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Geldanlage
6 Minuten

Überzeugung ist noch keine Strategie

- Thomas Lehr

Im Zuge der anhaltenden Kursrally um das Thema Künstliche Intelligenz geraten bewährte Anlagegrundsätze leicht ins Kreuzfeuer der Kritik. Vorsicht!

„Diversifikation ist ja schön und gut – aber wer heute noch breit streut, hat den Markt nicht verstanden. Die Musik spielt doch beim Thema Künstliche Intelligenz (KI), Herr Lehr. Warum sind Sie nur so kritisch?“

Aussagen wie diese hören wir derzeit immer wieder. Sie werden meist voller Überzeugung vorgetragen, scheinen die Märkte den Fragestellern doch rechtzugeben. Zumindest lag man mit einem sehr starken Technologiegewicht in den vergangenen Jahren fast nie daneben – eher gilt das Gegenteil: Die Entwicklung kann sich sehen lassen – vor allem auch in diesem Jahr. Und vorerst spricht wenig für ein unmittelbares Ende der KI-Rallye. Ein breit diversifiziertes Portfolio wirkt derzeit dagegen unspektakulär. Es bleibt bei der Wertentwicklung zurück – wie so oft in solchen Phasen.

Doch Fakt ist: Am Aktienmarkt dominiert in den USA und weltweit eine kleine Gruppe an großkapitalisierten US-Technologieunternehmen die Indexentwicklung. Von diesen wird erwartet, dass sie sich mithilfe von KI zum einen den wirtschaftlichen Unwägbarkeiten entziehen und zum anderen in Zukunft hohe Renditen auf ihre enormen Kapitalausgaben erwirtschaften können. Zwei Drittel des Zugewinns im US-amerikanischen Aktienindex S&P 500 waren beispielsweise im vergangenen Monat auf nur eine Handvoll Technologieaktien zurückzuführen, bei 500 Einzeltiteln, deren Wertentwicklung die Benchmark spiegeln soll.

Das Risiko der kleinen Zahl

Hinzu kommen Zirkelbezüge dieser Unternehmen untereinander. So stieg am 10. September der Aktienkurs von Oracle um rund 40 Prozent an nur einem Tag. Das Unternehmen hatte einen 300-Milliarden-US-Dollar-schweren Auftragseingang durch die Microsoft-Tochter OpenAI vermeldet.

Oracle wird also Rechenzentren für OpenAI aufbauen und muss dafür Grafikchips von Nvidia kaufen. OpenAI fehlt aber das Geld, um sich die Kapazitäten von Oracle zu sichern, weshalb sich Nvidia mit 100 Milliarden US-Dollar an OpenAI beteiligt – und damit letztendlich seine eigenen Chips vorfinanziert.

Keine Frage: Dies alles kann für alle Beteiligten profitabel enden, sofern OpenAI seine ChatGPT-Modelle weiter signifikant verbessern und damit seinen Umsatz steigern kann. Doch es bestehen noch einmal erhöhte Risiken im Klumpenrisiko.

Ist also die Konzentration auf vermeintlich weiter erfolgreiche Technologieunternehmen im Portfolio auch langfristig der bessere Weg? – Auf einer Technologiekonferenz in Italien lieferte Jeff Bezos, Gründer des US-Onlinehändlers und Cloudbetreibers Amazon, ein weiteres Argument dagegen. Die aktuelle Begeisterung rund um KI nannte er eine „Good Bubble“, also eine gute Blase. Im Gegensatz zu „Bad Bubbles“, die platzen und nichts hinterlassen – außer zerstörtem Kapital, verlorenem Vertrauen und wirtschaftlichem Schaden –, fließe in einer „Good Bubble“ Kapital in neue Ideen, von denen viele scheitern würden, die Gesellschaft als Ganzes aber trotzdem profitieren werde.

Selbst wenn also die Kurse von vielen KI-getriebenen Unternehmen irgendwann einbrechen dürften, würden also – wie schon im Falle der Internetblase – die Strukturen, die Innovationen, die Fortschritte bestehen bleiben.

Der Sinn der Diversifikation

Nicht einmal die heute Besten der Branche können also heute die Gewinner von morgen kennen. Dies alles zeigt für uns Sinn und Logik der Diversifikation: So sind auch wir derzeit in große US-Technologieunternehmen investiert – aber nur zu einem gewissen Anteil. Wir sehen auch Chancen in anderen Bereichen – etwa bei manchen Konsumunternehmen, die der Markt derzeit links liegen lässt. Hier sind aus unserer Sicht Qualitätsunternehmen zu aus unserer Sicht günstigen Bewertungen zu haben.

Zwei verschiedene Bereiche also, bei denen wir Chancen aus völlig unterschiedlichen Gründen sehen. Und weil zudem nicht jede einzelne Anlage im Portfolio ihr Potenzial entfalten wird, ist unser Portfolio auch bei Einzeltiteln breit gestreut. Im Zusammenspiel entsteht ein stabiler, nachhaltiger Nutzen. Wer erkennt, dass genau dieses Gleichgewicht langfristig von Vorteil ist, versteht, warum Diversifikation kein Relikt aus vergangenen Zeiten sein kann.

Überzeugung ist nicht alles

„Ein Grundübel unserer Zeit liegt darin, dass sich die Dummen ihrer Sache völlig sicher sind, während die Klugen zweifeln“, schrieb der britische Philosoph Bertrand Russell. Vor rund hundert Jahren wollte er damit kein Urteil über Intelligenz fällen, sondern über Haltung – also über den Unterschied zwischen Selbstgewissheit und Besonnenheit.

Heute scheint dieser Satz treffender denn je. Ob in der Politik, in Unternehmen, in Talkshows und – allen voran – in den sozialen Medien: Die Kommentarspalten sind voll von Aussagen, von meist sehr laut vorgetragenen Überzeugungen, die jedoch oft auf schnellen Urteilen und schmalem Wissen fußen. In einer solchen Welt haben es die Vorsichtigeren von uns schwer.

Doch wer glaubt, den einen Trend gefunden zu haben, der die Kurse an Finanzmärkten nach oben treibt, mag kurzfristig belohnt werden. Doch langfristig fährt derjenige deutlich besser, der die Risiken kennt, als derjenige, der sie ignoriert. Auch an den Kapitalmärkten ist Überzeugung allein also kein Garant für Richtigkeit – und erst recht keine Strategie.

Und vielleicht liegt darin auch der wahre Wert der Diversifikation: Sie ist weniger ein Ausdruck von Unsicherheit als von Erfahrung – der Erfahrung, dass Gewissheit selten von Dauer ist.

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