Donald Trump wütet in den sozialen Medien und die US-Notenbank wartet weiter ab. Die Zinsen bleiben konstant, weil die Datenlage unklar bleibt. Was müsste sich ändern, damit die Zinswende kommt?
Eigentlich ist gar nichts passiert. Zumindest auf den ersten Blick. Beim jüngsten Zinsentscheid blieb die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) ihrer Linie treu und beließ die Leitzinsen unverändert in einer Bandbreite von 4,25 bis 4,5 Prozent.
Es ist auch nicht auszuschließen, dass zunächst weiterhin „nichts passiert“, also die Zinsen noch eine Weile auf diesem Niveau verharren könnten. Denn „ob“ beziehungsweise „wann“ ein erster Zinsschritt in diesem Jahr erfolgen könnte, bleibt auch nach der letzten Fed-Sitzung offen, wie die neuesten Projektionen der Mitglieder des Offenmarktausschusses (FOMC) bestätigen.
Demnach halten 12 der 19 Notenbanker mindestens eine Zinssenkung in diesem Jahr für vorstellbar. Acht davon tendieren derzeit zu zwei Zinssenkungen. Die verbleibenden sieben erwarten zum Jahresende hingegen ein unverändertes Leitzinsniveau (Summary of Economic Projections, June 18, 2025).
Andererseits: Ganz so somnolent, wie es zunächst erscheinen mag, ist die Zinswelt dann doch nicht. In der zurzeit äußerst undurchsichtigen Gemengelage sind derartige Einschätzungen, ebenso wie die aktualisierten Inflations- und Wachstumsschätzungen der Notenbanker mit einem Höchstmaß an Vorsicht zu genießen. Die Fed agiert datenabhängig. Angesichts der Vielzahl an Unsicherheiten bleibt abzuwarten, wie sich diese Datenbasis entwickelt.
Wertlos sind die Aussagen der Notenbanker aber dennoch nicht. Insbesondere deshalb, weil die konträren Inflations- und Wachstumsschätzungen das derzeit gegenläufige Risikoprofil hinsichtlich des dualen Fed-Mandats unterstreichen.
- Auf der einen Seite ist das Inflationsbild von Aufwärtsrisiken geprägt. Zwar ist die US-Inflation in den vergangenen drei Jahren spürbar zurückgegangen, und die Kerninflation, gemessen am Personal Consumption Expenditures Price Index, lag im April 2025 bei nur noch 2,5 Prozent; dem immerhin tiefsten Stand seit März 2021. Gleichzeitig verlangsamte sich der Disinflationsprozess zuletzt jedoch und droht, sich umzukehren. Entsprechend erwarten die FOMC-Mitglieder für das vierte Quartal 2025 weiter eine spürbare Kerninflation in Höhe von 3,1 Prozent, nachdem sie im März noch mit 2,8 Prozent rechneten. Höhere Zölle sind in diesem Zusammenhang erwartungsgemäß ein prominenter Risikofaktor.
Zum einen deuten aktuelle Unternehmensumfragen darauf hin, dass die Zölle weitergegeben werden und somit einen unmittelbar preistreibenden Effekt entfalten. Zudem kann ein damit verbundener Anstieg der kurzfristigen Inflationserwartungen den Unternehmen (zusätzlichen) Spielraum für Preiserhöhungen geben und die Persistenz der Inflation erhöhen. Dreht man die Spirale gedanklich weiter, könnte sich ein zollbedingter Anstieg der Teuerungsraten im ungünstigsten Fall schließlich auch auf die mittel- bis langfristigen Inflationserwartungen auswirken – diese Sorge begründet sich nicht zuletzt dadurch, dass die negativen Erfahrungen der vergangenen Jahre mit ungewöhnlich hohen Teuerungsraten noch sehr präsent sind.
- Demgegenüber mehren sich aber auch die Befürchtungen um eine Eintrübung der US-Wirtschaft. Damit verbunden sind Abwärtsrisiken für das zweite Ziel der US-Notenbank, die Vollbeschäftigung. Als Reaktion auf den Handelskonflikt haben die FOMC-Mitglieder ihre Wachstumsschätzung für das vierte Quartal 2025 dann auch nach unten revidiert. Fortan erwarten sie nur noch 1,4 Prozent Realwachstum, nachdem sie im März noch mit 1,7 Prozent rechneten. Eine derartige Wachstumseintrübung muss aber keineswegs in einem spürbaren Anstieg der Arbeitslosigkeit münden. Wenngleich sich die Arbeitsmärkte in den USA und der Eurozone nur bedingt vergleichen lassen: In der Eurozone mündeten die seit Jahren eher mäßigen Wachstumsraten im April 2025 in einer rekordniedrigen Arbeitslosenquote von 6,2 Prozent. Insofern ist Vorsicht geboten, eine mögliche Wachstumsdelle zu einem so frühen Zeitpunkt hinsichtlich ihrer Implikationen auf den Arbeitsmarkt überzubetonen. Und so rechnet die US-Notenbank vorerst auch weiter mit einem robusten Arbeitsmarkt und sieht die US-Arbeitslosenquote bei 4,5 Prozent im diesjährigen Schlussquartal.
Im Ergebnis ist die Unsicherheit also weiter hoch. Abwärtsrisiken am US-Arbeitsmarkt prallen auf Aufwärtsrisiken für die US-Inflation. Mit Blick auf die nach wie vor robusten Arbeitsmarktdaten und die zuletzt nur leicht gestiegene Inflation befindet sich die Fed derzeit aber (noch) in einer guten Ausgangssituation, um ihre moderat restriktive Haltung zunächst beibehalten – und die weitere Datenlage beobachten zu können. Erst ein klareres Inflations- und Wirtschaftsbild dürfte diese Starre in den kommenden Monaten oder Quartalen lösen können.
Bis es zu einer echten geldpolitischen Wende kommt, dürften Powell & Co. folglich in der Warteschleife verweilen. Auch wenn der US-Präsident und seine Administration nicht müde werden, ihr Interesse an signifikanten Zinssenkungen lautstark zu kommunizieren.
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