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Gesellschaft
3 Minuten

Angela Merkel: Das Ende einer Ära

- Julian Marx

Angela Merkel war 16 Jahre lang deutsche Bundeskanzlerin. Jetzt nähert sich ihre Amtszeit dem Ende. Zeit, Bilanz zu ziehen. War sie eine „Wohlstands-Kanzlerin“?

Es war ein Höhepunkt in der Verabschiedungsrunde der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Anfang Juli wurde sie von Queen Elizabeth empfangen. Unter der 69-jährigen Regentschaft der Monarchin arbeiteten 14 britische Premierminister. Japans emeritierter Kaiser Akihito kam in seiner 30-jährigen Amtszeit auf 17 Regierungschefs. Politisch besonders stabil zeigt sich die Bundesrepublik Deutschland.

Seit der Gründung 1949 – und damit seit 72 Jahren – schafften es nur acht Kandidaten ins Kanzleramt. Seit 2005 ist Merkel im Amt. Gemeinsam mit Helmut Kohl harrte sie damit über vier Wahlperioden aus. Grund genug für eine Rückschau auf die Ära Merkel – aus einem rein wirtschaftlichen Blickwinkel.

„Eine starke Wirtschaft ermöglicht Wohlstand für alle“, so wirbt die Bundeskanzlerin auf ihrer Webseite angela-merkel.de. Nicht zu Unrecht: Bei ihrem Amtsantritt Ende 2005 litt Deutschland unter einer Wachstumsschwäche. Deutschland hatte wiederholt gegen die Verschuldungsgrenzen im Vertrag von Maastricht verstoßen. Die Schuldenquote betrug 67 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), ein Ende des Schuldenanstiegs war nicht abzusehen. Die Arbeitslosigkeit war hoch. Gleichzeitig boomte die Wirtschaft in EU-Ländern wie Spanien und Großbritannien.

In Merkels vier Legislaturperioden seit November 2005 wuchs die deutsche Wirtschaft um gut 20 Prozent. Aufs Jahr gerechnet entspricht dies einem jährlichen realen Wachstum von 1,3 Prozent. Das klingt überschaubar, blickt man auf die Historie der Bundesrepublik Deutschland zurück.

Nur ihr Amtsvorgänger Gerhard Schröder wies eine noch schwächere Bilanz aus. Allerdings lassen sich die Wachstumsraten der Bundeskanzler(innen) nur eingeschränkt vergleichen. Fiel in die Ära von Konrad Adenauer ab 1949 die Zeit des Wiederaufbaus mit weltweit hohen Wachstumsraten, folgte in Merkels Regierungszeit eine Krise auf die nächste. So sank die deutsche Wirtschaftsleistung allein in den Jahren 2009 und 2020 um 5,7 Prozent beziehungsweise 4,9 Prozent.

Die Wohlstands-Kanzlerin

Umso bemerkenswerter, dass deutsche Unternehmen im EU-Vergleich an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen haben. So erwirtschaftete ein Franzose 2005 im Durchschnitt etwa genauso viel wie ein Deutscher, 2021 dürften es fast zehn Prozent weniger werden. Obwohl ein wirtschaftlicher Aufschwung selten nur auf politische Faktoren zurückzuführen ist, stellte Merkel vor allem in den Anfangsjahren ihrer Kanzlerschaft wichtige Weichen: So wurde 2007 der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung gesenkt, die Rente mit 67 beschlossen und der Steuersatz auf Unternehmensgewinne sank von 38 auf 30 Prozent.

Ein weiterer Indikator zur Beurteilung der Wirtschaftsentwicklung ist die Arbeitslosenquote, die von fast elf Prozent im Dezember 2005 auf etwas mehr als vier Prozent bis Anfang 2021 fiel. Gleichzeitig stieg die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland um mehr als sechs Millionen Menschen. Etwa die Hälfte des Anstiegs ist mit einem Rückgang bei den Erwerbslosen erklärbar, was in Teilen auf die Reformen von Merkels Amtsvorgänger Schröder zurückzuführen sein dürfte. Daneben hat sich der Anteil der erwerbstätigen Frauen seit 2005 um mehr als zehn Prozentpunkte auf über 70 Prozent erhöht, auch dank des massiven Ausbaus von Kinderbetreuungsplätzen in der Ära Merkel.

Das Geldvermögen der privaten Haushalte ist seit Ende 2005 sogar um stolze 76 Prozent auf mehr als sieben Billionen Euro zum Ende des ersten Quartals 2021 gewachsen, also um etwa 3,8 Prozent per annum. Mehr als 90 Prozent des Anstiegs sind dabei auf Zuführungen von Geldmitteln zu erklären – nur ein kleiner Teil entfällt auf Vermögenspreisanstiege. Unterm Strich ist also in den 16 Jahren ihrer Kanzlerschaft der Wohlstand der Bevölkerung gewachsen.

Lesen Sie die Bilanz von Angela Merkel in unserem Magazin „Position“ – inklusive einer Analyse zur Bewältigung der Krisen, der Einführung einer europäischen Transferunion und der offenen Baustellen, etwa in der Altersvorsorge oder der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands.

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