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Aktien | Gesellschaft
14 Minuten

Eine schwierige Wette

Eine schwierige Wette Das Flossbach von Storch Research Institute zeigt, wieso es unwahrscheinlich ist, dass Donald Trump mit seiner Zollpolitik Firmen in die USA (zurück-) holt.

US-Präsident Donald Trump bezeichnet „Zölle“ als sein Lieblingswort. Damit wolle er vor allem die Reindustrialisierung der US-Wirtschaft und die Rückführung von Arbeitsplätzen aus dem Ausland befördern. Professor Agnieszka Gehringer vom Flossbach von Storch Research Institute bezweifelt in einer aktuellen Studie, dass das funktionieren wird und nennt einige Gründe dafür.

Dabei verwies der US-Handelsbeauftragte Jamieson Greer im Juli 2025 bereits auf eine ansehnliche Liste von Unternehmen, die neue milliardenschwere Investitionsprojekte in den USA angekündigt haben. So will beispielsweise der Autokonzern Stellantis in den nächsten vier Jahren 13 Milliarden US-Dollar investieren, um US-Produktionskapazitäten um 50 Prozent zu erweitern, während General Motors (GM) etwa vier Milliarden US-Dollar in die Hand nehmen will, auch um Aktivitäten von Mexiko zurück in die USA zu verlagern. Insgesamt seien Investitionen in Höhe von 5,5 Billionen US-Dollar angekündigt worden, berichtete Greer.

Hinzu kommen erhebliche Investitionszusagen der Regierungen in Saudi-Arabien, Katar und Japan. „Obwohl es Anzeichen dafür gibt, dass Unternehmen derzeit Gewinne in die USA zurückführen, ist der Effekt aus unserer Sicht zum einen kaum auf die jüngste Zollpolitik zurückzuführen. Zum anderen dürfte auch die Gesamtwirkung gering bleiben, was die Widersprüche in Trumps protektionistischer Politik offenbaren dürfte,“ sagt Studienautorin Gehringer.

US-„Zollpolitik“ oft nicht der Grund für Investitionen

Folgende Punkte stimmen sie skeptisch, dass sich Gewinnrückführungen beziehungsweise höhere Investitionen in den USA durch die jüngste Zollpolitik begründen lassen:

  1. Unternehmen erwähnen Zollpolitik nicht
    Auf der 5,5-Billionen-Dollar-Liste der angekündigten Investitionen dürften auch Projekte stehen, die bereits vor Trumps Liberation Day im April 2025 geplant waren und somit nicht im Zusammenhang mit den Zollankündigungen stehen. In keiner der Pressemitteilungen von Unternehmen, in denen Investitionspläne angekündigt wurden, werden höhere Zölle als Grund für mehr Investitionen in den USA genannt.
     
  2. Andere Standortvorteile der USA wirken
    Bei internationalen Playern könnten einige der angekündigten Investitionsprojekte zudem eher markt- und strategische Motive verfolgen als politikgetriebene. Angesichts der Wachstumsaussichten der US-Wirtschaft und ihrer führenden Position bei neuen Technologien wie künstlicher Intelligenz kann es für Unternehmen wirtschaftlich sinnvoll sein, ihre Präsenz auf dem US-Markt auszubauen. Zumal Unternehmenssteuersenkungen, die Verschlankung des öffentlichen Sektors sowie weitreichende Deregulierungen das US-Investitionsklima verbessert haben.
     
  3. Keine garantierten Investitionen bei Unternehmen
    Auch erstreckt sich die Umsetzung solcher Investitionsprojekte oft über mehrere Jahre und wird in der Regel von Faktoren wie den globalen und nationalen Nachfragebedingungen, Kostenstrukturen sowie der Regulierung abhängig gemacht. Es ist daher ungewiss, ob die geplanten Investitionen in den angekündigten Größenordnungen tatsächlich irgendwann getätigt werden. Auch die Regierungszusagen dürften nicht eins zu eins mit künftigen, tatsächlichen Kapitalzuflüssen gleichzusetzen sein.
     
  4. Fälle von zollbedingten Investitionsstopps
    Zudem gibt es zwar keine veröffentlichte Liste an verschobenen oder stornierten Investitionsprojekten, die im direkten Zusammenhang mit der US-Zollpolitik standen. Aber es beschloss beispielsweise Lucerne International, ein Aluminiumschmiede-Projekt zu verschieben und zu verkleinern, mit dem Arbeitsplätze von China nach Michigan zurückverlagert werden sollten. Auch eine Umfrage des deutschen ifo Instituts weist darauf hin, dass fast 30 Prozent der deutschen Unternehmen geplante Investitionen in den USA verschoben und etwa 15 Prozent der Unternehmen geplante Investitionsprojekte storniert haben, vor allem aufgrund der Unsicherheit über die US-Zollpolitik.

Folgende Beobachtungen und Überlegungen sprechen zudem aus Gehringers Sicht dafür, dass die Gesamtwirkung für die US-Wirtschaft deutlich geringer ausfallen könnte:

  1. Bisher keine signifikanten Einkommensrückverlagerungen
    Die US-Zölle zielen darauf ab, eine Repatriierung von Gewinnen von US-Unternehmen im Ausland dadurch zu erreichen, dass die Kosten von ausländischen Produktionen erhöht werden. Zölle führen aber auch tendenziell zu einem Anstieg der Inputpreise für US-Produzenten, bergen das Risiko von Vergeltungsmaßnahmen mit Gegenzöllen und schaffen Unsicherheit für globale Lieferketten. Solche Faktoren halten Unternehmen eher davon ab, ihre Produktion im Inland auszuweiten. Dementsprechend gibt es derzeit – im Gegensatz zu Trumps erster Amtszeit, in der er für dasselbe Ziel statt auf Zölle auf Steuervorteile setzte – keine überzeugenden Anzeichen für eine signifikante Einkommensrückverlagerung durch US-Unternehmen.
     
  2. Preissprünge bei manchen Industrievorleistungen
    Erhöhte Produktionskosten sprechen dafür, dass viele US-Unternehmen auch künftig zögern werden, ihre Lieferketten zurückzuholen. Obwohl es eigentlich noch zu früh ist, um eindeutige Anzeichen für steigende Import- und Inputpreise zu erkennen, gibt es bereits erste Hinweise. So sind die Importpreise für wichtige Kategorien von Industrievorleistungen in den vergangenen Monaten gestiegen, etwa bei unfertigen Metallen. Dementsprechend hat sich die Dynamik der Erzeugerpreise in verschiedenen Bereichen des verarbeitenden Gewerbes beschleunigt. Besonders stark erhöhten sich die Preise für die Herstellung von Teilen der elektrischen und elektronischen Ausrüstungen für Motoren, die nach April 2025 jährliche Wachstumsraten von fast oder zuletzt sogar über 30 Prozent aufwiesen.
     
  3. Höhere und voraussichtlich weiter steigende Arbeitskosten
    Neben den durch Zölle bedingten Kostensteigerungen für importierte Produkte sind auch die hohen und weiter steigenden Arbeitskosten ein Faktor, der Unternehmen davon abhält, ihre Produktion in die USA zu verlagern. Die jährlichen Wachstumsraten der durchschnittlichen US-Stundenlöhne liegen bei rund vier Prozent. Die jüngsten restriktiven Einwanderungspolitiken erhöhte die Hürden für Zeitarbeits- und Saisonarbeitsprogramme. Auch die reduzierte Einwanderungsquote dürfte die Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt in Zukunft verschärfen.
     
  4. Unsichere Handelspolitik lässt viele Firmen abwarten
    Doch vor allem sind Unternehmen in einem Umfeld erhöhter Unsicherheit hinsichtlich der Wirtschaftspolitik – einschließlich unvorhersehbarer Änderungen von Zöllen, instabiler Handelsabkommen und regulatorischer Rahmenbedingungen – viel weniger bereit, sich zu langfristigen Investitionen zu verpflichten. Die Realoption-Theorie legt nahe, dass bei hohen irreversiblen Kosten und unbekannten künftigen politischen Rahmenbedingungen der Wert des Abwartens steigt und Investitionen verzögert werden (McDonald & Siegel, 1986; Pindyck & Dixit, 1994).
    Das zeigen auch empirische Studien: Wenn die wirtschaftspolitische Unsicherheit zunimmt, gehen die Investitionen auf Unternehmensebene und der Eintritt in neue Exportmärkte deutlich zurück. Wenn die Unsicherheit speziell Zölle und die Handelspolitik betrifft, ist dieser Effekt sogar noch ausgeprägt. Die Unsicherheit über künftige Zollregelungen kann die Gesamtinvestitionen der Unternehmen innerhalb eines Jahres um etwa zwei Prozent reduzieren, wobei die Investitionen im verarbeitenden Gewerbe fast doppelt so stark betroffen sind, zeigte eine Erhebung von Ökonomen der US-Notenbank Fed (Caldara et al., 2020).

Letztendlich sorgen Zölle also voraussichtlich mehr für politische Hitze als für eine industrielle Wiederbelebung der USA. Sie eignen sich zwar hervorragend für Wahlkampfslogans und Schlagzeilen über die „Rückkehr der Produktion ins eigene Land”, doch die wirtschaftliche Realität sieht anders aus.

Anstatt eine breit angelegte Reindustrialisierung anzukurbeln, führen Zölle meist zu höheren Inputkosten, provozieren Vergeltungsmaßnahmen und verstärken die Unsicherheit – drei Faktoren, die langfristige, kapitalintensive Investitionen verhindern.

Prof. Agnieszka Gehringer ist Senior Research Analystin beim Flossbach von Storch Research Institute, Professorin an der Technischen Hochschule Köln und Privatdozentin an der Georg-August-Universität Göttingen.
Die Studie finden Interessierte hier: Die Produktion mit Zöllen zurück ins eigene Land holen? - Flossbach von Storch RI

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