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Gesellschaft

Eine Frage der Moral?

- Philipp Vorndran

China ist auf dem Weg zur ökonomischen Supermacht. Davon profitierte bislang auch der Westen. Eine Anekdote zeigt, wie schnell sich das ändern kann.

China gilt für westliche Unternehmen als das „gelobte Land“. Ein rasantes Wirtschaftswachstum, das in die Welt ausstrahlt. 1,4 Milliarden Menschen, die konsumieren möchten. Weniger im Blickwinkel stehen mögliche Risiken der Wirtschaftsbeziehungen, zumindest aus westlicher Sicht.

Um sich diesem Thema zu nähern, möchten wir etwas ausholen. Die globale „Better Cotton Initiative“ (BCI) hat sich zum Ziel gesetzt, Baumwolle nach nachhaltigen Gesichtspunkten zu bewerten und entsprechende Siegel zu vergeben. Vor etwa einem Jahr haben sich Vertreter der Organisation mit der Situation der Uiguren in Westchina beschäftigt und bekanntgegeben, dass sie kein Siegel mehr für Baumwolle aus dieser Region vergeben. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass dort Zwangsarbeiter beschäftigt werden. Nach dieser Entscheidung sind einige chinesische Unternehmen aus der Initiative ausgetreten. Vielmehr war aber erst einmal nicht passiert.

Vorsicht vor dem Volkszorn

Als jedoch der schwedische Textilhändler H&M vor einigen Wochen auf seiner chinesischen Website die Umsetzung dieser Entscheidung bekanntgab, löste das in China einen gigantischen Shitstorm im Internet aus. Unsere chinesische Analystin Shenwei Li hat uns auf Proteste vor den Filialen aufmerksam gemacht, die in unseren westlichen Medien kaum beachtet wurden. Inzwischen richtet sich die Ablehnung vieler chinesischer Verbraucher offenbar auch gegen westliche Sportartikelhersteller, die eine ähnliche Linie wie H&M vertreten.

Shenwei berichtete von dem Sohn eines Bekannten, der eine Wochenschule besucht, also eine Art Internat für Werktage. Er sei am Montag mit Nike-Turnschuhen angereist (weitere Schuhe hatte er nicht im Gepäck) und sah sich am Mittwoch gezwungen, sich vor der versammelten Klasse dafür zu entschuldigen, dieses westliche Label zu tragen. Er versprach, in Zukunft in Schuhen einer chinesischen Marke zu kommen.

Nationalismus zeigt sich auch beim Shopping

Es wäre verheerend, wenn das Tragen westlicher Marken, das bisher in China als ein Statussymbol galt, künftig in der öffentlichen Wahrnehmung als verdammenswert eingestuft würde. Es ist offensichtlich, dass die harte China-first-Linie, die die Chinesen etwa bei den ersten Verhandlungen mit der Biden-Regierung zeigte, vom Volk in weiten Teilen mitgetragen wird.

Viele Chinesen sind anscheinend sehr nationalistisch und diese Einstellung wird zunehmend radikaler vertreten. Für viele Chinesen sind die Berichte über die Übergriffe auf Teile der uigurischen Bevölkerung „fake news“ und nichts anderes als Einmischung des Westens in ihre inneren Angelegenheiten.

Natürlich sind das alles bislang nur Eindrücke und man wird diesen Trend noch einige Zeit beobachten müssen. Doch der Dauerkonflikt mit den USA schwelt weiter und womöglich ist künftig ein China-Malus bei Unternehmen mit starkem China-Geschäft einzupreisen.

Dieses Streiflicht zeigt einmal mehr, wie Geopolitik auf die Ökonomie wirken kann. Auseinandersetzungen bei Handelsfragen sind ein Symptom eines viel größeren Konflikts. Die USA und China ringen um nichts weniger als die globale Hegemonie. Mit allen möglichen Nebenwirkungen, die auch in Zukunft wohl noch für einige Überraschungen sorgen dürften.

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