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Gesellschaft
8 Minuten

Demografischer Rückenwind flaut ab

- Julian Marx

Vielen hochindustrialisierten Ländern droht die Überalterung. Weltweit belebt jedoch das Bevölkerungswachstum das Wirtschaftswachstum. Noch!

Mehr als zehn Millionen Menschen leben heutzutage in der Metropolregion Paris. Im Stadtkern der französischen Hauptstadt, der 20 Arrondissements umfasst, sind es gut zwei Millionen. Dort knubbeln sich durchschnittlich rund 20.000 Einwohnerinnen und Einwohner auf jeden der 105 Quadratkilometer Stadtgebiet. Ein ziemliches Gedränge, auch im historischen Vergleich.

Etwa 10.000 vor Christus lebten nach Schätzungen verschiedener Historiker insgesamt nur zwischen ein bis zehn Millionen Menschen auf der Erde, also wahrscheinlich weniger als heute allein im Großraum Paris. Damit lag die weltweite Bevölkerungsdichte zu jener Zeit im Durchschnitt bei höchstens 0,07 Menschen pro Quadratkilometer. Rein rechnerisch wäre es somit denkbar, dass der Pariser Stadtkern zu dieser Zeit von nur einer einzigen Person besiedelt war.

Historisch - zuletzt starkes Bevölkerungswachstum

Zunächst blieb die Weltbevölkerung klein. Erst mit der Einführung der Landwirtschaft und der allmählichen Ansiedlung der Menschen in festen Gemeinschaften sollte die Weltbevölkerung mehr und mehr zunehmen. So liegen Schätzungen für das Hochmittelalter (11. bis 12. Jahrhundert) bei 250 bis 350 Millionen Menschen. Vermutlich gegen 1800 überstieg die Zahl der Erdenbürger dann erstmals die Marke einer Milliarde Menschen.

Eine sprunghafte Beschleunigung erfuhr die menschliche Gesellschaft mit dem Beginn der industriellen Revolution und den sich langsam verbessernden Lebens- und gesundheitlichen Versorgungsstandards. Bereits 1927 waren wohl rund zwei Milliarden Menschen erreicht. Danach wurde immer schneller die nächste Menschen-Milliarde verkündet. Zuletzt dauerte es etwa elf Jahre bis acht Milliarden erreicht waren. Anfang dieses Jahres gab es knapp 8,2 Milliarden Erdenbürger. Das teils rasante Bevölkerungswachstum dürfte über Jahrhunderte eine tragende Säule des hohen Wirtschaftswachstums gewesen sein. Das zeigt das Beispiel USA.

US-Erfolgsgeschichte auch mit demografischen Wurzeln

Dort hat sich die Bevölkerung zwischen 1950 und 2020 mehr als verdoppelt. Lebten 1950 noch etwa 151 Millionen Menschen in den USA, waren es im Jahr 2020 bereits 332 Millionen – ein Anstieg um 120 Prozent. Noch stärker stieg die Zahl der Beschäftigten, was sich neben der Zuwanderung auch mit einer deutlich gestiegenen Arbeitsmarktpartizipation von Frauen begründet. Gingen vor 75 Jahren knapp 59 Millionen US-Amerikanerinnen und US-Amerikaner einer Beschäftigung nach, waren es vor fünf Jahren etwa 150 Millionen. Mittlerweile, im Jahr 2025, übersteigt die Zahl der US-Beschäftigten bereits die Zahl der US-Bevölkerung aus dem Jahr 1950.

Und das reale US-Bruttoinlandsprodukt fällt heute mehr als neunmal höher aus als im Jahr 1950. Eine wachsende Bevölkerung stimuliert also einerseits die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen. Zudem steigt das Arbeitskräfteangebot. Allerdings: Nach vorne schauend schwächt der demografische Rückenwind allmählich ab, innerhalb wie außerhalb der USA.

Weltweit verlangsamt sich das Bevölkerungswachstum

In immer mehr Ländern der Welt greift die Überalterung um sich – auch wenn insbesondere für den afrikanischen Kontinent noch lange mit hohem Bevölkerungswachstum zu rechnen ist, leben doch dort rund 30 Prozent der Menschen unter 15 Jahren.

Der Zeitpunkt, an dem die Weltbevölkerung zu schrumpfen beginnen dürfte, soll nach Projektionen der Vereinten Nationen (UN) erst in den 2080er-Jahren erreicht sein. Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind die vor uns liegenden Veränderungen nichtsdestotrotz schon jetzt hochrelevant.

Zum einen verlangsamt sich das Bevölkerungswachstum in den kommenden 25 Jahren weltweit spürbar. Gemäß der UN-Berechnungen wird die Weltbevölkerung bis 2050 um schätzungsweise knapp 18 Prozent wachsen. In den vergangenen 25 Jahren lag der Anstieg noch bei 34 Prozent, und im Zeitraum von 1975 bis 2000 sogar bei 52 Prozent. Gleichzeitig soll der Anteil der Über-65-Jährigen weltweit von aktuell gut 10 Prozent auf 16 Prozent im Jahr 2050 steigen.

Vor allem große Volkswirtschaften schrumpfen

Was aus Sicht zahlreicher Volkswirtschaften erschwerend hinzu kommt: Bevölkerungsschwund und eine fortschreitende Alterung der Gesellschaft sind mit Blick auf verschiedene Länder und Regionen äußerst ungleich verteilt. Negative demografische Effekte lasten besonders auf Gesellschaften mit einer relativ hohen Kaufkraft wie Japan, Deutschland und weiteren Ländern der Eurozone. Aber auch China, der Weltwachstumsmotor der vergangenen Jahrzehnte und zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, ist im besonderen Maße davon betroffen.

Für das „Reich der Mitte“ sind die Folgen seiner langjährigen Ein-Kind-Politik in den kommenden Jahren unübersehbar. Bis 2050 soll die Bevölkerung des bis vor zwei Jahren noch bevölkerungsreichsten Landes der Welt um rund 150 Millionen auf etwa 1.265 Millionen Menschen schrumpfen. Binnen 25 Jahren geht die Einwohnerzahl somit voraussichtlich in einem Umfang zurück, der der Einwohnerzahl Deutschlands und Frankreichs entspricht. Dabei sinkt nur die Zahl der Kinder und Jugendlichen sowie der Gruppe von Personen im erwerbsfähigen Alter. Die Zahl der Über-65-jährigen Chinesen soll bis 2050 dagegen um gut 160 Millionen Menschen steigen. Für die Kohorte der 20- bis 64-Jährigen, also der Personen im erwerbsfähigen Alter, wird derzeit ein Rückgang um 190 Millionen Menschen erwartet.

In Deutschland und Japan, also in der dritt- beziehungsweise viertgrößten Volkswirtschaft der Welt, sind die demografischen Aussichten ebenfalls bescheiden. In Deutschland wird die Gruppe der Personen im erwerbsfähigen Alter in den kommenden zehn Jahren um gut zehn Prozent schrumpfen, während die Zahl der Über-65-Jährigen um fast 20 Prozent wachsen soll. Für Japan wird bis 2035 unterdessen mit einem Rückgang der Bevölkerung um etwa sieben auf 116 Millionen Menschen gerechnet. Auch hier schrumpfen nur die jüngeren Alterskohorten.

Dagegen steht den US-Amerikanern im kommenden Vierteljahrhundert lediglich eine Verlangsamung des Bevölkerungswachstums bevor. So soll die US-Bevölkerung bis 2050 um nur noch 10 Prozent zulegen, nachdem sie in den vergangenen 25 Jahren noch um 24 Prozent gewachsen ist. Auch die Alterung der US-Gesellschaft erscheint wenig dramatisch. Im Jahr 2050 sollen 23 Prozent der US-Amerikaner 65 Jahre und älter sein – ein Niveau, das Deutschland bereits heute erreicht hat.

Vom Rückenwind zur Wachstumsbremse?

Wenngleich im Fall der USA nur mit einer Verlangsamung des Bevölkerungswachstums zu rechnen ist, drängt sich aus Investorensicht die Frage auf, inwiefern ein langsameres Bevölkerungswachstum der weltgrößten Volkswirtschaft USA, ein Bevölkerungsschwund der zweitgrößten Volkswirtschaft China plus dramatische Alterungsprozesse in den Industrienationen Deutschland und Japan, also der Nummer drei und vier der Weltrangliste, auf den langfristigen Wachstumsperspektiven der Weltwirtschaft lasten werden.

Unstrittig erscheint, dass ein schwindendes Arbeitskräfteangebot das Wachstumspotenzial der betroffenen Volkswirtschaften dämpft. Zudem ist äußerst fragwürdig, inwiefern der demografische Wandel in Regionen mit einer hohen Kaufkraft durch ein anhaltendes Bevölkerungswachstum in Regionen mit einer deutlich schwächeren Kaufkraft kompensiert werden kann.

Ein anschauliches Beispiel sind die wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse zwischen Deutschland und Nigeria. In diesem afrikanischen Land könnte die Bevölkerung bis 2050 um gut 120 Millionen auf knapp 360 Millionen Menschen anwachsen. Doch der Internationale Währungsfonds rechnet für Nigeria in diesem Jahr nur mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt von gerade einmal 807 US-Dollar. Im demografisch belasteten Deutschland soll es hingegen bei fast 56.000 US-Dollar liegen, also fast 70-mal so hoch.

Demografie nicht der einzige Wachstumsfaktor

In der Gesamtschau spricht also einiges dafür, dass der demografische Rückenwind der vergangenen Jahrzehnte nachlässt. Untergangsstimmung ist dennoch unangebracht. Schließlich ist Demografie nicht alles und Effekte einer alternden Gesellschaft können auf der Ebene verschiedener Unternehmen und Sektoren sehr unterschiedlich ausfallen.

Trotz aller Belastungen kann daher ein allzu starker Fokus auf die Wachstumsquelle „Demografie“ auch irreführend sein. Schließlich war und ist das Bevölkerungswachstum nur eine mögliche Wachstumsquelle. So erklärt sich das hohe Wachstum der US-Realwirtschaft zwischen 1950 und 2020 um jährlich 3,1 Prozent auch mit Produktivitätsgewinnen. Angaben des U.S. Bureau of Labor Statistics zeigen: Sogar unter Berücksichtigung einer verringerten durchschnittlichen Arbeitszeit ist die Wirtschaftsleistung je Arbeiter in diesem Zeitraum um rund zwei Prozent pro Jahr gestiegen.

Doch nicht nur die Vergangenheit kann zuversichtlich stimmen. Auch ein Blick in die Gegenwart liefert positive Anhaltspunkte. Nie zuvor waren in der Europäischen Union mehr Forscherinnen und Forscher beschäftigt. Allein zwischen 2013 und 2023 ist deren Anzahl um rund 670.000 auf 2,15 Millionen gestiegen. Auch wenn der demografische Rückenwind also abnimmt: Der Fortschritt hat noch keine Altersteilzeit beantragt.

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