
Die Inflation ist noch nicht gebannt und nun schwächelt auch noch der Arbeitsmarkt. Eine diffizile Herausforderung für die US-Notenbank. Und dann ist da noch Donald Trump.
Seit Dezember 2024 hat die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) die Leitzinsen nicht mehr angetastet. Doch damit ist jetzt Schluss. Die US-Notenbanker reagieren auf gestiegene Abwärtsrisiken am US-Arbeitsmarkt und senken die Leitzinsen um 25 Basispunkte in die neue Bandbreite von 4,0 bis 4,25 Prozent. Zudem stehen die Zeichen auf weiteren Zinssenkungen in den kommenden Monaten.
Bremsspuren am Arbeitsmarkt
Für die Begründung der Zinssenkung reicht im Grunde genommen ein Blick in die jüngsten Arbeitsmarktberichte des „US Bureau of Labor Statistics“. Denn die Daten für die Monate Mai bis August zeigen ein durchschnittliches Beschäftigungswachstum von gerade einmal 27.000 Personen.
Zum Vergleich: Im entsprechenden Vorjahreszeitraum wuchs die Zahl der Beschäftigten monatlich um rund 110.000 Personen und auch für die ersten vier Monate dieses Jahres wurde ein durchschnittliches Wachstum von 123.000 Beschäftigten gemeldet.
Eine Teilerklärung für den Rückgang beim Beschäftigungswachstum ist ein verringertes Arbeitskräfteangebot infolge einer restriktiveren US-Einwanderungspolitik. So schätzte beispielsweise das „Pew Research Center“, ein US-Forschungsinstitut, dass die Zahl der Immigranten, die in den USA lebt, zwischen Januar und Juni 2025 um gut eine Million auf knapp 52 Millionen Menschen geschrumpft ist.
Allerdings reicht das Wissen um die veränderte Einwanderungspolitik nicht aus, um sämtliche Sorgen hinsichtlich des US-Arbeitsmarktes zu zerstreuen. Zeitgleich weist nämlich auch die Arbeitslosenquote der gebürtigen US-Amerikaner eine leicht negative Dynamik auf – trotz eines sinkenden Arbeitskräfteangebots von Einwanderern und einer damit vermeintlich verringerten Wettbewerbsintensität für die im Inland geborenen Arbeiter.
Im August 2025 lag die Arbeitslosenquote der gebürtigen US-Amerikaner bei 4,6 Prozent. Das ist natürlich kein dramatischer Wert. Klammert man die pandemiebedingt verzerrten Jahre 2020 und 2021 aber einmal aus und blickt auf die August-Werte der Vorjahre, dann war die Arbeitslosenquote der gebürtigen Amerikaner zuletzt im August 2017 so hoch wie aktuell.
Insofern sind gegenwärtig erste Bremsspuren am Arbeitsmarkt zu verzeichnen, die auch nach vorne schauend unverändert von konkreten Abwärtsrisiken für die US-Wirtschaft begleitet werden. Gleichwohl spiegeln sich diese nur bedingt in den neuesten Projektionen der US-Notenbanker wider. So rechnen die Geldpolitiker für das vierte Quartal des Jahres mit einem Realwachstum von immerhin 1,6 Prozent, nachdem sie im Juni noch 1,4 Prozent Wachstum erwarteten.
Dennoch dürfte die Unsicherheit im Zusammenhang mit den zurückliegenden Handelsstreitigkeiten weiter ein potenzieller Belastungsfaktor für die US-Wirtschaft sein. Die Bedeutung der Handelspolitik auf Verbraucherebene wird beispielsweise durch die viel beachtete Verbraucherumfrage der University of Michigan untermauert. Dort äußerten sich jüngst rund 60 Prozent der Verbraucher in Interviews spontan zu Zöllen. Trotz zurückliegender „Deals“ mit wichtigen Handelspartnern ist das Thema der Zölle aus Sicht zahlreicher Verbraucher also noch nicht abgefrühstückt. Kein Wunder: Schließlich bekommen sie die im Vergleich zum vergangenen Jahr zollbedingt höheren Kosten jetzt zu spüren.
Der erste Schritt von vielen?
Aus realwirtschaftlichen Gesichtspunkten ließe sich derzeit also durchaus argumentieren, noch ein wenig von der Zinsbremse runterzugehen und in den kommenden Sitzungen weitere Zinssenkungen folgen zu lassen. Darauf deuten auch die Projektionen der Notenbanker hin. Im Median gehen sie für dieses Jahr von zwei weiteren Zinssenkungen à 25 Basispunkten aus.
Mit dem dualen Mandat im Hinterkopf, das Preisstabilität und Vollbeschäftigung gleichermaßen anstrebt, bleibt die Risikoabwägung der Währungshüter allerdings ein Balanceakt. Als problematisch erweist sich in diesem Zusammenhang unverändert der Umstand, dass die Abwärtsrisiken am Arbeitsmarkt fast spiegelbildlich von Aufwärtsrisiken bei den Verbraucherpreisen begleitet werden. So schätzen die Notenbanker, dass die US-Inflation im Schlussquartal des Jahres bei 3,0 Prozent liegen könnte, und damit spürbar oberhalb des Inflationsziels von zwei Prozent. Solange also nicht sichergestellt ist, dass der zollbedingte Aufwärtsdruck bei der Inflation nur eine temporäre Erscheinung ist, dürfte die Fed ihr Interesse an einer behutsam gestalteten Zinspolitik zweifelsfrei beibehalten.
Etappensieg im Kampf um die geldpolitische Unabhängigkeit
Voraussetzung für eine ausbalancierte Zinspolitik ist und bleibt unterdessen die Unabhängigkeit der US-Geldpolitik. Wiederkehrende Forderungen von US-Präsident Donald Trump nach drastischen Zinssenkungen hatten zuletzt Zweifel an der Unabhängigkeit der US-Notenbank aufkeimen lassen, ebenso wie die plötzliche Entlassung von Fed-Gouverneurin Lisa Cook Ende August. Für den Moment deutet aber viel daraufhin, dass Trumps Vorstöße verpuffen. Einerseits blockierte ein Berufungsgericht die Entlassung Cooks, sodass diese ihr Amt vorerst weiterführen kann und auch an der jüngsten Zinsentscheidung teilnehmen konnte.
Zudem gestaltet es sich unverändert als ein spekulatives Unterfangen, im inneren Zirkel der Fed eine von Trump initiierte Kluft ausfindig machen zu wollen. So zeigte sich Fed-Gouverneur Christopher Waller, der bereits im Juli öffentlich seinen Wunsch nach einer ersten Zinssenkung hinterlegte, zuletzt versöhnlich. Ende August betonte er etwa, dass er glaube, dass eine kleine Zinssenkung um 25 Basispunkte beim aktuellen Zinsentscheid ausreichen würde. Insofern geht es sogar Waller, dem lautstarken Kritiker nach einer früheren Zinssenkung, derzeit vor allem um Nuancen in der geldpolitischen Ausrichtung.
Im Ergebnis dürfte daher auch die Neuberufung von Trumps Wirtschaftsberater Stephen Miran in den Fed-Vorstand kaum an der geldpolitischen Unabhängigkeit rütteln können. Zumal Mirans Stimme im zwölfköpfigen Fed-Gremium ebenfalls nur „einfach“ zählt.
Die Richtung scheint klar, der Umfang weniger
Die jüngsten Bremsspuren am US-Arbeitsmarkt veranlassten die US-Notenbanker, den seit Dezember 2024 pausierten Zinssenkungspfad wieder aufzunehmen. Eine zuletzt weitgehend stagnierende Gesamtbeschäftigung und eine anhaltende Unsicherheit bei zahlreichen Verbrauchern könnten weitere Schritte notwendig werden lassen. Im Rahmen ihrer Zinsprojektionen bestätigten die US-Notenbanker die gegenwärtige Erwartungshaltung am Markt, dass bei den verbleibenden zwei Zinsentscheidungen des Jahres noch zwei weitere Zinsschritte folgen könnten.
Wie üblich stellen jedwede Projektionen aber lediglich eine Momentaufnahme dar. Eine wesentliche Unbekannte bleibt die weitere Entwicklung der Verbraucherpreise. Mit der Erwartungshaltung von Teuerungsraten, die kurzfristig um die drei Prozent liegen, können mögliche Aufwärtsrisiken für die Inflation nicht einfach ignoriert werden – entsprechend trüben sie den Blick auf den kommenden Zinspfad.
Das Titelbild zeigt das Siegel der Federal Reserve über dem Haupteingang der neuen Zentrale. Das Foto hat unser Kapitalmarktstratege Thomas Lehr (in Begleitung von Philipp Vorndran und Stephan Fritz) bei einem Besuch in Washington aufgenommen. Es schmückt die Dollarscheine und ist mit einer reichen Symbolik ausgestattet. Die Sterne im äußeren Kreis bilden die 50 amerikanischen Bundesstaaten ab. Der Seeadler ist das Symbol der Vereinigten Staaten. Die Sterne auf dem Schild darunter stellen die 12 Federal Reserve Banken dar, die 13 Streifen stehen für die ursprünglichen 13 Kolonien. Die Baumzweige, die das Schild einrahmen, sollen für die Geldpolitik stehen: Der Ölbaum symbolisiert Frieden und Eintracht, die Eiche steht für Stärke und Stabilität.
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