Die Nervosität an den Börsen ist zuletzt gewachsen. China-Regeln, Notenbank-Politik und Corona-Virus – wo lauern die größten Gefahren für Anleger?
In den vergangenen Wochen ließ sich einmal mehr beobachten, welche Bedeutung China für die globalen Kapitalmärkte hat – längst hat. Die Ankündigung der Regierung in Peking, verschiedene Sektoren, darunter der Technologie-Sektor, stärker zu regulieren, hat nicht nur die Kurse der betroffenen Unternehmen (zum Teil deutlich) gedrückt, sondern die Börsen insgesamt belastet. Aber was folgt daraus – hat die Staatspartei plötzlich ein Problem mit der Privatwirtschaft? Und die globalen Börsen mit China?
Wir sollten nicht den Fehler begehen, die Entscheidungen der chinesischen Regierung allein unter Rationalitätsgesichtspunkten bewerten zu wollen, zumal die Perspektive des europäischen Investors auf China eine gänzlich andere ist als die des Chinesen.
Staatschef Xi Jinping geht es zuallererst um die Legitimität seiner Herrschaft; dafür muss er Partei und Volk hinter sich versammeln. Alles, was er tut (oder auch nicht tut), soll letztlich auf sein übergeordnetes Ziel einzahlen, möglichst vielen Chinesen und Chinesinnen einen bescheidenen Wohlstand zu ermöglichen – und, mindestens genauso wichtig, Ungleichheit zu reduzieren. Machtansprüche Dritter dagegen könnten die Autorität der Partei bzw. Xi Jinpings schwächen. Das wird der Staatschef tunlichst vermeiden wollen.
Schlussendlich führt das zu beliebig wirkenden Interventionen der Regierung in Peking – und wird es mit ziemlicher Sicherheit auch in Zukunft tun. Dem Investor bleibt daher nichts anderes übrig, als bei der Bewertung seiner Anlagen, der verschiedenen Unternehmen, aber auch der Gesamtwirtschaft, gewisse Kollateralschäden einzukalkulieren. Anders ausgedrückt: Die Risikoprämie potenzieller Investments muss die Risiken angemessen widerspiegeln. Einen „Crash“ am Aktienmarkt, von China ausgelöst, erwarten wir aus heutiger Sicht nicht.
Ein weiteres Risiko für die Börsen ist die Pandemie, sind immer neue Varianten des Corona-Virus‘. Sie wirken weiter als Bremsklotz für die globale Konjunkturerholung. Die Gefahr einer Stagflation, einer Phase, in der die Weltwirtschaft stagniert und gleichzeitig die Inflationsraten zulegen, ist zuletzt eher gestiegen denn gefallen.
Dazu passt auch der Gleichlauf der Anleihe- und Aktienmärkte. Auffällig ist zudem, dass die Begeisterung für die sehr konjunkturabhängigen Aktien, die sogenannten Zykliker, zuletzt verflogen ist.
Und obendrein die Diskussionen über die mögliche Straffung der Notenbankpolitik, insbesondere in den USA. Stehen das Ende der Anleihekäufe und eine – zumindest vorsichtige – Anhebung des Leitzinses kurz bevor?
Dazu eines vorab: Ein durch die Geldpolitik verursachter (und deshalb vermeidbarer) Crash ist unseres Erachtens derzeit das größte Risiko für die Aktienmärkte. Aber: Die US-Notenbank Fed hat aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre gelernt. Auch wenn der Druck, die Geldpolitik zu „normalisieren, aufgrund der hohen Inflation heute deutlich größer als vor drei oder fünf Jahren, dürfte die Fed sehr viel vorsichtiger vorgehen.
Das gilt erst recht mit Blick auf die zuvor beschriebenen Risikofaktoren, Pandemie und China, die dämpfend auf die Weltkonjunktur wirken. Je größer die Konjunkturrisiken, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die großen Notenbanken, allen voran die Fed, ihre Geldpolitik allzu forsch anpassen werden.
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