Krieg, Inflation , expansive Notenbanken - der Euro hat in den vergangenen Monaten deutlich an Wert verloren. Ein Interview mit Professor Thomas Mayer, Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute über die Stabilität unserer Währung.
Herr Professor Mayer, viele Menschen leiden unter der hohen Inflation. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Zinsen unlängst zum zweiten Mal angehoben. Reicht das aus?
Der Einlagenzins liegt nun bei 0,75 Prozent, die Ausleihsätze für die Banken bei 1,25 Prozent und 1,5 Prozent. Gleichzeitig erwartet die EZB für das Jahr 2022 eine Inflation von 8,1 Prozent, anno 2023 von 5,5 Prozent und im Jahr 2024 von 2,3 Prozent. Die Daten sprechen für sich. Natürlich müsste die Notenbank sehr viel mehr tun – und hätte vor allem in den vergangenen Jahren sehr viel mehr tun müssen.
Immerhin konnte der Euro nach der Zinserhöhung zum US-Dollar etwas zulegen…
… wobei wir einen langfristigen Blick bevorzugen. Die europäische Gemeinschaftswährung hat seit Anfang 2021 gegenüber dem US-Dollar rund ein Fünftel ihres Wertes verloren und ist zeitweise unter die Parität gefallen. Das ist der tiefste Stand seit 2002. Das alles kommt wenig überraschend und hat auch nicht nur mit den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine zu tun. Wir haben schon vor einigen Jahren vor einer Abwertung des Euro gewarnt.
Reflektiert die Wechselkursentwicklung die Schwäche des Euro, oder spiegelt sie die Stärke des US-Dollar?
Das liest man immer wieder. Manche Beobachter ziehen etwa Vergleiche mit der Zeit Anfang der 1980er-Jahre, als der US-Dollar eine gewaltige Aufwertung gegenüber der D-Mark und anderen Währungen erlebte – bis es der US-Regierung zu viel wurde und sie im September 1985 mit den anderen Ländern der sogenannten Gruppe der Fünf im New Yorker „Plaza“-Hotel ein Abkommen zur Abwertung der US-Währung traf. Ich denke aber, dass der Vergleich der jüngsten Entwicklung mit der in den 1980er-Jahren hinkt.
Warum?
Wenn man sich den handelsgewichteten Wechselkurs des Euro gegenüber 42 Partnerländern anschaut, dann sieht man, dass dieser seit Anfang des vergangenen Jahres um rund sieben Prozent gefallen ist. Rechnet man den US-Dollar heraus (der mit einem Handelsgewicht von rund 15 Prozent in den Index eingeht), kommt man auf eine Abwertung gegenüber den anderen 41 Währungen von gut vier Prozent. Bei der Abwertung des Euro spielt die US-Dollar-Stärke eine wichtige Rolle. Aber sie reflektiert knapp zur Hälfte auch eine Euro-Schwäche.
Was sind die Gründe für diese Euro-Schwäche?
Offensichtlich traut der Devisenmarkt der EZB nicht zu, der US-Notenbank Fed bei der Bekämpfung der Inflation – die auf beiden Seiten des Atlantiks ähnlich hoch ist – entschlossen zu folgen.
Warum fehlt der EZB die Entschlossenheit der US-Amerikaner?
Die EZB liegt an der Kette der hoch verschuldeten Eurostaaten, denen bei stark steigenden Zinsen die Zahlungsunfähigkeit droht. Folglich dürften in der näheren Zukunft die Zinsen in den USA schneller und stärker steigen, und der Zinsabstand zwischen den Vereinigten Staaten und der Eurozone dürfte sich noch mehr ausweiten.
Was bedeutet das für die Inflation in Europa?
Wenn die EZB weniger entschlossen handelt, wird die Inflation in der Eurozone mittelfristig höher bleiben als in den USA. Die sich aus niedrigeren Zinsen und höherer Inflation im Euroraum ergebenden tiefen Realzinsen dürften also weiterhin auf den Wechselkurs des Euro drücken. Immerhin deutet gegenwärtig nichts darauf hin, dass die Euro-Schwäche auch von Ängsten vor einem Euro-Zerfall verursacht worden sein könnte. Noch glauben die Märkte an das Versprechen des früheren Notenbankchefs Mario Draghi, dass die EZB alles tun werde, um den Euro zu erhalten. Aber Draghi ist in Pension – schon jetzt als EZB-Präsident, bald auch als italienischer Premierminister – und seine tatsächlichen und wahrscheinlichen Nachfolger haben weniger Glaubwürdigkeit.
Welche Risiken sehen Sie auf Sicht für unsere Gemeinschaftswährung?
Da wären natürlich die politischen Unsicherheiten. Nach den Wahlen in Italien am 25. September könnte etwa eine Rechts-Mitte-Regierung gegenüber den EU- und EZB-Verantwortlichen wesentlich renitenter auftreten als ihre Vorgänger. Und dass das „TPI“ genannte Instrument der EZB zur Finanzhilfe überschuldeter Staaten funktionieren wird, kann man bezweifeln. Hedgefonds spekulieren offenbar wieder zunehmend gegen Italien. Sollten zum Zinsnachteil für den Euro Ängste über dessen Verfall dazukommen, wird sich dessen Abwertung kräftig beschleunigen.
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