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„Eingeschränkt handlungsfähig“

- Flossbach von Storch

Die Bank of Japan hat große Mengen Wertpapiere in ihrem Bestand. Das kann ernste Folgen haben, zeigt Professor Gunther Schnabl vom Flossbach von Storch Research Institute.

Herr Professor Schnabl, in den USA will US-Präsident Donald Trump seinen Einfluss auf die Notenbank ausweiten. Sie warnen, dass die japanische Notenbank bereits seit Jahren nicht mehr unabhängig ist und inzwischen auch die Handlungsfähigkeit eingeschränkt ist. Wieso?

Prof. Gunther Schnabl: In Japan kündigte Premierminister Shinzo Abe bereits im Januar 2013 unter dem Label „Abenomics“ eine sehr expansive Finanz- und Geldpolitik an. Er ernannte Haruhiko Kuroda zum Zentralbankpräsidenten, der dann riesige Mengen an Staatsanleihen kaufte. Inzwischen dürfte sich die Bank of Japan dadurch in eine Position gebracht haben, die eine Straffung der Geldpolitik weitgehend unmöglich macht. Die Fähigkeit, auf Dauer unabhängig die Inflation bekämpfen zu können, ist damit dahin.

Ein hartes Urteil. Doch die Bank of Japan ist schon sehr lange für eine sehr lockere Geldpolitik bekannt. Sie war die erste Notenbank der Welt, die 1999 Nullzinsen einführte und 2001 begann, Staatsanleihen zu kaufen. Der damalige Premier Abe führte also kein neues Instrument der Geldpolitik ein.

Das stimmt. Das Problem seit der Einführung der „Abenomics“ ist das Ausmaß der Käufe, das nochmals immens forciert wurde. Zudem hat die Bank von Japan sogar ETFs gekauft.

Können Sie das verdeutlichen?

Gerne. Seit dem Platzen der Aktien- und Immobilienblase ist die japanische Staatsverschuldung von 63 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anno 1990 auf zuletzt 235 Prozent gestiegen. Die ausstehende Verschuldung des Staates betrug zuletzt etwa 1.332 Billionen Yen oder 7,8 Billionen Euro, die es zu finanzieren gilt. Das war nur möglich, weil die Bank von Japan sehr viele Staatsanleihen gekauft hat. Insgesamt hält sie Staatsanleihen im Gegenwert von 576 Billionen Yen. Die ETFs stehen mit einem Anschaffungswert von 37,2 Billionen Yen in ihrer Bilanz, wobei der Marktwert derzeit fast doppelt so hoch sein sollte.

Zumindest bei den ETFs klingt das derzeit nach einem guten Geschäft für die Bank of Japan. Wo liegt das Risiko?

Bei den sehr hohen Anleihebeständen. Zwischen September 2016 und Dezember 2022 hat die Bank von Japan die Zinsen entlang der gesamten Zinsstrukturkurve bei null gehalten. Und so sind trotz der damals steil steigenden Staatsverschuldung die Zinszahlungen für den Staatshaushalt moderat geblieben. Dann hat die Bank of Japan ihr Toleranzband für die Zinsen schrittweise auf ein Prozent erhöht und schließlich ganz aufgehoben. Der Zins auf 10-jährige japanische Staatsanleihen ist mittlerweile auf 1,62 Prozent gestiegen.

Damit steigt die Zinslast des Staates. Wieso ist das aber für die Notenbank ein Problem?

Es drohen hohe Bewertungsverluste auf die Staatsanleihen in ihrem Bestand. Sie lagen nach Angaben der Notenbank im Jahr 2024 bei 9,4 Billionen Yen oder etwa 55 Milliarden Euro. 2025 waren es allein bis März bereits 28,6 Billionen Yen oder 168 Milliarden Euro.

Das sind aber nur rechnerische Verluste. Wenn die Bank of Japan einfach die Papiere bis zur Endfälligkeit halten würde, müsste es kein Minus geben.

Das ist wahr. Doch allein, wenn die Notenbank bei Fälligkeit die Anleihen nicht ersetzt, kommt das inzwischen einer Erhöhung der langfristigen Zinsen gleich, die sowohl das Potenzial hat, für Bewertungsverluste bei den Staatsanleihen im Bestand zu sorgen als auch den Marktwert der ETF-Bestände zu reduzieren.

Aber die Inflation ist in Japan gestiegen und die Notenbank hat doch den Zins angehoben.

Stimmt. Im Juli lag die Inflation bei immerhin 3,1 Prozent. Die Inflationsrate bewegt sich nun mehr als drei Jahre über dem Zwei-Prozent-Inflationsziel.Der Leitzins ist aber nur auf 0,5 Prozent gestiegen. Die Bestände an Staatsanleihen werden zudem nur minimal abgebaut; im Gegensatz zu Fed und EZB kauft die japanische Notenbank sogar noch Staatsanleihen.

Sie meinen, dass die Notenbank vergleichsweise wenig gegen die Inflation unternommen hat oder unternimmt, zeigt, dass sie es nicht mehr tun kann?

Vor allem scheint es, als hätten die übermäßigen Staatsanleihe- und ETF-Käufe die Unabhängigkeit der Bank of Japan auf Dauer unterwandertBei einer potenziellen Zinsanhebung, um die Inflation unter Kontrolle zu bringen, würden sich die rechnerischen Bewertungsverluste der Staatsanleihen im Bestand der Bank of Japan vergrößern. Wenn die Zinsanhebung auch zu einem Einbruch des Aktienmarktes führen würde, dann würden die aktuellen Bewertungsgewinne der ETFs schnell schwinden. Japans führender Fernsehsender NHK argumentiert sogar, dass bei einer wachsenden Sorge über die finanzielle Solidität der Notenbank der Yen seine Glaubwürdigkeit verlieren könnte.

Und was meinen Sie? Aktuell ist der Yen gegenüber Euro und US-Dollar eher schwach.

Dabei sorgen tendenziell steigende Zinsen in der Regel dafür, dass eine Währung aufwerten muss.

Dass das beim Yen nicht passiert, könnte als ein Anzeichen für Vertrauensverlust gedeutet werden?

Durchaus. Wobei eine Aufwertung für Japans immense in Fremdwährung denominierte Auslandsanlagen einen Bewertungsabschlag gerechnet in Yen bedeuten würde. Und für erhebliche Verwerfungen sorgen könnte.

Eine schwierige Lage für Japans Notenbank. Dabei galt das Land als Vorbild für eine alternative Geldpolitik. Was können andere Notenbanken lernen?

Dass der übermäßige Kauf von Staatsanleihen immer mit Kosten bei der Unabhängigkeit verbunden ist.

Herr Professor Schnabl, vielen Dank für das Gespräch.

Einen Kommentar zu dem Thema finden Sie unter Ist die Bank von Japan noch unabhängig? - Flossbach von Storch RI

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