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Geldanlage
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Die nächste Runde

- Flossbach von Storch

Der Streit zwischen den USA und China geht weiter – auch unter Joe Biden. Vermutlich noch sehr lange. Was das langfristig für Anleger bedeutet, erklären unsere Kapitalmarktstrategen Thomas Lehr und Philipp Vorndran.

Viele Europäer dürften in diesen Tagen ernüchtert zur Kenntnis nehmen, dass Joe Biden offenbar nicht der US-Präsident ist, den sie noch vor Monaten allzu gerne in ihm sehen wollten: Den Heilsbringer, der nicht nur die zerrissenen USA zusammenbringt, sondern kurzerhand die ganze Welt befriedet, all ihre Konflikte löst. Diese Erwartungshaltung, verzeihen Sie uns bitte das harsche Urteil, war und ist leider naiv gewesen. Sie entspringt der „verwegenen“ Annahme, dass Regierungen niemals aus machtpolitischem Kalkül handeln. Aber nur weil das europäische Politiker, zumindest viele von ihnen, irgendwann verlernt zu haben scheinen, gilt das noch lange nicht für die Vertreter anderer Nationen.

Nicht für US-Amerikaner, auch nicht für Chinesen. Das haben das jüngste Treffen hochrangiger Vertreter beider Seiten in Anchorage, Alaska, und der offen zur Schau gestellte Streit gezeigt. Anders ausgedrückt: Für die Welt ist es fast egal, wer im Weißen Haus sitzt. Ob Biden oder Trump. Oder wer auch immer. Auch wenn sie unter der neuen US-Administration anders heißen dürfte – die außenpolitische Doktrin bleibt: „America first“!

Biden ist Getriebener der überliegenden US-Interessen

Mag sein, dass Biden als Typ weit kultivierter, verlässlicher und versöhnlicher wirkt; letztlich ist und bleibt auch er ein Getriebener handfester US-Interessen, und die lauten parteiübergreifend, in nur einen Satz gepresst: Weltmacht bleiben, China auf Distanz halten – mit (fast) allen Mitteln. Von daher sollte der Streit von Alaska niemanden verwundern. Er ist lediglich Ausdruck eines Konflikts, der die Welt noch lange begleiten wird.

Aber was hat all das mit den Interessen von Investoren zu tun, zumal wir gewöhnlich stets betonen, dass Anleger Politisches niemals überschätzen sollten?

Ja, das stimmt, aber „nur“ in 9 von 10 Fällen, auch darauf weisen wir gewöhnlich hin. Es gibt sehr wohl Politisches, was – nach vorne schauend – auch für Investoren relevant ist. So wie das Wettrennen um den Weltmachtstatus und seine Begleitmusik.

Die Frage ist, wer von den Wettläufern verfügt über den besseren Wettkampfplan – China oder die USA? Im Grunde erzeugt die Corona-Pandemie, der Umgang mit ihr, ein sehr gutes Bild beider Machtblöcke, denn der Konflikt ist nicht allein ein ökonomischer Wettstreit, sondern auch ein Wettbewerb zweier politischer Systeme und Kulturen.

Chinas Plan ist schlau

China hat Covid-19 frühzeitig eingedämmt, insbesondere durch massive, aber konsequent durchgehaltene Beschränkungen zu Beginn der Pandemie. Die Chinesen haben die Vorgaben Pekings duldsam er- und mitgetragen (hatten sie eine Wahl?). Das Ein-Parteien-System als Wettbewerbsvorteil? Es scheint fast so, wenngleich wir uns etwas anderes wünschen würden …

Ein Wirtschaftskrieg wäre gegen China kaum zu gewinnen

Sehr schlau ist in jedem Falle Chinas Plan, die Welt von sich abhängig zu machen. Peking positioniert und inszeniert sich als verlässlicher Handelspartner – getreu dem Motto: „Meine Interessen sind auch Deine Interessen“. Schlussendlich geht es der Regierung darum vorzubauen. Ein enges Geflecht aus Handelsbeziehungen macht das Mittel der Sanktion für den Kontrahenten langfristig untauglich. Denn Sanktionen gegen China würden nicht nur China treffen, sondern auch seine Handelspartner. Wie der Ast, auf dem man sitzt und gleichzeitig sägt. Kurzum: Ein kalter, ein Wirtschaftskrieg wäre gegen China kaum zu gewinnen.

Die USA dagegen galten lange Zeit als der Pandemie-Verlierer, mit Abstand; weil Trump nichts vom Virus wissen wollte, außer dem Befund, dass es aus China stammt. Biden dagegen hat den Kampf gegen Covid-19 zur dringlichsten Aufgabe seiner noch jungen Amtszeit gemacht. Sein wichtigstes Instrument, bezogen auf die US-Wirtschaft: Geld! Sehr viel Geld, um Infrastruktur zu erneuern und aufzubauen, um letztlich so im Wettstreit mit China zu punkten, den „Standort USA“ zu stärken. Andersherum: Die USA versuchen, ihren Weltmachtstatus weniger mit strategischen Allianzen zu konservieren, sondern vor allem mit Schuldenmachen.

Wir haben ausgerechnet, wie hoch die Hilfen und Zuschüsse, die die US-Regierung in den vergangenen Wochen und Monaten gewährt hat, gewesen sind – pro Kopf: Bislang stehen 30.000 US-Dollar. 30.000 US-Dollar neue Schulden für jeden erwerbstätigen US-Amerikaner, jede US-Amerikanerin, um die Corona-Auswirkungen zu dämpfen. Die Dimensionen muten aberwitzig an, insbesondere dann, wenn man die Zahl ins Verhältnis setzt zum durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen, das in den USA bei rund 50.000 US-Dollar im Jahr liegt.

Und spätestens hier wären wir dann auch bei dem Punkt, der höchst relevant ist für Investoren: Die langfristige Finanzierung der Schulden, die nach Corona noch sehr viel gewaltiger sein werden, als sie ohnehin schon waren. Wer, um Himmels willen, soll all die Hilfen und Geschenke bezahlen?

Kommt die Zinswende doch noch?

Am Ende bleiben die Notenbanken – wieder einmal. Ohne tiefe Zinsen lassen sich so üppige Schecks nicht ausstellen. Wir würden deshalb davor warnen, den Anstieg der Anleiherenditen, den wir wegen des wachsenden Konjunkturoptimismus‘ und der einhergehenden Inflationserwartungen jüngst in den USA, aber auch in anderen Teilen der Welt beobachten konnten, zu überschätzen.

Eine Zinswende, die schon vor vielen Jahren herbei diskutiert werden sollte – und nie kam –, wird auch diesmal nicht kommen, auch wenn die Sorge davor erneut groß zu sein scheint. Was im Übrigen nicht bedeutet, dass es keinen temporären Anstieg der Anleiherenditen geben kann – doch, den wird es immer wieder geben, nur wird er unseres Erachtens nie nachhaltig sein, nie nachhaltig sein können.

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