Covid-19 hat Schwellenländer getroffen. Doch vor allem in Asien profitieren Unternehmen vom Trend zur Digitalisierung, zeigt Fondsmanager Michael Altintzoglou.
Herr Altintzoglou, in manchen Schwellenländern haben die Menschen stark unter der Pandemie gelitten. Dennoch wurden an den Aktienmärkten zeitweise hohe Gewinne erzielt. Wieso?
In vielen Ländern waren die Gesundheitssysteme unzureichend vorbereitet. Lockdowns führten oft zu einem nahezu kompletten Stillstand der Wirtschaft. Daher gab es an den regionalen Aktienmärkten zunächst hohe Kursverluste. Auf den Einbruch folgte allerdings eine schnelle Erholung, so dass bereits im Sommer die Jahresanfangskurse wieder erreicht wurden. Im vierten Quartal kam es dann zu einer Jahresendrally. Inzwischen hat die Stimmung an den Börsen aber wieder etwas gedreht.
Es gab Rücksetzer an den Märkten?
Ja, weltweit sind die Inflationserwartungen und damit die Zinsen am langen Ende gestiegen. Das belastet vor allem Aktien von Unternehmen mit stabilen, berechenbaren Erträgen – und jene, die stark wachsen. Das sind genau die Titel, in die wir gerne investieren. Zwar werden die großen Internet-Unternehmen vom chinesischen Regulator mittlerweile etwas kritischer beäugt. Allerdings dürfte das Land daran interessiert sein, dass seine Plattform-Unternehmen weiter erfolgreich bleiben, kräftig investieren und Innovationen vorantreiben. Zudem sind wir langfristige Investoren. Daher kommen uns Marktphasen wie die aktuelle sehr gelegen, da sich dann Kaufgelegenheiten ergeben können. Derzeit finden wir in den Emerging Markets sehr attraktive Geschäftsmodelle.
Zum Beispiel?
Die Pandemie hat wie ein Initialzünder gewirkt und den bereits bestehenden Trend zur Digitalisierung nochmals beschleunigt. Bei einem Lockdown verbringen eben viele Menschen viel Zeit im Internet. Das ist in Deutschland nicht anders als in Indien oder China. Ohnehin sind in den Schwellenländern viele Menschen bei den Möglichkeiten, die das Web bietet, deutlich aufgeschlossener, was auch an der jüngeren Altersstruktur liegt. Man kauft dort häufiger online ein, nutzt womöglich E-Learning, Streamingdienste oder Videokonferenzen. Aus unserer Sicht wird sich der zunehmende Einsatz von innovativen Technologien als ein dauerhaftes Phänomen erweisen.
Und das nützt Unternehmen, die diese Technologien anbieten. Doch sitzen diese Firmen nicht mehrheitlich in den USA?
Nicht nur. Nehmen Sie das Beispiel China. Seit der Finanzkrise legt die Regierung dort mehr Wert auf die Qualität als auf die Quantität des Wachstums. Das bedeutet, dass dort viel Geld in die Ausbildung investiert wird. Die Produktion von Computerchips wird gefördert, das 5G-Netz massiv ausgebaut. Zudem gaben chinesische Unternehmen bereits seit 2014 mehr Geld für Forschung und Entwicklung aus als Firmen in der EU. Die Ausgaben dürften inzwischen mit umgerechnet 616 Milliarden US-Dollar auch die Ausgaben der US-Unternehmen übersteigen.
Kommt das auch bei den Bürgern an?
Offensichtlich schon. Vor allem E-Commerce hat in China seit der Finanzkrise einen großen Stellenwert. Wenn Unternehmen den Geschmack der Menschen treffen, ist das Potenzial enorm. Der E-Commerce-Umsatz in China macht mittlerweile mehr als ein Viertel der gesamten Einzelhandelsumsätze aus. Auf Alibabas Plattformen wurden im letzten Jahr Waren im Wert von mehr als einer Billionen-US-Dollar umgesetzt. Die ausländische Konkurrenz bleibt außen vor, keiner der großen amerikanischen Internetunternehmen konnte in China richtig Fuß fassen. Dafür gibt es inzwischen sehr populäre chinesische Anbieter, die auch Dienstleistungen wie Friseurtermine oder den Restaurantbesuche vermitteln. Fast nebenbei hat sich auch das bargeldlose Bezahlen etabliert. Solche Plattformanabieter haben aus unserer Sicht ein enormes Potenzial, weil ihre Geschäftsmodelle leicht skalierbar sind und sie ihre Marktanteile rasch steigern können.
Haben diese Anbieter das Zeug in Zukunft mal zu Weltmarktführern aufzusteigen und Amazon & Co. die Stirn zu bieten?
Das Potenzial ist vorhanden, wobei aber auch die Inlandsmärkte sehr groß sind. Zudem finden sich auch in weniger entwickelten Schwellenländern, wo mit der Zahl der Handynutzer meist auch der mobile Konsum steigt, interessante Konkurrenten. Derzeit erschließen Anbieter die Inselstaaten Südostasiens. Auch in Südamerika entdecken immer neue Käuferschichten das E-Commerce. Und beim bargeldlosen Bezahlen oder bei Online-Games liegen Schwellenländer klar vorn.
Online-Games finden viele Eltern bei uns gefährlich. In ganz Europa sind Computerspiele auch wegen einem möglichen Abhängigkeitspotenzial umstritten.
Das mag sein. In Asien gelten Computerspiele aber als Sport. Dort werden große Wettbewerbe ausgerichtet mit eigenen Stadien und teils hohen Preisgeldern. E-Sports ist ab 2022 sogar eine olympische Disziplin bei den Asien-Games, was wiederum neue Geschäftsmöglichkeiten erschließt.
Achten Sie eigentlich im Portfolio auf die Erfüllung von Nachhaltigkeitskriterien?
Nachhaltigkeit ist fest in unserem Analyseprozess verankert. Gerade in Schwellenländern ist das Thema besonders wichtig. Wir machen bei Unternehmen deshalb auch keine Kompromisse – auch wenn die Bewertungssysteme oft schwer vergleichbar sind und Pauschalurteile nicht helfen.
Wie gehen Sie dabei konkret vor?
Wir sind grundsätzlich überzeugt, dass dem „G“ oder den „Governance-Strukturen“ von Regierungen und Unternehmen (wobei beides natürlich auch zusammenhängen kann) in Schwellenländern eine besonders große Bedeutung zukommt. So ist die Einhaltung von Rechtsstaatsprinzipien, der Schutz individueller Freiheits- und Eigentumsrechte, von grundlegender Bedeutung. Als förderlich erweisen sich stabile politische Verhältnisse, während Korruption und politische Unsicherheit auch die Wachstumsperspektiven eines Landes bedrohen. Der Wille, politisch verantwortungsvoll zu handeln, sollte bei einer Regierung deutlich erkennbar sein.
Schließen Sie einzelne Länder aus?
Wir halten uns zum Beispiel in Russland mit Investments zurück und betrachten auch die Türkei derzeit mit Sorge. Denn es ist ein bedenklicher Trend, wenn sich die Regierung in die Wirtschaft und Geldpolitik mit dem Ziel des persönlichen Machterhalts einmischt.
Gibt es auch Ausschlüsse von Unternehmen?
In manchen Ländern übt der Staat seinen Einfluss auch auf Ebene der Unternehmen aus. Bei Investitionen in staatlich kontrollierte Konzerne sind wir daher sehr vorsichtig. Sie sind meist weniger produktiv als privatwirtschaftliche Unternehmen und anfälliger für Korruption. Aber auch bei privaten Unternehmen ist uns gute Führung wichtig. Wir fordern unabhängige Kontrollorgane und Informationen zu den Anreizsystemen. Mögliche Abhängigkeiten sollten transparent sein. So gibt es zum Beispiel in Südkorea Unternehmen von Weltrang. Doch die Corporate Governance dieser Konglomerats-Strukturen, „Chaebol“ genannt, ist noch stark verbesserungswürdig.
Herr Altintzoglou, vielen Dank für das Gespräch.
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