angeschlossen, sodass es heute, nach dem Singles‘ Day im November, das zweitwichtigste Shopping-Event Chinas ist.
Doch bekanntermaßen lässt die Konsumnachfrage bei uns derzeit zu wünschen übrig. Daher waren die Erwartungen im Vorfeld verhalten. Zudem galt es als ausgemacht, dass vor allem der Niedrigpreisbereich punkten würde. Verzeichnete doch die E-Commerce-Plattform Pinduoduo seit einigen Jahren vor allem mit einer Niedrigpreis- plus einer im Jahr 2021 eingeführten „Refund only“-Strategie derart große Verkaufserfolge, dass diese Strategien inzwischen von anderen großen Plattformen kopiert werden.
„Refund only“ bedeutet „einfach immer Geld erstatten“. So können unzufriedene Käufer in der Regel mit einer 100-prozentigen Kaufpreiserstattung rechnen, oft ohne die Waren überhaupt zurückschicken zu müssen. Die Rückgabefrist von vormals sieben Tagen ist de facto aufgehoben. Und ein eventueller Versand ist für Kunden immer kostenlos.
Den Aufwand dafür trägt der Händler, der seine Waren auf der jeweiligen Plattform zum Verkauf anbietet. Zusätzlich wird oft noch eine Strafgebühr verhängt und der Händler nach einem Storno schlechter gestellt, sofern er sich auch nur in Einzelfällen unwillig zeigte, „Refund only“ umzusetzen. Zwar mehren sich die Proteste der Händler und manche haben sich vom Markt zurückgezogen. Aufgrund der Konsumschwäche war ihre Verhandlungsposition bisher aber schwach.
Doch nun zeichnen sich einige Veränderungen ab: So wurden beim „6.18-Shopping-Festival“ zwar keine Einnahmen in neuer Rekordhöhe verzeichnet. Sie lagen (gemessen am Gross Merchandise Value, GMV) bei den drei traditionellen E-Commerce Plattformen Tmall, JD und Pinduoduo im Vergleich zum Vorjahr sogar um sieben Prozent niedriger, wobei JD und Pinduoduo im Jahresvergleich sogar einen noch deutlicheren Rückgang zu verzeichnen hatten, während sich Tmall stabil halten konnte.
Bei den beiden jüngeren Plattformbetreibern, Kuaishou und Douyin (zählt zur Tiktok-Mutter Bytedance), die aber überwiegend über Livestream verkaufen, sind die Einnahmen im Vergleich zum Vorjahr zwar um zwölf Prozent gestiegen. Doch das Momentum hat sich vor allem bei Douyin im Vergleich zu Vorjahren deutlich abgeschwächt. Bekannte Key Opinion Leaders (KOL) verbuchten dort über ihre Live-Streaming-Kanäle teils 90 Prozent Minus. Und das ist beachtlich, weil Produkte über Live-Streaming-Kanäle oft mit noch höherem Rabatt verkauft werden als über herkömmliche E-Commerce-Plattformen.
Zudem verzeichneten Markenprodukte im Gegensatz zu den billigeren White-Label-Produkten ordentliches Wachstum. Marktinsidern zufolge wenden sich Konsumenten insbesondere von Sportartikeln im Online-Segment nach einer Phase der Suche nach besonders billigen Waren dieses Jahr wieder Markenprodukten zu und damit den entsprechenden dafür bekannten E-Commerce-Plattformen.
Vermutlich haben andauernde Proteste der Händler zu dieser ermutigenden Entwicklung beigetragen. Immer mehr Händler sagen Nein zu den für sie unfairen Geschäftspraktiken. So haben die Storni überhandgenommen: Wurden 2021 zwischen 10 und 15 Prozent im herkömmlichen E-Commerce-Format als „normale“ Rückgabequote bezeichnet, galt zuletzt auf der Plattform Douyin eine Rückgabequote von 40 Prozent für Damenbekleidung als „gut“ und 70 bis 80 Prozent als „normal“.
Es entwickelte sich mit der Verbreitung von Niedrigpreis- und „Refund only“-Strategie eine blinde Käuferfreundlichkeit und dadurch ein Teufelskreis. Immer mehr Markenanbieter schieden aus. Niedrigqualität füllte die Lücken, was die Rückgabequote noch weiter steigen ließ – auf ein unerträglich hohes Niveau für Händler, das sich selbst Topplayer nicht mehr leisten können oder wollen.
So sorgte es beispielsweise für Aufsehen, als die Marke Nummer eins bei Frauenbekleidung (mit 5 Millionen Followern und ein paar Milliarden Renminbi Umsatz allein auf dieser Plattform) kurz vor dem Festival ankündigte, den Online-Laden zu schließen, weil das Geschäft nicht mehr profitabel sei. Auch 40 Buchverlage schlossen sich zusammen, als die Plattform JD.com Rabatte von 70 bis 80 Prozent auf ihre Produkte ankündigte. In einem offenen Brief drohten sie mit einer Nichtteilnahme am Shopping Festival beziehungsweise mit der Nichtlieferung von Büchern, die über diese Plattform bestellt wurden.
Unterm Strich zeigt das bessere Abschneiden von Marken versus Non-Marken sowie die Outperformance von herkömmlichen E-Commerce- gegenüber Live Streaming-Verkäufen, dass die Phase, in der die guten von den nichtnachhaltigen Anbietern verdrängt wurden, wohl langsam zu Ende geht. Bieten doch Preisvorteile allein eben keinen Vorteil, weil sie dann mit Qualitätskompromissen verbunden sind.
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