Im Zollstreit mit den USA drohen manchen Emerging Markets hohe Belastungen. Warum Portfoliomanager Michael Altintzoglou dennoch gute Chancen sieht.
Herr Altintzoglou, Donald Trump hat im April für China besonders hohe Importzölle in Aussicht gestellt. Doch Mitte August wurden diese zum zweiten Mal um 90 Tage ausgesetzt. Inzwischen sollen die Verhandlungen weitergehen. Sehen Sie eine Annäherung im Zollstreit?
Michael Altintzoglou: Ob es zu einer nachhaltigen Annäherung zwischen China und den USA kommen wird, dürfte wohl vor allem von einem geplanten Treffen der beiden Präsidenten im September abhängen. Der chinesische Präsident Xi Jinping hat den US-Präsidenten nach Peking eingeladen. Trump scheint es vor allem um den Abschluss ökonomischer Deals zu gehen und weniger darum, den weiteren Aufstieg Chinas zu verhindern.
Lange galt vor allem der Export von hochentwickelten Halbleiterprodukten von den USA nach China als „No Go“. Nun aber hat Nvidia einen speziellen Hochleistungschip für den chinesischen Markt entwickelt und es scheint Bewegung in diesen Handel zu kommen.
Ja, einen Tag nachdem bekannt wurde, dass Nvidia den H20-Chip demnächst wieder nach China liefern darf, wurde Nvidia CEO Jensen Huang auf eine Messe in Peking eingeladen, wo er eine kurze Rede hielt und die hohe Innovationsfähigkeit Chinas im Bereich KI lobte. Doch noch gibt es Hindernisse: So brauchen die Chinesen zwar High-Tech-Chips, um hier weltweit im Wettbewerb noch besser mitzuhalten, Regierungskreise stoßen sich aber daran, dass bisher nicht geplant ist, die neuesten Top-Modelle zu liefern. Sollten sich die USA aber bereit erklären, die Exportkontrollen für technologisch führende Halbleiterprodukte nach China zu lockern, könnte China im Gegenzug die Exporteinschränkungen für die begehrten seltenen Erden in die USA reduzieren. Doch dazu wäre Trump auf Zugeständnisse seitens der Lobbygruppe für die nationale Sicherheit angewiesen.
Und wenn sich der US-Präsident dadurch nicht aufhalten ließe?
Gut möglich. Letztlich läge ein solcher Schritt auch im Interesse der USA. Müssen doch einerseits US-amerikanische Technologieunternehmen auf erhebliche Umsätze mit bedeutenden Kunden in China verzichten, andererseits verstärken die Exportbeschränkungen den Anreiz für China, die Technologie selbst zu entwickeln. Der Nvidia-Chef hatte kürzlich darauf hingewiesen, dass sich der Marktanteil seines Unternehmens in China in den letzten Jahren nahezu halbiert hat und Wettbewerber wie Huawei dazu angetrieben werden, konkurrenzfähige KI-Hardware zu bauen.
Meinen Sie, dass eine Einigung und Mäßigung im Zollstreit mit den USA dem chinesischen Aktienmarkt helfen könnte?
Es könnte einige Bremsen lösen. Zumal sich die Abschwächung des US-Dollars, der gegenüber dem Euro seit Jahresbeginn etwa zwölf Prozent nachgab, tendenziell positiv auf viele Wachstumsmärkte auswirkt. Denn aufgrund der in vielen Ländern rückläufigen Inflationsraten öffnet sich für die Zentralbanken dort ein zusätzlicher Spielraum für weitere Zinssenkungen. So hat gerade Indonesien einen Zinsschritt nach unten angekündigt. Und geldpolitische Lockerungen wiederum sollten sich bewertungsunterstützend auf die jeweiligen Aktienmärkte auswirken.
Doch nicht in allen Schwellenländern tendiert der Zollstreit mit den USA in eine positive Richtung. Insbesondere mit Indien scheint sich die Lage zu verhärten?
Das ist richtig. Doch in Indien überraschte Zentralbankchef Sanjay Malhotra den Markt bereits im vergangenen Quartal mit einer Senkung des Leitzinses um 50 Basispunkte auf 5,5 Prozent. Zusätzlich plant die Zentralbank eine Reduktion der Cash Reserve Ratio (CRR) um 100 Basispunkte auf 3,0 Prozent. Die CRR ist der Prozentsatz der Kundeneinlagen, die die Geschäftsbanken in Form von Bargeld als Reserve bei der Zentralbank hinterlegen müssen. Folglich sollte im System künftig mehr Liquidität vorhanden sein. Die Kreditvergabe könnte sich dadurch beschleunigen.
Wurden nicht auch Steuererleichterungen angekündigt?
Ja, Premierminister Narendra Modi hat eine umfangreiche Senkung der indirekten Steuern angekündigt, die ab Oktober in Kraft treten soll. So gab es bisher vier Stufen bei der mit unserer Umsatzsteuer vergleichbaren GST. Künftig sollen nur noch fünf oder 18 Prozent gezahlt werden. Nahezu alle Artikel, für die zurzeit zwölf Prozent zu zahlen sind, würden dabei in die Fünf-Prozent-Stufe verschoben. Und etwa 90 Prozent der Artikel, die derzeit mit 28 Prozent besteuert werden, unterliegen künftig dem 18-prozentigen Satz. Eine Ausnahme sind Luxus und gesundheitsschädliche Produkte, die künftig einer 40-prozentigen Luxussteuer unterliegen.
Das Leben wird dadurch also billiger, der Konsum womöglich angekurbelt.
Das ist wahrscheinlich. In der Praxis dürfte etwa die Umsatzsteuer auf Kleinwagen von 28 auf 18 Prozent sinken, für Lebens- und Krankenversicherungen geht es von 18 auf fünf Prozent oder weniger herunter. Und auf viele Konsumgüter des täglichen Bedarfs, darunter Lebensmittel, kommen künftig für indische Verbraucher nur noch fünf statt zwölf Prozent Steuer obendrauf.
Das macht Modi wahrscheinlich noch beliebter und stimmt zuversichtlich. Sie auch?
Ja, die Aussichten für einige Wachstumsmärkte könnten sich weiter aufhellen. Schon jetzt ist die Wirtschaftsleistung der Emerging Markets fast ebenbürtig gegenüber den so genannten entwickelten Volkswirtschaften, doch an den Kapitalmärkten sind ihre Aktien deutlich unterrepräsentiert. Und dieses Missverhältnis bietet Chancen. Dennoch gilt es die erhöhten Risiken der Anlageklasse einzukalkulieren. Liegen doch die politischen Standards in vielen aufstrebenden Volkswirtschaften unter denen der westlichen Demokratien und nicht alle Entwicklungen lassen sich vorhersagen.
Es könnte also lohnen, die gestiegenen Chancen an den Emerging Markets zu nutzen, man sollte aber die Risiken im Portfolio gut verteilen.
Genau, wobei letzteres auch für das gesamte Portfolio überlegt werden sollte. Schließlich ist auch die von den USA dominierte westliche Welt gegenüber dem vergangenen Jahrzehnt unsicherer geworden. Ein gewisser Anteil in den Emerging Markets kann auch hier bei der Diversifikation helfen.
Herr Altintzoglou, vielen Dank für das Gespräch.
Michael Altintzoglou ist Portfoliomanager bei der Flossbach von Storch SE.
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