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Sorgen um den Hauskredit

- Julian Marx

Die Bauzinsen steigen. Was bedeutet das für Haus- und Wohnungseigentümer, die regelmäßig Raten für ihre Immobilienkredite zahlen? Ein internationaler Vergleich.

„Für das Gewesene gibt der Kaufmann nichts“ – allein der Blick nach vorne zählt. Die Erkenntnis des Ur-Betriebswirts Eugen Schmalenbach ist mittlerweile mehr als 100 Jahre alt, aber keineswegs veraltet, wie ein Blick auf den deutschen Häusermarkt zeigt.

Mussten Häuslebauer Anfang 2022 in Deutschland für einen zehnjährigen Immobilienkredit im Durchschnitt kaum mehr als ein Prozent an Zins pro Jahr zahlen, waren es für neue Verträge zuletzt rund vier Prozent. Damit hat sich die Ausgangslage für Immobilienfinanzierer drastisch verschlechtert und viele Träume von einem Eigenheim sind geplatzt. So ist der (reale) Auftragsbestand im deutschen Wohnungsbau im vierten Quartal 2022 um knapp 18 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal gesunken. Und diese Entwicklung verlief in sehr vielen Ländern ähnlich.

Aber wie hart treffen die steigenden Zinsen Haushalte, die sich bereits vor der Zinswende zum Kauf oder Bau einer Immobilie entschieden haben; Immobilienbesitzer also, die bereits in der Finanzierung der eigenen vier Wände stecken? Haben sie sich womöglich übernommen und könnten angesichts der gestiegenen Bauzinsen ins Straucheln kommen?

Nicht alles in einen Topf werfen

In vielen Ländern geht von den gestiegenen Bauzinsen keine unmittelbare Bedrohung für die Mehrheit der Hauseigentümer aus, die dafür einen Kredit laufen haben. Darauf deutet die Entwicklung der durchschnittlichen Zinsbelastung hin. So zahlten Haushalte in Deutschland, in Frankreich oder in den USA im Schnitt zuletzt einen ähnlich hohen Zins auf ihre Immobilienkredite wie Ende 2021 (vgl. Grafik).

 

Die Kreditlandschaft variiert von Land zu Land Je kürzer die durchschnittliche Zinsbindung, desto schneller wirken Zinserhöhungen
Abbildung 1 (Quelle: Refinitiv, Flossbach von Storch, Daten per 20. März 2023)

 

Der Hauptgrund für diese träge Zinswirkung ist, dass in diesen Ländern überwiegend langlaufende Kredite für eine Hausfinanzierung üblich sind. Die Zinsbelastung steigt daher oft erst mit einer Verzögerung von vielen Jahren. (Und so mancher Haushalt wird davon womöglich gar nicht getroffen, sollte sich der Zins bis zum Zeitpunkt der Anschlussfinanzierung wieder in eine andere Richtung bewegen.)

Über besonders lange Zinsbindungsfristen verfügen dabei US-Kreditnehmer. In den USA betrug die durchschnittliche Laufzeit bei Abschluss eines Immobilienkredits in der jüngeren Vergangenheit gut 25 Jahre. Das war nicht immer so. Noch in den Jahren vor der Subprime- und US-Immobilienkrise ab 2007 waren zeitweise bis zu 40 Prozent der US-Immobilienkredite mit einer variablen Verzinsung abgeschlossen worden. Doch das hat sich verändert und heutzutage sind US-Hausbesitzer selbst gegenüber einem dynamischen Zinsanstieg wie im Jahr 2022 entsprechend resilient.

Deutlich höhere Zinsbelastung in Norwegen

Doch in manchen Ländern ist der Druck steigender Bauzinsen auf Immobilienbesitzer deutlich höher. In Norwegen, Schweden oder Italien ist der Anteil an Krediten, die variabel verzinst sind oder über kürzere Zinsbindungen verfügen, ungleich höher. Entsprechend zahlen norwegische Haushalte im Durchschnitt mittlerweile mehr als vier Prozent Zinsen auf ihren Hauskredit – ein Anstieg von gut zwei Prozentpunkten gegenüber Dezember 2021. Auch in Italien sind die jährlichen Zinskosten inzwischen im Durchschnitt um fast einen Prozentpunkt gestiegen. Droht hier also Ungemach?  

Die Lage in Norwegen wirkt zwar angesichts einer Verdopplung der Zinskosten binnen eines Jahres durchaus bedrohlich. Lagen doch die insgesamt ausstehenden Schulden norwegischer Haushalte Ende 2022 bei rund 250 Prozent des verfügbaren Einkommens – ein absoluter Spitzenwert im internationalen Vergleich. Allerdings sollte hieraus kein unmittelbares systemisches Risiko für Norwegens Finanzsystem abgeleitet werden. Einerseits sind Kreditzinsen in Norwegen steuerlich abzugsfähig. Daher existieren geringere Anreize, Bauschulden zurückzuführen. Zudem verfügt Norwegen mit seinem gigantischen Staatsfonds über ein Alleinstellungsmerkmal. Das Fondsvolumen ist etwa dreimal so hoch wie die Gesamtschulden der norwegischen Haushalte. Damit allein ließe sich eine Schieflage am Immobilienmarkt notfalls problemlos stützen.

In Italien können die Haushalte im Ernstfall hingegen eher nicht auf eine massive Unterstützung durch die Staatskasse hoffen. Doch 2020 hatten ohnehin nur elf Prozent der italienischen Haushalte einen Immobilienkredit ausstehen; in Norwegen lag dieser Anteil hingegen bei 51 Prozent, in Frankreich bei 23 Prozent und in Deutschland bei 18 Prozent. Bereits 61 Prozent der italienischen Haushalte leben in ihrem (abbezahlten) Eigenheim. Deutlich mehr als in Norwegen (22 Prozent), Frankreich (39 Prozent) und Deutschland (26 Prozent). Das ist gut und schlecht zugleich:

  • Gut, weil nur ein kleiner (und vermutlich einkommensstarker) Bevölkerungsteil in Italien mit steigenden Kreditzinsen konfrontiert wird.
  • Schlecht, weil es aus volkswirtschaftlicher Sicht auch die wirtschaftliche Schwäche Italiens offenbart. Die Jugendarbeitslosenquote lag dort im Januar 2023 bei rund 23 Prozent. Das ist eine der höchsten im EU-Vergleich. Das reale Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt stagniert seit dem Jahr 2000. Daher dürften viele Menschen wegen ihres zu geringem oder instabilem Einkommen nur begrenzten Zugang zu Immobilienkrediten, manche wohl auch zu Mietobjekten haben.

Wie Zinskosten belasten

Die (Immobilien-) Kreditlandschaft ist also äußerst heterogen. In manchen Ländern steigern höhere Bauzinsen nicht nur die Zinskosten von Neukrediten und wirken sich negativ auf das (Neu-) Baugeschäft aus. Sie wirken sich auch zeitnah auf die Zinskosten bestehender Immobilienkredite aus. In den skandinavischen Ländern, aber auch in Italien oder Spanien ist dies der Fall. Dabei werden die höheren Zinskosten zunehmend zu einer realwirtschaftlichen Belastung. Sie reduzierten die Kaufkraft der Hauseigentümer mit bereits laufenden Finanzierungen. Das wurde auch aufgrund der Kombination mit der zuletzt anhaltend hohen Inflation volkswirtschaftlich spürbar.

So waren schwedische Haushalte, einer Umfrage des schwedischen National Institute of Economic Research zufolge, noch nie so pessimistisch. Entsprechend deutlich haben die Immobilienpreise reagiert. Im Januar sind die schwedischen Hauspreise gegenüber ihren bisherigen Höchstständen im März 2022 um 16 Prozent gesunken. Die schwedischen Notenbanker halten in diesem Jahr zudem eine Rezession für sehr wahrscheinlich.

Die Auswirkungen der steigenden Zinsen sollten also keineswegs verharmlost werden. Auch in anderen Ländern dürften die realwirtschaftlichen Belastungen erheblich sein. Die gleichzeitige Abkühlung von Immobilienmärkten und realwirtschaftlicher Nachfrage dürfte manche an den Beginn der Größen Finanzkrise von 2008 erinnern.

Doch es finden sich wichtige Argumente, die gegen diese Wiederholungsthese sprechen: Einerseits ist diese Abkühlung heute geldpolitisch beabsichtigt, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Gewisse Kollateralschäden sind also durchaus einkalkuliert. Zudem verfügt die Geldpolitik mittlerweile über ausreichend Instrumente, um möglichen Liquiditätsengpässen im Finanzsystem zeitnah entgegenzuwirken. Außerdem hat sich die Kapitalausstattung der Banken seit der Finanzkrise spürbar verbessert.

Andererseits dürften Haushalte in großen Volkswirtschaften wie Deutschland, Frankreich oder den USA relativ resilient gegenüber steigenden Bauzinsen sein, da deren bestehende Immobilienkredite in der Regel über eine lange Zinsbindung verfügen. Gute Gründe also, um dieser Tage zuversichtlich zu bleiben.

 

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