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Geldanlage

„Wie ein Optionsschein“

Flossbach von Storch

Viele deutsche Anleger schauen bei der Aktiensuche einzig und allein auf den Dax. Das ist nicht nur eine vertane Gelegenheit, sondern kann langfristig auch zu einem Problem werden. Ein Interview mit Philipp Vorndran und Thomas Lehr.

Der Dax hat ab September 40 statt 30 Mitglieder – hilft das den Anlegern?

Lehr: Inwiefern helfen?

Als dass der Index die deutsche Wirtschaft künftig besser abbildet, weil die Zahl der Abgebildeten schlicht höher ist?

Lehr: Das täte er auch nicht, wenn es künftig 50 oder 60 Unternehmen wären.

Warum?

Vorndran: Weil das Rückgrat, wie es immer so schön, aber auch richtigerweise heißt, in Deutschland der Mittelstand ist. Viele mittelständische Unternehmen, darunter auch der ein oder andere Weltmarktführer, sind aber nicht börsennotiert.

Lehr: Ich würde mich als Anleger überhaupt davon lösen, die deutsche Wirtschaft abbilden zu wollen. Warum sollte es sinnvoll sein, sich bei der Auswahl seiner Anlagen derart einzuschränken?

Vorndran: Nicht zu vergessen das dahinterliegende Risiko.

Welches Risiko?

Vorndran: Wenn ihr in Deutschland lebt, dort Einkommen bezieht, eine Wohnung oder ein Häuschen habt, das ihr abbezahlt, dann würde ich mich fragen, ob es sinnvoll ist, sich auch noch bei den Investments auf die Heimat zu versteifen. Oder nicht auch gefährlich. Nur so als Überlegung.

Lehr: Klassisches Klumpenrisiko…

Das erscheint uns arg theoretisch …

Vorndran: Ist es aber nicht. Ein vorausschauender Anleger stellt sein Vermögen breit auf, weil er einsieht, nicht alles wissen zu können, und weil die Welt sich stetig wandelt, Strukturen brechen. Breit aufstellen heißt nach unserem Verständnis: nicht nur verschiedene Anlageklassen und Einzeltitel, sondern eben auch verschiedene Währungsräume. So lassen sich Risiken reduzieren …

Was bedeutet das dann konkret für die Anlagestrategie, für die Aktienauswahl beispielsweise?

Lehr: Immer zuerst auf das einzelne Unternehmen, sein Geschäftsmodell, die Qualität seiner Bilanz schauen. Und nicht darauf, woher das Unternehmen kommt.

Ihr würdet also keinen Dax-Indexfonds kaufen?

Lehr: Da kann ich nur für mich sprechen: Nein, würde ich nicht. Aber aus ganz verschiedenen Gründen; Diversifikation ist nur einer davon, wenn auch ein sehr wichtiger. Ich bevorzuge aktiv gemanagte Fonds, gute aktiv gemanagte Fonds. Aber davon abgesehen gibt es bestimmt Anleger, für die ein Dax-ETF ein sinnvolles Instrument sein könnte, vorausgesetzt, es bleibt nicht das einzige.

Wie sieht es bei Dir aus, Philipp?

Vorndran: Dem würde ich mich anschließen.

Und wenn Du Dich für einen Index entscheiden müsstet?

Vorndran: Dann würde ich einen wählen, der die Leistungsfähigkeit der Weltwirtschaft besser widerspiegelt. Den MSCI Weltaktienindex beispielsweise oder den amerikanischen S&P 500. Beide bilden auch die großen US-Tech-Konzerne ab. Konzerne, wie es sie in Europa nicht gibt, schon gar nicht in Deutschland. Der Dax dagegen ist wie ein Optionsschein auf China – viel zu sehr abhängig von der Weltkonjunktur.

Lehr: Das zeigt im Übrigen auch die unterdurchschnittliche Wertentwicklung in den vergangenen Jahren. Das fällt nur deshalb nicht so auf, weil der Dax als Performanceindex konstruiert ist, die Dividenden also – anders als bei fast allen anderen großen Indizes – mit in die Berechnung einfließen. Rechnet man die raus, bleibt nicht allzu viel unter dem Strich stehen. Dummerweise sehen viele Anleger genau darin den vermeintlichen Reiz: Weil der Dax im Vergleich zu anderen Indizes über viele Jahre eher mäßig abgeschnitten hat, vorsichtig ausgedrückt, habe er nach vorne schauend umso mehr Potenzial. Aufholpotenzial.

Vorndran: Völliger Humbug! Die Wertentwicklung ist das Ergebnis struktureller Probleme. Nicht mehr, nicht weniger.

Philipp Vorndran und Thomas Lehr sind Kapitalmarktstrategen bei der Flossbach von Storch AG. Dieses Interview ist unter der Rubrik "Stratege und Stratege" in der aktuellen Ausgabe unseres Magazins "Position" erschienen. Sichern Sie sich hier Ihr kostenloses Abonnement.

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