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Geldanlage
8 Minuten

„Die Inflation wird steigen“

- Flossbach von Storch

Notenbanken und Staaten fluten die Märkte mit Geld – und die Wirtschaft springt bald wieder an. Das dürfte die Inflation anheizen. Mit entsprechenden Folgen für die private Vermögensplanung. Ein Gespräch von Tobias Schafföner und Thomas Lehr.

Thomas Lehr: Über kaum ein Thema wird derzeit so viel geredet wie über Kryptowährungen. Bitcoin sind gleichfalls Symptom, Seismograph und Spekulation. In welchem Lager bist Du? 

Tobias Schafföner: Natürlich ist die Blockchain ein brillantes, intellektuelles Konzept. Die Bedeutung von Bitcoin hat sich mit der Zeit aber gewandelt. Der Ursprung lag in einem Unbehagen darüber, was in unserem Geldsystem schiefläuft. Aktuell zeigt sich aber vor allem ein starkes, spekulatives Element. 

Ein Zertifikat auf die gute Stimmung, sozusagen. Welchen Nutzen könnten Bitcoins für ein Portfolio haben? 

Mit dieser Frage beschäftigen wir uns sehr intensiv. Es gibt eine starke Korrelation zu der Entwicklung am Aktienmarkt. Wenn die Kurse steigen, läuft auch der Bitcoin. Und man kann natürlich noch weiter unter die Oberfläche gucken: So liefen Bitcoins etwa dann besonders gut, als Tesla bei der Bewertung an der Börse an der Marke 900 Milliarden Dollar gekratzt hat oder die Robin-Hood-Trader der Aktie des Computerspiele-Händlers Gamestop einen (kurzfristigen) Höhenflug bescherten. Solche Beispiele zeigen: Der Diversifikationseffekt zu Aktien ist in einem gemischten Portfolio eher gering. Bitcoin ist eine „Gute-Laune-Anlage“, keine Versicherung gegen eine mögliche Krise unseres Geldsystems. Auch wenn wir nicht investiert sind, verfolgen wir das Thema aber trotzdem sehr genau. 

Bitcoin taugt offenbar nicht als Fluchtwährung. Wie sieht es mit Gold aus? Der Preis ging zuletzt runter, obwohl es im Zuge der Corona-Hilfen zu einem massiven Anstieg der Geldmenge kam. 

Die Geldmengen steigen zwar massiv an, das scheint die Mehrzahl der Marktteilnehmer aber (noch nicht) zu beunruhigen. Aktuell ist sehr viel Optimismus im Markt. Das kann sich aber wieder ändern. Gleichfalls sind die Zinsen vor allem in den USA deutlich gestiegen, was Gold im Vergleich zu Staatsanleihen teurer erscheinen lässt. 

Die steigenden Zinsen zeigen den sich aufhellenden Konjunkturoptimismus. Hier muss man aber unterscheiden zwischen einem nominalen Anstieg und dem realen Anstieg der Zinsen. Wenn man die Inflation abzieht, bleibt von den steigenden Zinsen nicht viel übrig … 

… was für Anleger natürlich der entscheidende Punkt ist. Wenn man einen Zins von vier Prozent hat und die Inflation bei zwei Prozent liegt, dann brauche ich keinen Inflationsschutz. Von solchen Verhältnissen sind wir aber schon seit vielen Jahren weit entfernt. Daran ändert auch nichts, dass die Zinsen zuletzt wieder etwas angestiegen sind. Und, auch wenn man es immer wieder liest, Gold ist nicht primär Inflationsschutz, sondern dient dem Erhalt der Kaufkraft bei negativen Realzinsen. 

Rechnest Du mit einer stark steigenden Inflation? 

Ich glaube schon, dass die Inflation dieses Jahr zeitweilig auf mehr als drei Prozent steigen kann, wie es Bundesbankpräsident Jens Weidmann in den Raum gestellt hat. 

Wenn man bei der Preisentwicklung genauer hinschaut, wird es spannend. Trotz Rezession ist etwa der Preis für Kupfer deutlich gestiegen. Dabei gilt das Industriemetall bei Ökonomen als Frühindikator für die Konjunktur. 

Das Beispiel zeigt sehr gut, wie viel vom voraussichtlichen Konjunkturaufschwung nach der Eindämmung der Pandemie schon jetzt an den Märkten eingepreist ist. Jetzt mag Kupfer mit Blick auf die zunehmende Elektromobilität noch ein Sonderfall sein. Aber auch bei anderen Rohstoffen und Energieträgern steigen die Preise. Und in diesem Fall haben die Notenbanken nicht viel Einfluss auf die Preisentwicklung. 

Mit Zinsschritten lässt sich gegen steigende Ölpreise nur wenig ausrichten. Auch nach der Finanzkrise vor gut zehn Jahren stiegen die Rohstoffpreise deutlich an. Und damals ist die Europäische Zentralbank (EZB) darauf hereingefallen … 

… was natürlich ein hartes Urteil ist. 2011 gab es eine interessante Entwicklung. Als die Inflation, getrieben durch die Rohstoffpreise, um fast drei Prozent anzog, gab es in der Eurozone zwei Zinsschritte um jeweils 0,25 Prozent. Damals wollte die EZB unter Jean-Claude Trichet wohl zeigen, dass sie auch Bundesbank kann. Sie wurde aber schnell zur Umkehr gezwungen: Die Risikoaufschläge bei Anleihen sind stark gestiegen und die Probleme der Eurozone kochten hoch. Aus dieser Entwicklung hat die EZB natürlich gelernt: Eine Krise der Eurozone möchte sie unbedingt vermeiden und wird tun, was auch immer dafür nötig ist. 

Trotz steigender Preise bleiben die Zinsen diesmal unten? 

Ja. Das „institutionelle Gedächtnis“ der Notenbanker dürfte eine Zinswende verhindern. Mit den entsprechenden Folgen für die deutschen Sparer, die ihr Geld immer noch vor allem auf Zinskonten „investieren“. 

Das bedeutet: Wer rentierliches Anlegen, wie etwa ein sorgfältig zusammengestelltes Aktiendepot meidet, sollte seinen Frieden mit der Null machen. 

Oder seinen Frieden mit negativen Zinsen, die immer mehr Banken von ihren Kunden verlangen. Ein solches Umfeld führt dann auch schnell mal zu „unschlagbaren“ Zinsofferten von Banken, um die Anleger besser einen Bogen machen sollten. Die privaten Einlagen bei der insolventen Greensill Bank sind zwar durch die Einlagensicherung geschützt. Hierbei handelt es sich aber um Moral Hazard, wenn sich Sparer, die ein paar zehntel Prozentpunkte mehr ergattern möchten, gleichfalls auf die Solidarität anderer Banken oder der Steuerzahler verlassen. Die Kommunen können das nicht und bangen jetzt um ihre Einlagen. 

Einige Notenbanken haben in den vergangenen Monaten ihre Inflationsziele angepasst. Was bedeutet das für die EZB? 

Sie folgt der US-amerikanischen Notenbank Federal Reserve (Fed). Das symmetrische Inflationsziel in der Eurozone liegt jetzt bei zwei Prozent. Früher galt einmal „unter, aber nahe zwei Prozent“. Zudem würde wohl ein temporäres Überschreiten über diese Marke toleriert. „Price-Level-Targeting“ bedeutet: Wenn die Inflation längere Zeit unter zwei Prozent lag, greift die Notenbank nicht ein, wenn die Rate temporär mal merklich höher liegt. 

Die Notenbanken bauen also schon für Zeiten vor, in denen die Inflation mal wieder ansteigen sollte. Das verbessert die Situation der Sparer natürlich nicht. In den USA sind wir schon einige Schritte weiter, hier spielen die Märkte schon eine höhere Inflation in der Zukunft, zumindest deuten die zuletzt gestiegenen Zinsen bei Staatsanleihen mit langen Laufzeiten drauf hin. 

Die USA sind mit Blick auf die Konjunktur schon viel weiter als wir. Das Impfprogramm geht deutlich schneller voran und das erlaubt eine schnellere Öffnungsperspektive. Zudem helfen gigantische staatliche Hilfsprogramme, zuletzt gab es grünes Licht für ein Paket über 1,9 Billionen US-Dollar. Das treibt die Konjunktur und letztlich auch die Inflation.  

Die US-Notenbank hat ein duales Mandat, schaut also nicht nur auf die Preisstabilität, sondern auch auf den Arbeitsmarkt. 

Das ist sehr wichtig, um einschätzen zu können, wie sich die Geldpolitik der USA in Zukunft entwickelt. Der Fed geht es eben auch um Vollbeschäftigung. Das hat eine sozialpolitische Komponente. Man kann sich darüber streiten, ob das ein geldpolitisches Ziel sein sollte, es beeinflusst aber die Entscheidungen. 

Der Arbeitsmarkt hat aber alte Niveaus noch nicht erreicht. 

Die USA sind noch weit entfernt von den Beschäftigungszahlen von vor der Pandemie. Und selbst vor Corona gab es in den USA – zumindest aus Sicht der Notenbanker – noch keine Vollbeschäftigung. Aus diesem Blickwinkel gibt es also keinen Veränderungsbedarf bei der expansiven Geldpolitik, den man erwarten könnte, wenn man ausschließlich auf die steigende Inflation guckt. 

Der Blick auf die Zinsstrukturkurve in den USA zeigt, dass die Zinsen bei langen Laufzeiten zuletzt stark gestiegen sind, während die Renditen bei kurzen Laufzeiten tief bleiben. Was hat das für Auswirkungen auf ein Portfolio? 

Eine interessante Entwicklung. Am langen Ende zieht der Konjunkturoptimismus die Zinsen nach oben, während am kurzen Ende die Leitzinsen tief bleiben. Für Anleihen bedeutet das, dass die Ertragsmöglichkeiten zuletzt etwas gestiegen sind. Das ist vor allem für defensive Portfolios mit einem höheren Rentenanteil interessant, zumal die US-Dollar-Währungsabsicherung aktuell relativ günstig ist. Im Gesamtportfoliokontext ergibt sich bei höheren Renditen auch wieder ein größerer Diversifikationseffekt, der bei sinkenden Renditen in einem Umfeld fallender Aktienkurse positiv wirken könnte – wobei der im Moment noch überschaubar ist. 

Steigende Zinsen bedeuten aber nicht automatisch sinkende Aktienkurse. Ganz im Gegenteil, denn sie deuten auf eine positive Wirtschaftsentwicklung hin, von der viele Unternehmen profitieren. Kommen wir nochmal auf unser anlagestrategisches Weltbild zu sprechen. Wir haben schon seit vielen Jahren die Überzeugung, dass die Zinsen niedrig bleiben. Sind wir da zu dogmatisch? 

Ich hoffe, dass wir das niemals werden. Auch deshalb setzen wir uns ja jeden Monat zusammen und stellen uns die immer gleichen Fragen. Es ist mir wichtig, nochmal zu betonen, dass unser Anlageweltbild ja nicht die nominalen Renditen prognostiziert. Unser Argument der relativen Attraktivität von Sachwerten – zuallererst nennen wir immer Aktien – basiert auf dem Realzins. Wenn die Inflation anzieht und die Zinsen unterproportional mitlaufen, ist diese relative Attraktivität unverändert hoch. Und unser Anlageweltbild, das ja ein Realzins-Weltbild ist, bleibt intakt. 

Ohnehin sollte ein robust investiertes Vermögen niemals so binär investiert sein, dass es in Bedrängnis geraten kann, wenn einige Grundüberzeugungen temporär mal nicht aufgehen. 

Wir denken langfristig. Nehmen wir mal die Inflation. Es ist recht einfach zu prognostizieren, dass die Preise in diesem Jahr steigen werden. Aber wie nachhaltig ist diese Entwicklung? Folgt dem kurzen Aufschwung tatsächlich eine Lohn-Preis-Spirale, die der Inflation dauerhaft Schub verleiht? Es gibt Argumente dafür oder dagegen – letztlich ist das für uns auch gar nicht so wichtig. Denn unser Portfolio wäre für einen solchen Fall gut aufgestellt – aber wir brauchen keine Inflation, damit die Portfolios, so wie sie aufgestellt sind, langfristig positive Erträge erwirtschaften können. 

Vielen Dank für das Gespräch. 

Thomas Lehr ist Kapitalmarktstratege der Flossbach von Storch AG. Dr. Tobias Schafföner ist Analyst und Portfoliomanager der Flossbach von Storch AG. 

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