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Dax-Reform: Viel Lärm um nichts

- Dr. Kai Lehmann

Der deutsche Aktienindex (Dax) wird reformiert. Die Auswirkungen sind wohl eher gering. Die Dax-Unternehmen müssen sich im Europa-Vergleich nicht verstecken, das zeigt eine aktuelle Studie.

Jetzt ist es fix: Der der deutsche Leitindex Dax soll ab September 2021 um zehn auf dann 40 Werte erweitert und der MDax um zehn Werte verkleinert werden. Unternehmen, die neu in den Dax aufgenommen werden, müssen ab Dezember positive Ergebnisse liefern und zudem Mitteilungspflichten und Compliance-Vorgaben erfüllen. Das Marktforschungsinstitut „Qontigo“ hatte ab Oktober Marktteilnehmer zu einem Reformvorschlag der Deutschen Börse für den deutschen Leitindex Dax befragt. 629 Antworten wurden ausgewertet und im Ergebnis stehen nun acht Punkte auf der Liste zur Reform des Börsenbarometers. Einzig der Vorschlag zum Ausschluss von Unternehmen, die an der Herstellung kontroverser Waffen beteiligt sind, wurde nicht aufgenommen.

In der jüngsten Vergangenheit hatte der Ruf des Dax 30 arg gelitten. Von mangelnder Corporate Governance, hoher Verschuldung und schwindender Profitabilität war die Rede. Die Rückständigkeit vieler Geschäftsmodelle lasse auch zukünftig kaum Prosperität erwarten, hieß es nach dem Wirecard-Skandal. Dass mehr als 600 unterschiedlichste Marktteilnehmer auf die Konsultation der Deutschen Börse zur geplanten Dax-Reform antworteten, zeigt das rege Interesse. Rasch stand aber auch fest: Eine Revolution ist die Reform nicht.

Dax soll resilienter und repräsentativer werden

Dabei klingt allein das Vorhaben der Deutschen Börse, den Dax 30 nach mehr als drei Jahrzehnten des Bestehens neu aufzustellen, nach Aufbruch. Der Index solle dadurch „resilienter und repräsentativer“ werden. Fortan dürfen nur profitable Unternehmen in den deutschen Leitindex aufgenommen werden, die dann gewisse Corporate-Governance-Regeln zu beachten haben. Pleitekandidaten und solche, die ihrer Pflicht zur fristgerechten Veröffentlichung ihrer Konzernabschlüsse nicht nachkommen, sollen künftig nichts mehr im Dax verloren haben. Die Krisenfestigkeit soll zudem auch durch die Erhöhung der Anzahl der Dax-Unternehmen um zehn auf 40 verbessert werden.

Doch wer sich die Auswirkungen im Detail anschaut, die diese Dax-Reform mit sich bringt, merkt schnell, dass die Veränderungen weitaus geringer ausfallen als die enorme Resonanz der Konsultation erwarten lässt.

So zeigt sich: Wird der Dax um zehn Unternehmen aufgepolstert, dann steigt zwar die Anzahl der enthaltenen Unternehmen um ein Drittel, seine Marktkapitalisierung jedoch gerade einmal um acht Prozent. Der MDAX hingegen erfährt gleichzeitig eine enorme Abwertung, da er im Gegenzug etwa ein Drittel seiner Marktkapitalisierung einbüßt. Denn bildet der Dax bisher die 30 und künftig die 40 umsatzstärksten Unternehmen ab, die an der Frankfurter Börse notieren, spiegelt der Midcap- oder MDax die 60 (beziehungsweise später dann nur noch 50) größten Unternehmen, die auf die Dax-Unternehmen folgen.

Aktuelle Studie zur Robustheit der Dax-Unternehmen

Und wie steht es um die wirtschaftliche Robustheit der im Dax versammelten Unternehmen? Dieser Frage sind wir in einer aktuellen Studie nachgegangen. Es zeigt sich, dass sich die Dax-Unternehmen in der zurückliegenden Dekade gegenüber ihren europäischen Pendants sehr gut behaupten konnten. Nicht nur stellte sich die Verschuldungs- und Ertragssituation besser dar, auch war die erzielte Wertentwicklung des Dax weit besser. Wahr ist aber auch: Die Unternehmen aus der zweiten deutschen Börsenreihe vermochten in unserer Analyse sowohl fundamental als auch in Bezug auf ihre Aktienkursentwicklung noch deutlicher zu überzeugen.

So kann sich die Wertentwicklung des Dax 30 im europäischen Vergleich sehen lassen. Seit dem Jahr 2010 betrug die Wertsteigerung inklusive Dividenden 113 Prozent (Stand: 30. September 2020). Damit schnitt der deutsche Aktienindex besser ab als nahezu alle anderen betrachteten europäischen Pendants.

Auch die Kritik, dass andere europäische Leitindizes ein wesentlich breiteres Set an Unternehmen aufweisen und besser in der Lage sein sollen, die gesamtwirtschaftliche Stimmung über verschiedene Branchen hinweg abzubilden, ist wenig haltbar. So umfasst der spanische Iberia-Index (IBEX) gerademal 35 Unternehmen, der italienische und französische Leitindex jeweils 40 Unternehmen und der Schweizer Swiss Market Index (SMI) sogar nur 20 Konzerne. Einzig der britische Financial Times Stock Exchange (FTSE) kommt auf 100 und damit auf eine deutlich höhere Anzahl an Unternehmen.

Zukunftsträchtige Geschäftsmodelle fehlen weiter

Zweifelsohne wäre es jedoch wünschenswert, wenn künftig vermehrt zukunftsträchtigere Geschäftsmodelle Eingang in den Dax finden würden. Durch die neuen Profitabilitätsanforderungen im Dax bleibt jedoch gerade jungen und wachstumsstarken Unternehmen, denen es oft noch an Gewinnen fehlt, der Zutritt zum Börsenolymp verwehrt. Die Anforderungen, fristgerecht Jahresabschlüsse und Zwischenberichte zu veröffentlichen und einen Prüfungsausschuss zu installieren, ist zwar prinzipiell begrüßenswert, sollte aber auf einem funktionsfähigen Kapitalmarkt nicht mehr als eine Selbstverständlichkeit sein.

Die Deutsche Börse kann es am Ende nicht allen Marktteilnehmern recht machen. Dass die bisherigen 30 Konzerne bereits 75 Prozent der Marktkapitalisierung des deutschen Aktienmarktes repräsentieren, offenbart ein viel diskussionswürdigeres Problem: Es fehlt hierzulande an börsennotierten Unternehmen. Dass Deutschland ein Land der Aktienmuffel ist, gilt leider nicht nur anlegerseitig. Die Aktie als Instrument der Finanzierung ist hierzulande auch bei Unternehmen unbeliebt. Es braucht daher eine breit angelegte Diskussion darüber, wie man die Aktie sowohl als Anlage, als auch als Finanzierungsinstrument populärer machen könnte, um breite Bevölkerungsschichten am Produktivkapital zu beteiligen.

Die Diskussion, ob der Dax nun letztlich 30 oder 40 Unternehmen enthalten sollte, ist daher letztlich vor allem: Viel Lärm um nichts!

Kai Lehmann ist Senior Research Analyst beim unabhängigen Flossbach von Storch Research Institut in Köln. Seine Studie zum Dax finden Sie hier.

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