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Geldanlage
7 Minuten

KENN(die)ZAHLEN - Über Konvexität

- Sven Langenhan

Anleihen sind komplexe Gebilde. Ob sie sich lohnen, hängt von vielen Ertragsquellen ab. Kennzahlen helfen dabei, Chancen und Risiken abzuwägen. Diesmal geht es um Absicherungen. 

Vielleicht erinnern Sie sich noch an unsere Serie über Anleihen. Unter der Überschrift „KENN(die)ZAHLEN“ haben wir in den vergangenen Wochen versucht, mit einigen Missverständnissen bei populären Kennzahlen aufzuräumen, mit denen Anleger die Chancen und Risiken eines Bond-Portfolios taxieren möchten.

Die Resonanz auf diese Serie hat uns überrascht. Viel Lob, einerseits. Dafür möchten wir uns bei Ihnen bedanken. Andererseits gab es aber auch einige Fragen unserer Leserinnen und Leser zu weiteren Kennzahlen und Fachbegriffen. Nun versuchen wir, die wichtigsten davon zu beantworten – auch weil sie in dem aktuell „stürmischen“ Umfeld der Anleihemärkte vielleicht eine Bedeutung für den persönlichen Anlageerfolg haben. Wir beginnen mit einem Fachbegriff, der bestimmte Maßnahmen beschreibt, welche die Wertentwicklung eines Anleihedepots stabilisieren sollen.

Die Konvexität (eines Portfolios)

Insbesondere in Zeiten, in denen ein Anleiheportfolio durch den Einsatz von Derivaten abgesichert wird oder bestimmte, sogenannte „Long-Short-Positionierungen“ in verschiedenen Laufzeitbereichen aufgenommen werden, fällt gerne der Begriff der Konvexität. Auch wir haben den Begriff bei der Erläuterung unserer aktuellen Anlagestrategie immer wieder verwendet, so dass viele Anleger nun zu Recht fragen, was es denn nun damit auf sich hat?

Ich darf Sie beruhigen; so kompliziert, wie es das Investorenkauderwelsch suggerieren mag, ist es nicht – wenngleich die tatsächliche Umsetzung solcher Portfolio-Maßnahmen auch nicht banal ist. Aber der Reihe nach: Wenn man eine Absicherung gegen steigende Zinsen zum Beispiel über Optionen vornimmt, dann erwirbt man (gegen eine entsprechende Prämie) eine „Versicherung“.

Das Best-Case-Szenario für Versicherungen ist aber, und das gilt an den Kapitalmärkten ebenso wie im richtigen Leben, dass der Schadensfall nie eintritt und man die Policen niemals benötigt. Also die Prämie vermeintlich „unnötig“ bezahlt wurde, was wiederum bedeutet, dass diese Ausgabe in einem solchen Fall auch den maximalen möglichen Verlust darstellt. Während man mit seinem Portfolio gleichzeitig weiterhin von einer guten Entwicklung (hier dann fallende Zinsen) profitieren kann.

Sollte man die „Versicherung“ allerdings benötigen, dann kann man deutlich mehr als die eingesetzte Prämie verdienen. Kurz gesagt bedeutet dies, dass begrenzten Risiken theoretisch unbegrenzte Chancen gegenüberstehen. In Verbindung mit weiteren Parametern, welche den Preis solcher Optionen während der Laufzeit beeinflussen, entsteht so ein insgesamt konvexes, also nicht-lineares, sondern zugunsten des Investors gebogenes (= konvexes) Entwicklungsprofil.

Das bedeutet: Je mehr ich die Absicherung benötige, desto mehr wirken diese Optionen zu meinen Gunsten. Das hört sich jetzt so an, als wäre es eine Art „eierlegende Wollmilchsau“, die man als Anleger immer implementieren sollte. Doch da kommt dann die Krux mit der praktischen Umsetzung ins Spiel.

Denn Optionen gibt es eben (wie Versicherungspolicen) nicht umsonst. Und gerade beim Thema Konvexität geht es um die Entwicklung des Marktumfeldes während der Laufzeit. Da ist dann in vielerlei Hinsicht Timing und das Gespür für die richtige Dosierung im Portfolio gefragt, um am Ende keine unnötigen Absicherungskosten zu produzieren.

Die Sache mit der Duration

Kommen wir zu einer weiteren Möglichkeit, Konvexität im Portfolio zu implementieren: über entsprechende Kurvenpositionierungen. Dazu müssen wir noch einmal zur Kennzahl der Duration zurückkehren. Sie erinnern sich? Über die Duration lässt sich die Zinssensitivität einer Anleihe oder eines Portfolios abschätzen. Das letzte Wort ist dabei entscheidend: Abschätzen!

Die Duration als mathematische und dummerweise gleichzeitig dynamische Größe folgt nämlich keinem linearen, sondern grundsätzlich einem konvexen Verlauf. Deswegen heißt es in den entsprechenden Fachbüchern, dass die Duration nur für kleinere Zinsbewegungen eine gute Messgröße von dazugehörigen Preisveränderungen der betreffenden Anleihen darstellt.

Das Schöne dabei ist, dass die Duration das Risiko bei stärker steigenden Zinsen zunächst überschätzt und gleichfalls mögliche Chancen bei stärker fallenden Zinsen unterschätzt. Also wirkt der Konvexitätseffekt auch hier zugunsten des Anlegers. Dabei gilt zusätzlich, dass dieser Effekt in der Regel umso höher ist, je länger die Restlaufzeit einer Anleihe ist.

Über dieses Phänomen kann man sich mit einer geschickten Positionierung auf der Zinskurve die Konvexität zunutze machen, also direkt in Ertrag umwandeln. Auch das hört sich gleich wieder wie ein Perpetuum Mobile an und der ein oder andere wird sich wohl fragen, warum macht das dann nicht einfach jeder?

Die Antwort darauf ist einfach: Einerseits verfügt nicht jeder Investor über das nötige Know-how und die Möglichkeiten, diese sogenannten „Relative-Value-Trades“ umzusetzen. Und andererseits gibt es im Kapitalmarkt grundsätzlich nichts geschenkt. Wo Chancen sind, gibt es auch immer Risiken. Diese bestehen bei einer solchen Strategie maßgeblich darin, dass sich die Zinsen nicht gleichförmig über alle Laufzeiten bewegen.

Also sich die relevante Zinskurve insgesamt oder in Teilen in ihrer Form verändert. Wenn es also schlecht läuft, dann kommt es zwar zu den eigentlich gewünschten stärkeren Zinsbewegungen, aber genau an den - für die eigene Positionierung - „falschen“ Stellen der Zinskurve – oder mit einer „falschen“ Intensität, wodurch der positive Konvexitätseffekt dann mehr als aufgezehrt würde.

Von Bullen und Bären in Zinskurven

Wenn wir gerade bei der Veränderung von Zinskurven angelangt sind, kommen wir gleich zur Beantwortung der ebenfalls an uns herangetragenen Frage, was denn beispielsweise unter einem „Bear Steepening“ von Zinskurven zu verstehen sei, wie man es im aktuellen Umfeld steigender Zinsen als Schlagwort oftmals hören würde.

Im Rahmen unserer dreiteiligen Serie hatten wir bereits erläutert, dass sich Zinsen selten in allen Laufzeitbereichen gleich entwickeln. Schon gar nicht in einer Welt, in der die Zentralbanken das Zepter vor allem über das sogenannte „kurze Ende“ der Zinskurve in der Hand haben. Durch diese unterschiedlichen Zinsentwicklungen in den verschiedenen Laufzeiten werden Kurven entweder im Gesamten oder aber in Teilbereichen – eben jeweils abhängig davon, wo genau sich Zinsen verändern – steiler oder flacher. Werden sie steiler spricht man von einem „Steepening“. Werden sie flacher nennt sich das „Flattening“.

Weil das aber vielleicht zu einfach wäre, haben wir Finanzspezialisten dann noch die Worte „Bear“ und „Bull“ in petto. Und hier hilft Ihnen nun spätestens Ihre Börsen- beziehungsweise Aktienerfahrung. Der Bulle (Bull) steht gemeinhin für steigende Kurse, der Bär (Bear) für fallende. Das muss man nun lediglich auf die Anleihenkurse übertragen. Steigen die Anleihen im Wert, dann ist dies ein Bullenmarkt, fallen sie, dann handelt es sich um einen Bärenmarkt.

Etwas komplexer wird es jetzt dummerweise nur wieder, weil man bei Anleihen ja immer noch einmal umdenken muss. Als Leser der ersten drei Teile unserer Serie wissen Sie, das steigende Anleihenkurse zu sinkenden Renditen führen, fallende Anleihenkurse hingegen zu steigenden Renditen. Darauf aufbauend müssen Sie also noch eins und eins zusammenzählen und können sich dann die vier möglichen Zinskurvenentwicklungen vor Ihrem geistigen Auge zusammenstellen.

Ein „Bear Steepening“, wie wir es vor allem in den ersten Wochen des Jahres 2021 in den USA verfolgen konnten, ist folglich nichts anderes als eine Versteilung der Zinskurve (Steepening) durch vor allem am langen Ende der Zinskurve steigende Renditen, was aus sinkendenden Anleihekursen (Bear) resultiert.

Das große Ganze nicht vergessen

Sie sehen, Anleihen sind komplexe Gebilde, die aber gleichzeitig auch viel (intellektuellen wie monetären) Spaß bereiten können. Und die eben zahlreiche Facetten bieten, um opportunistisch Ertragschancen heben zu können. Sie dienen, verbunden mit einer höchst aktiven und flexiblen Anlagestrategie, darüber hinaus weiter als langfristiges Diversifikationsinstrument im Portfolio. Nicht alle Eier in einen Korb, sondern Risiken breit streuen: Also nicht alles auf Aktien, Immobilien oder Gold setzen.

Das bedeutet im Übrigen nicht, dass eine positive Wertentwicklung auf dem Zinsmarkt immer und zu jeder Zeit gelingt. Gerade aktuell sieht man, dass es Phasen geben kann, in denen man auch mit der beschriebenen Strategie eine gewisse Zeit eine negative Wertentwicklung in Kauf nehmen muss.

Dabei sind unseres Erachtens allerdings zwei Dinge entscheidend: Einerseits gehört zur Diversifikation, dass man den Gesamtportfoliogedanken nie aus den Augen verliert, auch wenn man als Verwalter eines reinen Anleihefonds selbst nur für einen Teil dessen zuständig sein kann. Also sollte man dafür Sorge tragen, dass sich potenzielle Risiken beispielsweise aus der Kombination von Aktien und Anleihen im Depot der Anleger nicht doppeln. Natürlich ist es schön, wenn sich immer alle Portfoliobestandteile positiv entwickeln. Das ist aber unter Diversifikationsgesichtspunkten nur schwerlich zu erreichen.

Andererseits ist es wichtig, eine Strategie langfristig auszurichten. Denn allein der Versuch, immer und zu jeder Zeit eine positive Wertentwicklung zu erzielen, verhindert in der Regel, über die Zeit erfolgreich zu sein.

Das soll es aber nun von unserer Seite zu diesem Thema gewesen sein. Es sei denn, Sie schicken uns weitere Fragen und Anregungen zum Anleihemarkt. Dann setzen wir unsere Serie (noch einmal) fort – und schließen den Rücktritt vom Rücktritt hiermit explizit nicht aus.

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