Frankreich und Großbritannien sind hoch verschuldet. Die Wirtschaft kommt nicht vom Fleck. Thomas Mayer, Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institutes, spricht im Interview über die Gemeinsamkeiten beider Länder – und einen wichtigen Unterschied.
Sie haben kürzlich, in einem Gastbeitrag, Charles Dickens zitiert, der in „Geschichte zweier Städte“ (1859) die Probleme Londons und Paris‘ skizziert. Erkennen Sie Parallelen zur heutigen Zeit?
Thomas Mayer: Dickens schrieb, dass es mit Frankreich ungemein glatt und hurtig bergab gehe, indem es Papiergeld mache und verjubele; in England dagegen könne man sich auf Ordnung und öffentlichen Schutz nicht eben viel zugutetun. Beide Länder – Frankreich und Großbritannien – steckten damals in Schwierigkeiten. Das gilt auch heute, ja – politisch, wirtschaftlich und finanziell.
Können Sie das konkretisieren?
Die verschiedenen Regierungen haben sich in den vergangenen Jahren hoch verschuldet. Frankreich etwa hat seine Staatsschuldenquote seit dem Jahr 2010 um gute 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf für dieses Jahr geschätzte 116,5 Prozent erhöht; in Großbritannien stieg sie um 27,5 Prozent des BIP auf 103,4 Prozent. Oder nehmen wir das Wachstum: Mit 0,7 Prozent in Frankreich und 0,8 Prozent in Großbritannien – trotz Brexit – war das jährliche Wachstum des realen BIP pro Kopf in beiden Ländern bescheiden.
Und politisch?
Sowohl in Frankreich als auch in Großbritannien sind populistische Parteien auf dem Vormarsch.
Wobei es da aufhört mit den Gemeinsamkeiten. Immerhin hat die Labour-Regierung im britischen Parlament noch eine breite Mehrheit …
Noch. Es gibt aber einen wesentlicheren Unterschied.
Welchen meinen Sie?
Die Währungsunion schützt Frankreich vor dem globalen Finanzmarkt, während Großbritannien allein dasteht. Trotz der Gemeinsamkeiten sind die Zinsen in Großbritannien mit knapp 4,6 Prozent für zehnjährige Staatsanleihen deutlich höher als in Frankreich, wo sie nur knapp 3,5 Prozent betragen. Außerdem ist der Wechselkurs des britischen Pfund im Verlauf dieses Jahres um beinahe sechs Prozent gefallen, was einen Anstieg der Inflation zur Folge hatte.
Großbritannien hat auch eine etwas schwächere außenwirtschaftliche Leistungsbilanz als Frankreich…
Das dürfte aber nicht ausreichen, um die Zinsdifferenz und die Abwertung des Pfund zu erklären. Wahrscheinlicher ist, dass sich Frankreich hinter dem Schutzschild der Währungsunion verstecken kann. Solidere Staatsfinanzen in anderen Euro-Ländern halten für Frankreich die Zinsen niedrig und den Euro stabil.
Heißt, die Währungsgemeinschaft funktioniert, oder?
Ich würde sagen, dass die früheren Befürchtungen eingetreten sind, nach denen die Währungsunion einzelne Länder zur Überschuldung des Staates verführt. Als das, so wie vor der ersten Euro-Krise, nur die sogenannten „Peripherie-Staaten“ betraf, konnte der Schaden mit einer Kraftanstrengung der großen Länder und europäischen Institutionen behoben werden. Aber Frankreich …
Aber Frankreich?
An Frankreich kann der Euro scheitern.
Herr Mayer, vielen Dank für das Gespräch.
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