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Gesellschaft
6 Minuten

Mut zur Mitte

- Philipp Vorndran

Extrempositionen scheinen immer beliebter. Das gilt für die Politik, mitunter auch für die Anlagestrategie. Beides ist gefährlich!

Wir haben in den vergangenen Monaten viel über die neue US-Regierung gesprochen und geschrieben, über den neuen-alten Präsidenten Donald Trump. Dessen völlig erratischen Politikstil, seine hanebüchenen Zölle. Über die andauernden Drohungen und Beleidigungen gegenüber der US-Notenbank Federal Reserve und den Chef dieser altehrwürdigen, immer noch unabhängigen Institution, Jerome Powell.

Wir haben dabei definitiv nicht an Kritik gespart!

Donald Trump ist nicht der Präsident, den wir uns für das Weiße Haus, für die USA und die Welt gewünscht hatten. So wie die meisten anderen Europäer auch nicht, insbesondere die heimischen Medien.

„Bekommen, was sie verdient haben …“

Denen taugt Trump vor allem als willkommener, den Untiefen eines schlechten Hollywood-Drehbuchs entsprungener Bösewicht. Als Zerstörer der Demokratie in den USA. Als jemand, der die Welt am liebsten brennen sehen möchte. Und die Amerikaner? Die hätten gewiss bekommen, was sie verdienten; so ist es zumindest zu lesen gewesen …

Ich muss gestehen, ich mochte diese überhebliche – wie ich finde: „typisch europäische“ – Haltung noch nie. Man kann, ja man sollte einander kritisieren, unter Verbündeten, in der Sache streiten, auch hart; man sollte aber stets beide Seiten der Medaille betrachten.

Meine Kollegen Stephan Fritz, Thomas Lehr und ich haben uns deshalb im September nach Washington D.C. aufgemacht, um zumindest einen winzig-kleinen Eindruck zu bekommen von dem, was die US-Amerikaner über ihr Land, die Demokratie und die Regierung denken – wohl wissend, dass unsere Erkenntnisse vor allem anekdotisch sein würden.

Wir wollten schauen, ob die USA tatsächlich kurz vor einem Bürgerkrieg stehen, so wie diverse Videos in den Sozialen Netzwerken uns immer wieder glauben machen wollen. Und die Antwort darauf fällt weit weniger spektakulär aus, als sich das manch „Katastrophen-News-Junkie“ vermutlich gewünscht hätte.

Unerschütterliches Vertrauen

Wir sind ohne Probleme ein- und ausgereist. Dank der Segnungen der Digitalisierung, der kostenlosen Einreise-App („MPC“), lief das im Übrigen schneller als jemals zuvor. Uns wurde auch nicht vorgehalten, den Präsidenten in den vergangenen Monaten in ungebührlicher Weise kritisiert zu haben. Wir wurden nicht verhört, nicht schikaniert, im Gegenteil. Die Amerikaner waren sehr freundlich zu uns drei besserwissenden Deutschen.

Wir haben die Zeit in Washington genutzt, um sehr viel zu reden. Mit Studenten, Stahlarbeitern, mit (urlaubenden) Farmern oder Mitgliedern der Nationalgarde. Sie alle haben uns glaubhaft vermittelt, dass das Ende der USA, so wie wir sie kennen und mögen, noch lange nicht gekommen sei.

Stattdessen haben sie ein unerschütterliches Vertrauen in die Zukunft ihres Landes ausgestrahlt – in die ökonomische Leistungskraft, allen voran die Demokratie. Trump wird als einer von vielen Präsidenten gesehen, ein schräg-schillernder zugegeben, dem aber noch mindestens genauso viele nachfolgen werden wie ihm vorangegangen sind. Kein Messias. Auch kein Totengräber. Zumindest ist das unser Stimmungsbild aus Washington gewesen, auch wenn das sicherlich nicht repräsentativ ist für die gesamten USA.

Ich würde es als „wohltuende Distanz“ beschreiben, als Sachlichkeit.

Alle, die wir gesprochen haben, ganz gleich ob Demokraten oder Republikaner, sehen innerhalb der Gesellschaft mehr Verbindendes als Trennendes, verbunden mit dem Wunsch, das Verbindende zu stärken. „Ganz gleich, was passiert, wir sind alle Amerikaner“, hat einer zu uns gesagt ...

Interessant war im Übrigen für uns, dass die meisten Diskussionen mit einem Kommentar zu Deutschland endeten, der sich in der Regel ähnelte – sinngemäß: „Leute, ihr macht euch sehr viele Gedanken zu und über Amerika, schaut doch besser, was bei Euch daheim los ist – und regelt das!“

Nicht alles glauben …

Einer der Gesprächspartner hat uns denn auch ein kurzes Youtube-Video gezeigt, in dem Hunderte junge, scheinbar aggressive und alkoholisierte Männer Parolen grölen – „send them out, send them out“. Unser amerikanischer Freund deutete das als eindeutig ausländerfeindlich – „schmeißt sie raus“! Die Deutschen – einmal Nazis, immer Nazis …

In Wahrheit handelte es sich aber nicht um deutschen Mob von Ausländerfeinden, sondern um Fußballfans, die sich auf das Hamburger Derby (HSV-St. Pauli 0:2) eingestimmt haben. Und gerufen haben sie nicht „send them out!“, sondern HSV, HSV …

Desinformation ist ein mächtiges Instrument. Umso wichtiger ist es, sich ein eigenes Bild zu machen – und sich nicht allein auf die Inhalte irgendwelcher Videos in den Sozialen Netzwerken zu verlassen. Auf die mitunter manipulierenden Meinungen Dritter. Sich nicht hereinziehen zu lassen in die Filterblasen der Hetzer und Polarisierer. Das gilt für Amerikaner und Europäer gleichermaßen.

In Tagen wie diesen haben Extrempositionen Konjunktur – leider! Weil es nicht sonderlich schwer ist, sie zu vertreten, zumindest politisch. Schuld sind im Zweifel immer die anderen, natürlich. Was es stattdessen braucht, ist Ausgleich, und zwar mehr denn je. Mut zur Mitte, wenn man so will. Extrempositionen schaden. Das gilt für Politik und Gesellschaft; und letztlich gilt es auch für die Geldanlage.

Immer nur Momentaufnahmen

Wer heute beispielsweise glaubt, sein gesamtes Vermögen in die großen Tech-Aktien stecken zu müssen, weil die Künstliche Intelligenz (KI) den schnellen Reichtum für Anleger bedeutet, mag für den Moment recht haben. Aber wird er auch recht behalten – langfristig? Fragen Sie die unzähligen Internet-Investoren aus der New-Economy-Zeit …

Die Börse bietet immer nur Momentaufnahmen, in Summe sind es unendlich viele. Umso wichtiger ist es, ein Vermögen breit aufzustellen. Und auch in Unternehmen zu investieren, die zwar wenig(er) Fantasie bieten, dafür aber relativ verlässliche Ertragsperspektiven. Das mag langweilig klingen. Und es mag für den Moment Performance kosten. Aber langweilig ist bezogen auf das langfristige Thema Geldanlage nicht das allerschlechteste Attribut.

Die Mitte, der Ausgleich erfordern vor allem eines: Geduld. Als jemand, der sich seit Jahrzehnten mit den Kapitalmärkten beschäftigt und politisch engagiert, kann ich sagen: Es lohnt sich!

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